Kapitel 11

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Sein Herz raste, obwohl er gar nicht weit gelaufen war. Nur ein paar Gänge hatte er sich von dem Krankenzimmer entfernt, ehe er sich auf eine Sitzgelegenheit fallen ließ. Hitoshi hätte wissen müssen, dass es eine dumme Idee gewesen war hierher mitzukommen. Es hätte schließlich auch gereicht auf den weitern Anruf von Present Mic zu warten, um alles weitere zu erfahren. Was hatte er sich nur dabei gedacht, als er darum gebeten hatte, seinen Lehrer besuchen zu dürfen? Insgeheim hatte er wohl damit gerechnet, dass All Might es ihm verbieten würde, oder Aizawa noch bewusstlos sein würde. Aber hätte es das einfacher gemacht? Er sah noch immer das leblose Gesicht seines Lehrers vor sich, wenn er die Augen schloss. Vermutlich wäre es noch schlimmer gewesen, ihn weiterhin halbtot sehen zu müssen.

Seufzend vergrub er sein Gesicht in den Handflächen und stütze die Ellenbogen auf seinen Knien ab. Wie sollte aus ihm nur jemals ein Held werden, wenn er es nicht einmal schaffte, seinem Mentor gegenüber zu treten, nachdem er ihn halb verblutet und verzweifelt vorgefunden hatte? Natürlich würden solche Momente vermutlich oft vorkommen, denn es gab immer wieder Situationen, in denen Helden auch zu Suizidversuchen gerufen wurden und auf die Leute positiv einreden sollten. Shinsou wusste, dass Eraser sich nicht selbst verletzt hatte, doch genauso fühlte es sich an und das setzte ihm sehr zu. Allein bei dem Gedanken wurde ihm schon wieder schlecht.

Als sich ihm Schritte näherten, sah der Violetthaarige auf, wischte sich übers Gesicht und versuchte möglichst normal dreinzublicken. „Hey, Mann! Alles in Ordnung bei dir?", fragte Kirishima und setzte sich neben seinen Klassenkameraden.

„Alles bestens", gab Hitoshi schroff von sich, „ihr hättet mir nicht folgen müssen." Nun fühlte er sich auch noch wie ein ausgerissenes Kind, das gesucht werden musste.

Eijiro ließ sich von dem genervten Unterton des anderen nicht beeindrucken und lächelte ihn an. „Weißt du, du bist jetzt einer von uns, deswegen machen wir uns auch Sorgen um dich. Vor allem wenn du so bleich wirst und davonläufst. Außerdem wurden wir ja darum gebeten, aufeinander achtzugeben", erklärte der Rotschopf und sah zu Izuku, der erst jetzt zu ihnen stieß und drei Flaschen Limonaden in den Händen hielt, die er an die beiden weiterreichte.

„Das müsst ihr aber nicht ... es ist ja schließlich nichts ...", versuchte Hitoshi zu erklären und begann an dem Etikett der Flasche herumzuzupfen. Wie sollte er auch erklären, dass er sich Sorgen darum machte, ob mit dem Klassenlehrer nach dieser Sache wieder alles in Ordnung wurde. Schließlich ging es hier um einen Lehrer! Eine Autoritätsperson, einen Erwachsenen, der für sich selbst Sorgen und auf sich aufpassen konnte und bestimmt nicht wollte, wenn ein Schüler sich einmischte.

Izuku ließ sich auf dem anderen freien Platz neben Shinsou nieder und nahm erst einmal einen Schluck von seiner Limo, während er kurz nachdachte, wie er seine Gedanken am besten in Worte fassen konnte. „Nach seinem Kampf gegen AFO war ich auch voller Sorge um All Might, immerhin sah es echt übel aus", erzählte der Grünhaarige. Bisher hatte er noch nie mit jemanden darüber gesprochen, aus Angst man würde ihn auslachen. Außerdem hielten ihn sehr viele für das geheime Kind des Friedenssymbol und seine Ängste um den Helden hätten die Gerüchte nur noch mehr angeheizt. Im Moment kam es ihm jedoch richtig vor, diese Gedanken mit seinem Klassenkameraden zu teilen, damit er sich besser fühlte. „Ich glaube es ist vollkommen normal, wenn man sich um seinen Mentor sorgt. Du trainierst doch immer noch sehr viel mit ihm, oder?" Hitoshi nickte abwesend.

„Als wir gegen diesen Rappa gekämpft haben, dachte ich auch kurz, er würde Fatgum killen, da hab ich auch ziemlich Angst um ihn gekriegt", fügte Kirishima an und stieß seine Schulter gegen die von Shinsou, „muss dir also nicht peinlich sein, wenn du dir Sorgen um Aizawa-Sensei machst. Und hör nicht auf Katsukis dummes Mundwerk, der meints nicht so." Schließlich erinnerte er sich noch gut daran, wie Hitoshi auf Bakugos Spruch reagiert hatte. „Eigentlich machen wir uns alle Sorgen um ihn!" Schließlich blieb es nicht unbemerkt, dass sich ihr Klassenlehrer immer schützend vor seine Schüler warf und daher viel einstecken musste.

Auch wenn man die Erlebnisse der anderen nicht eins zu eins mit seiner Lage vergleichen konnte, half es ihm doch etwas, sich besser zu fühlen. Zumindest hieß das, dass andere ihn verstanden und seine Sorgen nicht unbegründet waren. Irgendwie fühlte er sich nun auch etwas mehr mit seiner neuen Klasse verbunden als zuvor. Er öffnete die Flasche und nahm einen großen Schluck. Der Zucker half ihm ein bisschen, seinen Kreislauf, der beim Anblick des Verbands angefangen hatte verrückt zu spielen, zu beruhigen. Später würde er Izuku fragen, wie viel er für die Limo ausgegeben hatte, um ihm das Geld dafür zurück zu geben.

Kurz saßen sie still beieinander, ehe Eijiro auf seine Knie klopfte. „Wir sollten lieber zurück gehen. Midnight hat uns gebeten, nicht zu weit wegzugehen und wir wollten doch schließlich Aizawa-Sensei besuchen!", meinte er und erhob sich. Seine leere Limoflasche warf er mit einem perfekten Wurf direkt in den nächsten Mülleimer.

„Wenn du lieber doch nicht mit reinmöchtest, können wir auch gleich zum Auto, dann sagen wir den Lehrern Bescheid", fügte Midoriya lächelnd an Shinsou gerichtet an. Sie würden ihn nicht dazu drängen, das Zimmer noch einmal zu betreten, obwohl es ursprünglich seine Idee war, hierher zu fahren.

„Nein, schon in Ordnung. Lasst uns zu ihm gehen." Daraufhin erhob sich auch der Violetthaarige und folgte seinen Klassenkollegen zurück zum Krankenzimmer. Auch wenn es schwer war, jemanden wie Eraserhead, den sonst nichts so leicht umwerfen konnte, in so einem schwachen Moment zu erleben, nahm sich Hitoshi vor, dass er ihn sehen musste. Nur um sicher zu gehen, dass es ihm wirklich besser ging.

Demon in his mindWhere stories live. Discover now