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Ich staunte nicht schlecht, als ich am Abend gegen neun Uhr am Club eintraf und mir beim Eintreten nicht nur zwei, sondern gleich mehrere wohlvertraute Stimmen entgegenschallten.

Wie vom Donner gerührt verharrte ich einige Momente an der Tür und konnte mich nur im letzten Moment davon abhalten, verwirrt die Stirn zu runzeln und damit meine Verblüffung zu verraten.

Dort vorne stand Harry mit dem Rücken zu mir an der Bar, zusammen mit Paul Higgins.

Meine beiden Kollegen – meine echten Kollegen – sprachen über die Theke hinweg mit James, der nebenbei den Flaschenvorrat an der Wand auffüllte und dabei immer wieder unruhig mit dem Geschirrtuch friemelte, von dem er sich einen Zipfel in die Hosentasche geschoben hatte, damit es ihm nicht abhandenkam.

Paul hatte sich ein Stück vorgebeugt und schien eindringlich auf ihn einzureden, doch kaum hatte James mich an der Tür gesichtet hob er die Hand zu einem Winken empor, womit er Paul resolut das Wort abschnitt. „Hey, Ni!"

Damit war mein Plan, mich vorerst im Hintergrund zu halten, wohl hinfällig geworden.

Unschlüssig trat ich näher und ließ den Schlüssel meines Fahrradschlosses in der Hosentasche verschwinden.

„Hi. Ähm ..." Ich versuchte, keinen nervösen Eindruck zu machen, als sich Paul und Harry gleichzeitig zu mir umwandten, um mir entgegenzusehen, doch keiner von beiden verzog eine Miene.

Natürlich taten sie das nicht. Sie hatten ja damit rechnen und sich darauf vorbereiten können, mich hier anzutreffen. Ganz im Gegensatz zu mir im umgekehrten Fall. Jetzt war es an mir, keine auffälligen Verhaltensweisen zu zeigen, die eine Bekanntschaft mit den beiden nahelegen würde.

Um Natürlichkeit bemüht schob ich mir den Riemen meines Rucksacks höher auf die Schulter zurück, von wo aus er mir beim Radfahren ständig in die Ellenbeuge rutschte. „Ist was passiert?"

Die Frage war nur zur Hälfe Schauspielerei, wenn man bedachte, wie ausgeprägt das mulmige Gefühl war, das sich in mir breitgemacht hatte.

Hatte Harry Paul womöglich entgegen unserer Absprache von gestern doch eingeweiht, was mein ... Verhältnis mit James betraf, worauf unser Vorgesetzter beschlossen hatte, diesen nun selbst zu überprüfen?

Nein, das wäre Irrsinn. Wüsste er davon, hätte er ganz andere Maßnahmen ergriffen, statt den Erfolg des Einsatzes zu riskieren, indem er in all seiner polizeilichen Präsenz hier einen Aufmarsch hinlegte.

Oder ... oder hatten sie beschlossen, auf einen weiteren geheimen Verlauf der Mission zu verzichten und stattdessen nach meiner gestrigen Beobachtungen sofort einen offenen Zugriff zu machen?

Noch größerer Blödsinn.

Wir hatten nichts in der Hand, keinen Stoff, keinen Namen, nichts. Wir hatten lediglich das, was ich gesehen hatte. Und das zählte ohne handfestes Beweismaterial nicht viel. Zumal sich mir bei dem Gedanken, James ans Messer liefern zu müssen, der Magen umdrehte.

An die Tatsache, dass ich das jedoch früher oder später tun musste, wenn ich mich gemäß meines Jobs verhalten wollte, durfte ich in diesem Kontext gar nicht erst denken.

Aber nun gut. Nachdem nun die Polizei hier ganz offen hereinmarschiert war, würden die Leute, die James dazu zwangen, den Stoff zu verticken (also aller Wahrscheinlichkeit nach Payne selbst) heute ganz bestimmt keinen weiteren Verkaufstag veranstalten. Sie wären schön blöd, das zu tun.

Ungehaltenheit stieg in mir auf. Das hieß also, dass ich die heutige Nacht im Rahmen des Einsatzes praktisch komplett vergessen konnte und sich die Aktion noch unnötig in die Länge ziehen würde – wenn nicht sogar über mehrere, zusätzliche Wochen hinweg.

Undercover (Niam)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt