d r e i ß i g

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Das Gespräch mit seiner Mutter gab Draco endlich die nötige Energie, um noch etwas anderes zu tun, als sich nach dem Unterricht im Bett zu verstecken. Seit diesem Tag verbrachte er jede freie Minute im Krankenflügel an Harrys Seite, beobachtete die ein- und ausgehenden Heiler, die nach und nach das Rätsel um den unbekannten Fluch lösten - am Ende war es Madam Pomfrey, die die zündende Idee hatte -, ignorierte eisern die Gerüchte, die um den plötzlichen Waffenstillstand zwischen ihm und Harry Potter aufkeimten, und hielt schließlich die Hand seines Freundes - zumindest, wenn niemand hinsah. Am Ende hielt er sich sogar so oft im Krankenflügel auf, dass sich selbst Hermine und Ron über Dracos plötzliches Interesse an Harrys Wohlergehen wunderten.

Lange sollte das Geheimnis allerdings nicht mehr fortbestehen, denn während Draco eines Abends vor Erschöpfung auf dem Stuhl neben Harrys Bett einschlief, den Kopf auf Harrys Bettdecke gebettet, wurde er am nächsten Morgen auf die Art und Weise geweckt, wie er sie seit nunmehr drei Wochen vermisst hatte.

„Guten Morgen." Eine weiche Hand kraulte sein Haar, als der Besitzer dieser Hand ihn mit leiser und belegter Stimme aufweckte.

„Hmm..." Das Nächste, was Draco wahrnahm, waren seine höllischen Nackenschmerzen. Halb sitzend zu schlafen, war definitiv keine brillante Idee gewesen.

„Guten Morgen, Draco", hörte er schon wieder diese Stimme, diesmal vermischt mit einem Lächeln. Und plötzlich schlug er die Augen auf und richtete sich ruckartig auf.

„Harry!"

„Na, das hat aber lange gedauert." Harrys Lächeln wurde noch ein Stück breiter als er Dracos erleichtertes Gesicht bemerkte. Dann breitete er die Arme aus. Zwar tat ihm noch jede Bewegung höllisch weh, aber das hier wollte er sich nicht nehmen lassen. „Komm her!"

Draco ließ sich das nicht zwei Mal sagen, er sah sich kurz prüfend um, setzte sich dann auf die Bettkante und schloss Harry liebevoll in die Arme. „Ich hab mir solche Sorgen gemacht."

„Komisch, sonst bin ich doch immer derjenige, der sich Sorgen macht", grinste Harry an Dracos Halsbeuge.

„Bist du sauer auf mich?" Nach einem kurzen Moment des Schweigens musste Draco diese Frage einfach stellen. Er wusste schließlich, dass er Mist gebaut hatte. Ziemlich großen Mist.

Doch Harry schüttelte den Kopf. „Ich war enttäuscht. Sehr sogar. Aber während meinem Dauerschlaf hatte ich genug Zeit zum wütend sein, nachdenken und schließlich hab ich dir mehr oder weniger verziehen. Versprich mir nur, dass du mich nie wieder anlügst. Jetzt sind wir in einer anderen Ausgangssituation als vor der Flucht."

„Versprochen", flüsterte Draco ohne zu zögern und eine schwere Last fiel von seinen Schultern. „Wie geht es dir überhaupt?"

Während Draco nun die Stirn gegen die seines Gegenübers lehnte, musste Harry über die verspätete Frage schmunzeln. „Den Umständen entsprechend gut. Alles tut weh, aber ich hab schon Schlimmeres erlebt."

„Okay." Genug der Worte. Damit lehnte er sich vor und schloss die kleine Lücke zwischen ihm und Harry. Endlich. Nach drei langen Wochen, die sich wie eine elende Ewigkeit angefühlt hatten.

Etwa zur selben Zeit waren auch Hermine und Ron auf dem Weg in den Krankenflügel. Sie wollten kurz vor Unterrichtsbeginn nochmal bei ihrem besten Freund vorbeischauen. Ron war gerade dabei, seiner Freundin ausschweifend vom gestrigen Quidditch-Training zu berichten, als er durch die breite Tür in den Krankenflügel trat, wie vom Blitz getroffen plötzlich verstummte und abrupt stehenblieb. Hätte Hermine etwas weniger schnelle Reflexe gehabt, wäre sie wohl volle Kanne gegen ihn gelaufen.

„Ron, was-...?", fing sie an, wurde jedoch direkt unterbrochen.

Was...? Was bei Merlins Bart ist das hier?! Willst du mich verarschen?" Ron fuchtelte aufgebracht mit den Armen. Hermine, die immer noch nichts sehen konnte, weil ihr Freund vor ihr stand, bahnte sich nun ihren Weg neben ihn und ihr Blick fiel auf das einzige belegte Bett hier. Dort saßen Malfoy und ein endlich wacher Harry, beide mit ertappten Gesichtsausdrücken und geröteten Lippen. Hermine zählte eins und eins zusammen und riss überrascht die Augen auf. Was auch immer sie von Malfoys plötzlichen Interesse an ihrem besten Freund erwartet hatte, das war es nicht.

„Ich... ich wollte nicht, dass ihr es so erfahrt.", begann Harry nun stammelnd nach der ersten Schrecksekunde.

„Ich glaube nicht, dass es das anders besser gemacht hätte!", fauchte Ron und verschränkte die Arme vor der Brust. Er konnte sich das Bild, was sich vor seinen Augen abspielte einfach nicht erklären. „Versteh mich nicht falsch, Harry. Es ist mir ziemlich egal, dass du mit 'nem Typen knutschst, aber verfickt nochmal Malfoy?!"

„Ich kann das bestimmt erklären... irgendwie...", stammelte Harry weiter, er war inzwischen scharlachrot angelaufen.

„Ich nicht." Auch Dracos Wangen glühten. „Ich versuch das seit mindestens zwei Monaten, hat bisher noch nicht geklappt."

„Du hältst den Mund, kapiert? Nur wegen dir ist Harry überhaupt hier gelandet!" Ron redete sich mittlerweile in Rage, er deutete zuerst auf den Slytherin der Runde und dann auf das Krankenbett.

Draco holte erstmal nur tief Luft, er versuchte wirklich sich zusammenzureißen, aber dieser Rotschopf machte ihn rasend.

„Du hast ihn verdammt nochmal verraten! Du warst es, der ihn ausgeliefert hat!"

„Ich weiß, ich hab Mist gebaut, Mann. Danke, dass du's mir nochmal unter die Nase reiben musst! Aber ich hatte Angst, verflucht, und die hab ich immer noch. Das verstehst du nur nicht, weil du Eltern hast, die auf deiner Seite stehen. Du würdest nie in die Situation kommen, in der du dich für oder gegen jemanden entscheiden musst, den du liebst!" Jetzt hatte es Draco endgültig gereicht und er war aufgesprungen.

„Das ist doch-..."

„Ruhe jetzt!", platzte es nun gleichzeitig aus Harry und Hermine heraus. Sie hatten ihre beiden Freunde nun genug beim Streiten beobachtet.

„Ich bin seit nicht mal fünf Minuten wieder wach und alles, was ihr zu tun habt, ist euch gegenseitig anzuschreien", stellte Harry fest und sah Ron und Draco streng an.

„Du hast recht, tut mir leid", wandte Draco ein, atmete einmal tief durch und setzte sich wieder neben Harry auf die Bettkante. Entschuldigend griff er nach dessen Hand - es hatte ja keinen Zweck mehr, sich zu verstecken -, woraufhin Ron das Gesicht verzog.

„Sorry", gab aber auch er zu verstehen. Gerade noch rechtzeitig, denn jetzt wirbelte eine aufgebrachte Madam Pomfrey herein.

„Was ist denn das für ein ohrenbetäubender Lärm hier am frühen Morgen, Harry braucht... Harry! Du bist wach. Wie geht es dir?" Sofort brachte sie Wasser und irgendeine Medizin und stellte dem ohnehin schon überforderten Gryffindor bestimmt hundert Fragen zu seinem Zustand.

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Healing - A Drarry Fan FictionWhere stories live. Discover now