Kapitel 27

437 19 0
                                    

He's not perfect,
but he's all I want.

Rose

Sieben Tage, fünf Stunden und zwanzig Minuten.
Fünf Lachanfälle, eine Schlaflose Nacht und acht sinnlose Diskussionen mit Brian.
Unfassbar, dass es schon so lange her ist, dass ich hier bei ihm bin. Bei Brian. Ich kann es selbst noch nicht richtig begreifen, was überhaupt geschieht.
Die ganze letzte Woche über, gab es gute und schlechte Momente zwischen mir und Brian. Mal stritten wir uns, sodass er wieder der Brian wurde, von dem ich mich fürchtete, doch an einem anderen Tag, war es, als wären wir wieder die alten. Als wären wir wieder Brian und Rose. Wir schauten Filme, die wir als Kinder gemeinsam gesehen hatten, kochten gemeinsam unsere Lieblingsgerichte, betranken uns mit ekligen Alkoholmischen und machten ein Picknick-auch wenn's nur in seinem riesen Garten war. Im vollen und ganzen, hatte ich mich selten unwohl gefühlt, weshalb ich nun hier liege und mir sorgen mache. Sorgen um mich selbst. In den letzten sieben Tagen, hatte ich nämlich das Ziel aus den Augen verloren. Ich war so sehr darauf fokussiert, Zeit mit ihm zu verbringen, dass ich den Grund dafür vergessen hatte. Und jetzt, sitz ich in der Klemme. Nicht, weil Rebecca und ich noch nicht von hier weg sind, sondern eher, weil ich nicht mehr weiß, ob ich überhaupt von hier weg will.
Irgendwie habe ich mich wieder an ihn gewöhnt. Ihn nochmal kennengelernt. Schließlich war das immer mein größter Wunsch gewesen. Früher zumindest.
Es ist ein so großartiges Gefühl, mal wieder Spaß zu haben. Und den hatte ich. Mit ihm.
Von Tag zu Tag spürte ich immer mehr, dass ich ihm vertrauen konnte und ich glaube, dass es ihm gleich ging. Nach all den Tagen, kann ich mir gar nicht vorstellen, dass er ein so grauenhafter Mensch sein soll. Natürlich habe ich die Tat mit Rebecca nicht vergessen, doch dadurch, dass ich sie - unter seiner Aufsicht- täglich sehen durfte und ich dadurch das Gefühl bekam, es würde ihr ein Stückchen der Schmerzen nehmen, fühlte auch ich mich besser. Mir ist bewusst, dass er nicht ganz klar im Kopf ist, da er sie schließlich hier gefangen hält und womöglich dinge mit ihr angestellt hat, von denen ich gar nicht erst wissen will, wie grauenhaft sie sind. Trotzdem haben sich die alten, unterdrückten Gefühle nach oben geschaufelt sodass ich nicht anders kann, als zu versuchen, das gute in ihm zu sehen.
Allerdings sind das nicht die einzigen Gefühle, die sich in den letzten Tagen angesammelt haben. Niemals in meinem Leben, hatte ich so ein unerträgliches stechen und ziehen in meiner Brust gehabt. Niemals hatte ich in jeder Minute, in der ich mit mir alleine war, so sehr das verlangen nach jemand anderem. Es ist ein Gefühl, welches man nicht einfach mit bedeutungslosen Wörtern beschreiben kann. Man kann es nur verstehen, wenn man es selbst erlebt hat. Ständig spielt dein Verstand verrückt, sodass du am liebsten gegen eine Wand rennen würdest. Du schließt die Augen und siehst nur diese eine Person vor dir. Du willst nach ihr greifen, doch merkst schnell, dass es nur reine Illusion ist. Eine dumme Phantasie erschaffen durch deine tiefsten Gefühle.
Jedes mal, wenn ich Abends im Bett lag, da sah ich ihn. Mit seinen tiefgrünen Augen funkelte er mich wütend an. Es ist krank, das er selbst in meinen Phantasien, wütend auf mich ist. Doch ist es nicht das, was mich wirklich zu ihm hinzieht? Mit seinen dunklen Tattoos ist er das perfekte Abbild von dem, was ich nie haben wollte. Ich wollte überhaupt nichts haben und so jemanden wie ihn, erst recht nicht.
Seine raue Stimme tanzt immer und immer wieder in meinem Unterbewusstsein herum.
"Vertrau ihm nicht, Rose." Höre ich ihn jedes mal sagen, wenn ich Brian ansehe. Doch wer kann mir bestätigen, dass nicht er derjenige ist, dem ich nicht vertrauen sollte? Es kann doch gut möglich sein, dass ich so geblendet von ihm bin, dass ich dabei übersehe, wer er wirklich ist. Ständig geht es darum, Brians wahres Gesicht zu entlarven, doch was ist mit Dylans? Warum spielt mein Verstand mir vor, dass er Perfekt ist?  Nach allem was ich von ihm zu Gesicht bekommen habe, wie aggressiv er sein kann, wenn etwas nicht nach seiner Nase läuft, sollte ich ihn als alles andere als Perfekt bezeichnen. Er ist ein distanziertes, ignorantes, kompliziertes und vor allem streitsüchtiges Arschloch, welches keinerlei Rücksicht auf seine Mitmenschen nimmt. Zwar kenne ich ihn noch nicht lange, darum kann ich auch nicht behaupten, dass ich weiß, wie er wirklich ist, trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass ich ihn schon Ewigkeiten kenne.
Weshalb ich ihn trotz all seinen Fehlern irgendwo zu sehr leiden kann, kann ich mir selbst nicht erklären. Seit dem ersten Tag an, als er vor mir auf dem Sessel sahs, wusste ich, dass er mehr ist, als irgendein daher gelaufener Typ. Logisch gesehen, kann das gar nicht möglich sein, da ich ihn wie schon gesagt nicht lange treffe, doch was ist, wenn es die wahre Liebe wirklich gibt? Mein Leben lang dachte ich, sowas gebe es nur auf den Seiten eines Buches. Selbst bis vor ein paar Tagen, war ich mir dem sicher. Doch jetzt, in diesem Moment, lässt die Sicherheit nach. Desto länger ich von ihm entfernt bin, desto stärker wird das stechen in meiner Brust. Es fühlt sich so an, als würde ein Teil von mir selbst fehlen. Ein Teil meiner Seele.
Der Schmerz, welcher unberechenbar ist, verschlimmert sich von Stunde zu Stunde, in der ich nicht weiß, wo er ist und warum er nicht nach mir sucht. Habe ich mir denn alles nur eingebildet?
Wütend balle ich meine Hände zu Fäusten. Warum kann ich nicht akzeptieren, dass er vielleicht nicht kommen wird? Das er mich vergessen hat.
Durch ein leises, immer schneller werdendes piepen, werde ich auf einmal aus meinen Gedanken gerissen. Augenblicklich springe ich aus dem Bett um dem Geräusch zu folgen. Ich kann nicht heraushören, woher es stammt, jedoch ähnelt der Ton einer Tickenden Zeitbombe.
"Brian?" rufe ich durch das Haus, doch keine antwort erscheint. Als ich die langen Treppenstufen nach unten laufe, fange ich an zu husten. Um mich herum schwebt erstickender Rauch eines Feuers. Mit meinem Pulli verdecke ich meinen Mund während ich mich durch den Rauch hindurch kämpfe. Meine Lunge schnürt sich dabei mit jedem Atemzug immer mehr zu. Was ist hier passiert?
Das piepsen wird immer lauter, doch der Rauch lässt mir keine Chance, einen Ausweg zu finden.
Hustend taste ich blind in der vernebelten Luft herum.
"Brian!" krächze ich doch alles um mich herum scheint immer mehr zu verblassen.
"Rose!" höre ich plötzlich Rebeccas aus der Ferne.
"Wo bist du?" versuche ich so laut es geht zu rufen, doch mit jedem Wort gelangt mehr Rauch in meine Lunge.
"Folg meiner Stimme!" höre ich sie sagen. Meine Beine werden immer weicher, die Sicht schlechter. Wie?
"Beeil dich!" Das piepen verschnellert sich und der Rauch vermehrt sich. Ich nehme die letzte Kraft die ich in mir trage um Rebeccas Stimme zu folgen. Ihrer Stimme, die sich so nah und doch so weit entfernt anhört.
Ein helles Licht erscheint sodass man meinen könnte, das wäre das Tor in den Tod. Mein Körper fühlt sich schwer an, meine Lunge verstopft. Ist das mein Ende?
Zwei weiche Hände berühren meine Arme und ziehen mich dann durch das helle Leuchten.
Der frische Wind, welcher mir sofort entgegen weht, lässt mich wieder atmen, jedoch lassen meine Beine nach wesshalb ich zu Boden falle.
"Du musst aufstehen! Wir müssen von hier weg!" verschwommen wedelt Rebecca vor meinem Gesicht herum.
"Die Bombe kann jeder Zeit explodieren!" vorsichtig versucht sie mir hoch zu helfen, doch mein Körper reagiert nicht. Hustend und mit aller noch vorhanden Kraft, hebe ich meinen Kopf um Rebecca anzusehen.
"Was...?" fange ich an doch werde durch einen lauten Knall von weiter ferne unterbrochen.
"Wir müssen los!" schreit Rebecca panisch und erst jetzt kann ich die ganze Situation richtig wahrnehmen. Mit großer Mühe richte ich mich auf und lasse mich dann von Rebecca mit sich mitziehen.
Wir rennen so weit, dass wir das Haus nicht mehr sehen können. Außer Atem halte ich an.
"Was geschieht hier?" frage ich immer noch hustend.
"Das erklär ich dir nachher, wir müssen weiter!" 
Erschöpft schüttle ich den Kopf.
"Was ist mit Brian?!"
"Der ist schon längst draußen! Du dachtest doch nicht, dass er uns da rausgeholt hätte?" ironisch lacht sie auf.
"Wir müssen weiter! Oder willst du von der Explosion getroffen werden?!" Ihre Augen füllen sich mit Tränen und erst jetzt fällt mir auf, dass sie kaum etwas an hat. Nicht einmal Schuhe.
Kraftlos nicke ich und renne so schnell es mir mein Körper möglich macht, los. Mehrmals stolpere sodass es mir schwer fällt, wieder aufzustehen. Doch auch für Rebecca scheint das ganze hier nicht leicht zu sein.
"Rose!" Rebecca bleibt ruckartig stehen sobald sie ihn entdeckt, sodass ich mitten in sie rein renne.
"Dylan?" Tränen aus allen Möglichen Gefühlen, bilden sich in meinen Augen. Daraufhin rennt er mit einer Waffe in seiner rechten Hand auf mich zu.
"Gott sei dank geht es dir gut!" Mit seinen festen Armen welche er um meinen Körper schlingt, drückt er mich an sich. Sofort nehme ich seinen Geruch und alles andere - wonach ich mich so lange gesehnt hatte- wahr. Mehrere Tränen rollen über mein Gesicht, sodass ich spuren auf seinem grauen T-Shirt hinterlasse.
"Hat er...hat er dir...?" überrumpelt wischt er mir meine Tränen aus dem Gesicht, doch bevor er zu ende reden kann, nicke ich hastig.
"Mir geht's gut." flüstere ich. Endlich habe ich sie wieder - seine grünen Augen. Endlich habe ich ihn wieder. Er ist hier, bei mir. Wie lange hatte ich mir diesem Moment vorgestellt? Es waren nur sieben Tage und doch hatte ich das Gefühl, dass Monate vergangen waren.
Ohne darüber nach zu denken drücke ich meine Lippen gegen seine, woraufhin ich mich gleich zehnfach besser fühle. Es ist kein Kuss aus Leidenschaft oder Lust. Es schmeckt nach purer Ehrlichkeit und einem hauch von Schmerz.
"Rose!" unterbricht uns Rebecca schreiend, sodass ich mich von Dylan löse. Als ich jedoch Brian fünf Meter weiter vor ihr stehen sehe, setzt mein Herz aus.
"Kommt mit mir!" Dylan greift nach meiner Hand. Als ich jedoch nach Rebeccas greifen will, starrt sie mich fassungslos an.
"Woher willst du wissen, das wir ihm vertrauen können?" fragt sie mit einer zerbrochenen Stimme.
Einen Moment lang überlege ich, blicke zu Dylan, dann wieder zu Rebecca. Eigentlich hat sie Recht.
"Ihr seid doch wahnsinnig, wir müssen hier weg! Ich habe den Timer der Bombe auf fünf...." schreit er, doch ich unterbreche ihn.
"Du hast die Bombe gelegt?!" erschlagen fasse ich mir an den Kopf.
"Du wusstest, dass Rebecca und ich uns in diesem Haus befinden und hast trotzdem diese bescheuerte Bombe gelegt?!" Mit langsamen Schritten entferne ich mich von ihm.
"Ich konnte doch nicht wissen, dass er dich nicht rausholen würde! Ich dachte ihm liegt etwas an dir!" Angespannt kommt er mir wieder näher, doch ich weiche zurück.
"Und ich dachte dir liegt etwas an mir." All die Gefühle von vor einer Minute - weg. Wie konnte ich nur einen Moment lang glauben, dass er wegen mir hier ist und nicht wegen seines Racheplanes.
Die Stille zwischen uns, bestätigt was ich mir gerade gedacht habe. Er bekommt es nicht einmal hin, etwas dazu zu sagen. Das ist der Beweis dafür, das ich ihm nie etwas bedeutet habe. Nie.
Ich öffne meinen Mund um etwas zu sagen, doch werde von einem lautem, Bodenbebendem Knall aufgehalten.
Das letzte was ich wahrnehmen kann, sind tausende von Steinbrocken, welche auf mich herabfallen. Danach wird alles mit einem lautem Piepen in meinen Ohren schwarz.
Ist es jetzt zu ende?

Trust meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt