»Ab heute wird alles wieder gut werden.«, versuchte Shane mich aufzumuntern.

Man musste mir wohl ansehen wie sehr ich diesen Palast verabscheute. Für mich war es immer ein Gefängnis gewesen. Ein riesiges Gebäude, das im Inneren nur von Fremden wimmelte. Und jetzt gab es nicht mal mehr diese Fremde.

Mühevoll rang ich mir ein halbherziges Lächeln ab.

»Shane! Keith!«, riefen die Sicherheitsangestellten nach meinen persönlichen Bodyguards. Beide eilten, nachdem sie mich bis ins Innere begleitet hatten, zurück zum Tor, wo man sie erwartete.

Man machte mir die Türen auf, nahm mir den Mantel von den Schultern und brachte diesen fort als wäre ich selbst nicht dazu in der Lage. Kein Wunder. Anders hatte ich bis jetzt auch nicht gelebt.

»Willkommen zurück.«, begrüßte mich plötzlich eine bekannte Stimme. Es war Olivia. Eine unseres Putzpersonals.

Ich blinzelte in Verwirrung. War sie nicht in Haft?

»Olivia?« Schnell räusperte ich mich. Ich konnte sie schlecht fragen, warum sie denn nicht im Gefängnis saß. »Hallo.«, lächelte ich sie an. Ich war froh wenigstens ein bekanntes Gesicht zu sehen.

Sie legte meine warmen Hausschuhe vor den Füßen ab so wie sie es schon seit meiner Kindheit tat. Dankend nickte ich ihr zu und schlüpfte in diese.

Olivia schloss hinter mir die Tür. Shane hatte wohl andere Probleme, mit denen er sich zuerst befassen musste.

»Der Tisch ist bereits gedeckt, wenn Sie zu mahlen wünschen.«

Waren unsere Köche wieder im Dienst?

»Gerne.«, lächelte ich. Mein Herz ging auf bei dem Gedanken, dass ich doch nicht alleine in diesem kahlen Palast war. Doch als ich ihr ins Speisesaal folgte und den reichlich gedeckten Tisch für nur eine Person erblickte, überkam mich eine Art Traurigkeit, die ich bis jetzt so nicht erlebt hatte. Ich setzte mich an meinen regelmäßigen Platz, aber mir gegenüber keine nervige Blondine und rechts von mir einen leeren Stuhl anzusehen, ohne Emily's Gedränge im Hintergrund, nahm mir den Appetit.

»Fehlt etwas?«, fragte Olivia stutzig und überflog mit den Augen den gesamten Tisch.

Ich erzwang mir ein dankbares Lächeln als Joan mit der warmen Suppe hereinkam und sie vor mir abstellte. »Nein, es fehlt nichts... Aber vielleicht wollt ihr ja- äh- mitessen?«

Beide hielten die Luft an bis die Ältere von ihnen schnell wieder zu Atem kam und antwortete: »Das wäre nicht angemessen. Wir essen separat alle zusammen.«

Die Haushaltshelfer aßen bis jetzt immer nach uns in eines der Zimmer ihrer Etage, welche sich ein Stockwerk unter uns befand.

»Oh okay« Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen wie sehr es mich traf alleine essen zu müssen.

»A-Aber wenn Sie wollen, können Sie sich uns anschließen!«, warf die Jüngere von ihnen begeistert ein und erntete daher einen fassungslosen Blick von ihrer Kollegin.

»Ist schon in Ordnung, Joan, ich möchte euch nicht stören.«

Als hätte Olivia bereits mit dieser Antwort gerechnet, nickte sie.

»Ach quatsch! Bitte gesellen Sie sich zu uns.«, verbeugte sich Joan.

Alleine essen oder mich ihnen anschließen? Olivia hielt es eindeutig für keine gute Idee, da sie in ihren 40 Jahren, die sie hier gearbeitet hatte, noch nie mit einem Mitglied meiner Familie auch nur an einem Tisch saß. Aber ich wollte nicht so sein wie mein Vater. Ich wollte an solchen Tagen nicht alleine essen. Also nickte ich lächelnd, stand auf und nahm mir meinen Teller. »Wo lang geht's?«

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWhere stories live. Discover now