d r e i u n d z w a n z i g

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Draco hatte recht gehabt. Er bereute es. Nicht, weil es ihm nicht gefallen hatte. Im Gegenteil. Beim Aufwachen packte ihn bloß mit voller Wucht die Angst, dass Blaise womöglich recht hatte. Draco hatte es seiner Meinung nach viel zu sehr genossen, neben einem anderen Jungen zu schlafen. Und dieser Junge war dann zu seinem Unglück auch noch Harry Potter. Wie in Merlins Namen sollte er sich jemals erklären? Bei Dean und Seamus hatte es den Großteil ja gar nicht mal interessiert. Und für Pansy war Draco ohne zu zögern eingestanden, als sie mal etwas mit einem Mädchen hatte und von Mitschülern dafür dumm angemacht wurde. Aber würde er das auch für sich selbst tun können? Bei diesem Gedanken sog er scharf die Luft ein. Zog er gerade ernsthaft in Erwägung seine abstrusen Gefühle zuzulassen? Er, Draco Malfoy, schwul oder bi oder irgendwas in die Richtung? Kopfschüttelnd drehte er sich auf die andere Seite, möglichst ohne dabei seinen Mitbewohner zu berühren. Selbst wenn es seine Mitschüler und vielleicht sogar seine Freunde akzeptieren würde, er würde sein Zuhause verlieren. Seine Eltern wollten für ihn eine reinblütige Hexe zur Frau, um die reine Blutlinie der Zauberer aufrechtzuerhalten und die Ehre der Malfoys zu retten. Da würde es ihm wohl nicht einmal möglich sein, mit einem Halbblut nach Hause zu kommen - unabhängig von dessen Geschlecht. Also nein, es kam gar nicht erst in Frage, irgendwelche lächerlichen Gefühle zuzulassen.

Kaum schlug er jedoch in diese Richtung die Augen auf, wurde ihm klar, dass dieses Vorhaben deutlich schwerer umzusetzen war als angenommen. Neben ihm lag noch immer tief schlafend Harry und dessen Anblick ließ Draco gefährlich warm ums Herz werden. Harry lag auf dem Rücken und atmete ruhig mit leicht geöffnetem Mund.

„Fuck", hauchte der Slytherin geschlagen, schob seine Gedankengänge, auf die er zu diesem Zeitpunkt definitiv noch keine Lösung hatte, beiseite und fokussierte sich nun auf eine naheliegende Frage: Wie sollte er aus dem Bett rauskommen ohne über Potter zu stolpern? „Potter... ich meine Harry... wach auf!"

„Wer? Was? Wo? Warum?" Zusammenhangslose Dinge murmelnd kam der Braunhaarige in der Realität an und rieb sich das Gesicht.

„Du. Aufstehen. Aus meinem Bett. Ich will ins Bad", antwortete Draco schließlich auf alle gestellten Fragen und brummend setzte sich Harry auf, damit er vorbeikam. Bevor er jedoch aus dem kleinen Zimmer trat, blieb er vor dem Vorhang, welcher als Tür diente, abrupt und wie versteinert stehen.

„Dass eines klar ist: Keiner erfährt jemals hiervon!" Fast drohend deutete er nacheinander zuerst aufs Bett, dann auf Harry und abschließend auf sich selbst. Aus dem Kontext gerissen, sah diese Reihenfolge nicht gerade danach aus, als ob Harry bloß neben Draco geschlafen hatte, weil dieser nach einem Alptraum um halb drei Uhr nachts nicht allein sein wollte.

„Hmh", machte Harry daraufhin bloß und ließ sich gähnend wieder zurück aufs Bett fallen. „Denk dran, du bist heute fürs Frühstück zuständig!"

Besagtes Frühstück verlief am heutigen Tage deutlich schweigsamer und unangenehmer als die vorherigen Tage. Beide Jungen hingen ihren ganz eigenen Gedanken nach und fragten sich wohl gleichermaßen, warum sie die letzte Nacht zugelassen und warum in Merlins Namen sie es auch noch genossen hatten. Was war bitte aus ihrer Feindschaft geworden?

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„Wir sollen unseren heutigen Tag wohl der Schule widmen", durchbrach Harry schließlich die angestaute Stille, als er von einem kurzen Spaziergang wieder ins Zeltinnere trat und sich den Wintermantel vom Leib streifte. „McGonagall hat ein paar Unterlagen geschickt."

Er wedelte mit einem Stapel Pergament in der Hand, während er die Schuhe auszog und es sich daraufhin auf dem Sofa gemütlich machte. Den Papierkram legte er vor sich auf einen kleinen Holztisch und begann, die für ihn bestimmten Pergamente von denen Dracos zu trennen.

„Klingt nach einem Plan. Willst du auch was trinken?", kam es nun aus der Küche von Draco, der bis eben mit dem Abwasch beschäftigt war. Aus Langeweile hatte er diesmal auf einen Haushaltszauber verzichtet. Außerdem half ihm die stumpfe Arbeit beim Nachdenken, wobei er noch immer nicht zu einem Schluss gekommen war. Bisher hatte noch keiner der beiden die gestrige Nacht erneut angesprochen - sie waren gut darin, einfach so zu tun, als wäre nie was passiert.

„Gerne. Haben wir noch Früchte-Tee?"

„Nein, ist leer. Lass mich raten, dann Pfefferminz?"

Während Draco schon das heiße Wasser vorbereitete, drehte sich Harry auf dem Sofa um und sah seinen Mitbewohner erstaunt von weitem an. „Woher...?"

„Harry, wir leben seit Wochen hier zusammen und du hast nie was anderes getrunken als diese beiden Sorten." Amüsiert bereitete Draco nun den Tee fertig zu und stellte kurz darauf zwei dampfende Tassen auf den Holztisch vor Harry. Daraufhin nahm er die mittlerweile sortierten Pergamente in die Hand und besah sie sich prüfend. „Sind das meine?"

„Yep. Und danke für den Tee." Harry hatte sich inzwischen in sein Schulbuch über Zauberkünste für Abschlussklassen eingelesen. Auch Draco holte mit einem Schwung seines Zauberstabs seine in Hermines Beutel eingelagerten Schulbücher hervor und begann mit einer Zaubertranksanalyse.

Knappe drei Stunden arbeiteten die zwei Jungen so nebeneinander her, bis beide mit zwei Fächern durch waren und Harry gerade gähnend eine Lektüre aufschlug, die sie in Geschichte der Zauberei lesen sollten. Es handelte sich um ein Buch, welches ein bekannter Zauberer und Zeitgenosse über die Koboldaufstände geschrieben hatte. Der Gryffindor nahm sich vor, heute die ersten drei Kapitel zu lesen - oder eher gesagt zu überfliegen. Danach sollte Schluss für diesen Tag sein.

Seufzend versuchte er irgendwie eine zum Lesen angenehme Position zu finden, doch sitzend schien dies beinahe unmöglich. Und so legte er sich kurzerhand quer aufs Sofa, wobei er unvermeidlich und nicht ganz unbeabsichtigt mit dem Kopf auf dem Schoß seines Nebenmanns landete.

„Äh... was soll das werden, wenn's fertig ist?", hakte Draco mit skeptischem Blick nach. Er hatte zuvor durch sein Astronomiebuch geblättert und derzeitige Sternkonstellationen nachgelesen, als Harrys Berührung ihn für kurze Zeit wie zu Eis erstarren ließ.

„Ich kann langsam nicht mehr sitzen, vor allem nicht zum Lesen." Harry musste sich ein dümmliches Lächeln verkneifen. Irgendwas stimmte definitiv nicht mit ihm. Sein Verstand und sein Herz waren nicht wie üblich einer Meinung. Seit gestern Nacht konnte er nicht mehr nachvollziehen, was er fühlte. Schließlich sehnte er sich seit gestern Nacht aus unerfindlichen Gründen danach, Draco nah zu sein.

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Healing - A Drarry Fan FictionTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon