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Ich sehe den Schmerz in seinen Augen, den ich so gern lindern würde.
*
Lilli

Das erste mal seit Tagen habe ich die Wohnung verlassen. Ein leichter Wind weht mit die Haare ins Gesicht. Mit einem Haargummi binde ich sie mir zusammen. Ich gehe in einen Rossmann und hole mir neues Haarfärbemittel. Anschließend laufe ich am Rhein entlang. Der Fluss wird durch einen Zaun vom Ufer getrennt. Mehrere Bänke stehen am Rande des Weges. Einige stehen unter Bäumen und werden dadurch durch die Sonne geschützt. Ich lasse mich auf einer nieder.

In den letzten Tagen habe ich nichts mehr von den anderen gehört. Ich habe eine kurze Zeit überlegt, ob ich mich melden sollte. Aber diese Idee habe ich schnell wieder verworfen. Maxi und Juli sind die einzigen, die wissen wo ich wohne. Und ich habe lediglich eine Ahnung, wo Raban oder Joschka wohnt. Ich habe keine Ahnung was ich tun sollte, oder sagen. Sie haben Markus wiedergefunden und ich bin mir sicher, dass sie wieder befreundet sind. Ich kann nicht mit ihnen befreundet sein, wenn Markus jederzeit bei ihnen auftauchen könnte. Alles an ihnen wird mich an ihn erinnern. Ich würde mir nur noch mehr weh tun.

Irgendwie will ich noch in seiner Nähe sein, auch wenn es mir den Rest meines Mutes nehmen würde. Seit ich Markus wiedergesehen habe, habe ich kaum was vergessen. Es sind acht Tage vergangen und an jedem Tag habe ich an Markus gedacht.
Es ist zum verzweifeln. Ich versuche wirklich nicht an ihn zu denken, aber immer wenn ich es mir vornehme, ist der Versuch bereits gescheitert.

Auch jetzt denke ich an ihn. Aber jede Erinnerung scheint mir grau und traurig zu sein. Und das ist es, was mich so fertig macht. Ich weiß, dass es unfassbar schöne Erinnerungen gab und ich versuche an diese zu denken, weil ich Markus anders in Erinnerung halten will. Aber ich kann mich an keine Erinnern, alles was ich sehe sind Markus und Mariam. Miriam und Markus. Und Miriam.
Ich sehe immer wieder die schöne Miriam, die mir innerhalb weniger Stunden gezeigt hat, dass sie besser zu Markus passt. Ihre langen, blonden Locken. Ihren Sommersprossen und den großen braunen Augen. Ihr Lachen war bezaubernd. Und der Blick, den Markus ihr zugeworfen hat, zeugte von wahrer Liebe. Den Tag nachdem ich ins Wasser gestürzt bin, hat Markus mich so angesehen. Am Fluss, als Markus und ich zusammengekommen sind, hat er mich so angesehen. Und wenn ich daran zurückdenke, stelle ich mir Miriam vor, die an meiner Stelle am Fluss sitzt.

Mein Klingelton holt mich aus meinen Gedanken. Ich starre auf mein Handy in lese Emelie's Namen. Ich drücke auf ablehnen. Das Handy klingelt erneut. Ich lehne wieder ab. Als es das dritte mal klingelt, hebe ich ab. „Hey Lilli.", begrüßt mich Emelie. „Du hast Besuch und so wie der klopft, scheint es wichtig zu sein.", sagt sie. Seufzend nicke ich, auch wenn sie es nicht sehen kann. „Gut, dann bis gleich.", verabschiedet sie sich und legt auf.

Ich erhebe mich und laufe zurück. Langsam laufe ich am Rhein entlang und lasse meinen Blick immer wieder übers Wasser schweifen. Als ich wieder in der Stadt ankomme, hoffe ich auf ein Gefühl, dass ich angekommen bin. Ich hoffe, dass ich mich zuhause fühle. Aber nichts dergleichen. Lediglich die Leere in mir.
Die letzten Meter zur Wohnung vergehen viel zu schnell. Die Wohnung ist zwar schön, aber sie wird immer kleiner. Ich fühle mich eingeengt und mit meinen Gedanken allein. Heute draußen, bin ich auch alleine, aber irgendwie ist es schön.

Ich schließe die Eingangstür auf und laufe die Treppen hinauf. Auf dem Weg hoch suche ich bereits den Schlüssel aus meiner Tasche. Dabei fällt mir die Haarfarbe aus der Tasche. Ich ziehe, bevor ich die Farbe aufhebe, den Schlüssel heraus. Als ich mich nach der Farbe bücke und mich wieder aufrichte, lasse ich die Farbe wieder fallen. Mit offenem Mund, sehe ich auf Markus herab. Markus sitzt vor der Tür und sieht auf mich. In seiner Hand hält er einem Umschlag. Er grinst mich an. „Deine Mitbewohnerin ist merkwürdig.", sagt er. Als ich nicht antworte, steht er unbeholfen auf. „Sie hat mir aufgemacht und als ich mich vorgestellt habe, hat sie die Tür vor meiner Nase zugeschlagen.", sagt er. „Mit Schwung. Wäre ich nicht einen Schritt zurück gegangen, hätte sie mir die Nase gebrochen.", fügt er lachend hinzu.

Seufzend laufe ich an ihm vorbei und schließe die Tür auf. „Lilli.", sagt Markus hinter mir, doch ich schupse die Tür schon hinter mir zu. Markus klopft an der Tür, während ich meine Schuhe ausziehe und meine Jacke aufhänge. „Da bist du ja endlich. Der Typ sitzt schon seit einer halben Stunde vor der Tür.", begrüßt mich Emelie. Ich gehe ins Wohnzimmer und versuche dabei das Klopfen zu ignorieren. „Der Kerl ist ein Spinner.", ruft Emelie nach. „Das habe ich gehofft.", höre ich Emelie sagen. Verwirrt gehe ich wieder in den Flur. „Er hat mich gehört.", sagt sie grinsend. Ich kann mir selbst kein Grinsen verbergen.

„Lilli, bitte. Wir müssen reden.", sagt Markus. Emelie überdreht ihre Augen. Die Tür öffnet sich. Sophia kommt rein und deutet hinter sich. „Was will der Spinner hier?", fragt sie. Emelie beginnt zu lachen, Markus steht böse hinter Sophia und ich stehe verwirrt da. Markus schüttelt seinen Kopf und sieht mich an. „Ich muss mit dir reden.", sagt er. „Gut.", antwortet Sophia für mich. „Aber nur, wenn wir dabei sind.", fügt Emelie hinzu. Markus atmet tief ein und schließt einen Moment seine Augen. „Nein. Wir gehen.", sagt Sophia. Emelie verschränkt ihre Arme. „Auf keinen Fall. Wir stehen Lilli bei.", erklärt Emelie. Es beginnt eine Diskussion. Das täglich Streitthema ist heute, dass sie Markus und mein Gespräch verfolgen werden.

Markus kommt ungefragt herein und überreicht mir den Umschlag. „Lilli, ich weiß, dass ich einiges falsch gemacht habe. Vielleicht hätte ich nicht einfach abhauen sollen, aber ich kann es nicht ungeschehen machen.", sagt er. Emelie und Sophia hören auf zu diskutieren und sehen zu uns. Emelie hat gewonnen, sie werden bleiben und uns zuhören. Emelie deutet auf den Brief. Perplex öffne ich den Briefumschlag und ziehe eine Karte heraus. Ich öffne die weiße Karte. Verwirrt sehe ich zu Markus, nachdem ich die Karte gelesen habe. „Du lädst mich zu deiner und Miriam's Hochzeit ein?", frage ich aufgebracht.

Markus reibt sich nervös seine Hände und nickt. „Warte du sprichst?", fragt Emelie verwirrt. Als ich kurz zu ihr sehe, schlägt Sophia ihr gegen den Arm. „Ja. Ich kann nicht Miriam heiraten, ohne dein Einverständnis.", sagt Markus. Gerade als ich ihn anschreien will, setzt Emelie wieder ein. „Ich dachte immer du kannst nicht reden."
„Nein, Markus. Ich werde nicht kommen.", sage ich entschlossen und drücke ihm die Einladung wieder gegen die Brust.

„Lilli, ich werde mir nie verzeihen, dass ich dich verletzt habe. Ich habe dich geliebt und ich dachte, dass ich nie über dich hinweg kommen. Als ich Miriam kennengelernt habe, habe ich mich wieder lebendig gefühlt. Aber als ich dich wieder gesehen habe, habe ich erkannt, wie sehr ich dich verletzt habe. Bitte sag mir, dass es für dich in Ordnung ist.", bittet er mich. Ich schüttele meinen Kopf. „Du brauchst kein Einverständnis von mir. Wir sind seit zwei Jahren nicht mehr zusammen.", erkläre ich. Markus seufzt. „Ich will dich nicht noch als Freundin verlieren.", gibt er zu.
„Das hast du schon.", erwidere ich, „Und jetzt geh.".

Markus seufzt erneut. In seinen Augen treten Tränen auf. Ich sehe zu Emelie und Sophia, die gespannt das Gespräch verfolgen. „Bitte.", setzt Markus wieder an. Er legt die Einladung auf den Boden und sieht zu mir. Ich sehe den Schmerz in seinen Augen, den ich so gern lindern würde. Aber ich schüttele wieder mit meinen Kopf. „Ich werde nicht kommen.", sage ich.
„Und ob du das wirst.", schaltet sich Emelie mit ein. Verwirrt sehe ich zu ihr. Auf ihren Lippen erscheint ein bösartiges Grinsen, als sie sich zwischen mich und Markus stellt. „Aber nur, wenn wir auch kommen können.", fügt Emelie hinzu. Verwirrt sieht Markus zu mir. Ich zucke lediglich mit meinen Schultern. Markus gibt sich geschlagen und stimmt zu.

Emelie dreht sich kurz mit einem selbstgefälligen Grinsen zu mir. „Und das ist dafür, dass du meine Freundin verletzt hast.", sagt sie und schlägt ihn mit der flachen Hand auf seine Wange. Geschockt sieht er zu Emelie. „Lilli hat ihr Versprechen nicht eingelöst, also mache ich es selbst.", sagt sie. Ich beginne zu lachen. „Du hast es verdient.", sage ich und deute auf die Tür. Markus nickt und reibt sich die Wange, als er zur Tür verschwindet.
„Danke Lilli.", sagt er noch. Ohne eine Antwort, schlage ich die Tür zu.

Emelie hat die Karte bereits aufgehoben und ließt nach. „Die Hochzeit ist in zwei Wochen.", sagt sie. „Was hast du vor?", fragt Sophia und tritt neben sie. „Lilli wird ihn eifersüchtig machen. Und zwar richtig.", Emelie's bekanntes boshaftes Grinsen erscheint wieder auf ihren Lippen. „Als erstes werden wir ihr ein Outfit erstellen und dann kümmern wir uns um eine Unterkunft.", erklärt Emelie selbstgefällig. Ich sehe ihr an, wie es in ihrem Kopf arbeitet. Sie arbeitet bereits an einem Plan. Emelie läuft ins Wohnzimmer und Sophia und ich folgen ihr schweigend.
*
Wie geht's euch heute?

If love could feelWhere stories live. Discover now