Kapitel 25

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Lerne ruhig zu bleiben.
Nicht alles verdient eine Reaktion.

Rose

Ich muss mich dringen beherrschen, nicht auf Brian loszugehen - auch wenn alles in mir danach schreit, ihm eine reinzuhauen. Seine Worte tanzen immer noch wie ein Echo in meinem Kopf herum, sodass ich kurz vor dem Durchdrehen stehe.
Gerade jetzt wünsche ich mir nichts sehnlicheres, als wieder zuhause zu sein. Zuhause bei meinen Eltern.
Ich weiß, dass ich sie sehr verletzt hatte, indem ich nach meinem 18. Lebensjahr einfach - von heute auf morgen - in eine andere Stadt, kilometerweit, weggezogen bin. Wenn ich an ihre Gesichter denke, wird mir eisig kalt. Natürlich stehe ich noch im Kontakt zu ihnen, doch mehr als ein Telefonat im Monat, ist da nicht. Es ist ein grauenhaftes Gefühl, wenn man jemanden vermisst und sich doch niemals trauen würde, dies der Person zu gestehen. Ich schäme mich so unglaublich dafür, dass ich meine Eltern einfach ohne eine Begründung allein gelassen hatte.
Brian hat es geschafft, meine tiefsten Erinnerungen zu Licht zu bringen. Er hat es geschafft, dass ich an all die verdrängten Momente mit meinen Eltern denke. Das ich an all die verdrängten Momente mit ihm denke.
Früher, als wir noch Freunde waren.
Als man uns nur zu zweit gesehen hatte.
Als er der einzige war, der mich gesehen hatte, wie ich wirklich bin.
Ich war nämlich immer eines dieser Mädchen, die als Arrogant und eingebildet abgestempelt wurde. Das lag womöglich daran, dass ich nicht die gesprächigste war und einen Korb nach dem anderen verteilt hatte. Klar hatte ich meinen Freundeskreis der sich für mich eingesetzt hatte, jedoch dachten auch sie damals, ich würde mich nur für mich selbst interessieren. Dabei war das ganz und gar nicht so, denn das wirklich wahre, für was ich mich interessiert hatte, waren Bücher. Das hätte damals jedoch niemand verstanden. Ich hatte mich nie getraut, mit einem von Jane Austen geschriebenem Buch das Schulgelände zu betreten, weil ich mir die Reaktionen schon denken konnte. Früher galt lesen als peinlich. Man wurde sofort zum Nerd der Schule abgestempelt und niemand wollte mehr etwas mit einem zu tun haben. Täglich musste ich mir anhören, wie eingebildet ich doch bin und genau in solchen Momenten, war Brian für mich da. Er wusste, was hinter all dem steckte und obwohl er einer der begehrtesten Jungs auf unserer Schule war, hatte er immer zu mir gehalten.
Wenn ich ihn jedoch jetzt ansehe, wird mir einfach nur übel. Wie kann sich ein Mensch so sehr ins negative verändern?
Er ist nicht der Brian, den ich einmal kannte. Er ist nicht mehr der Brian, in den ich meine ganze Schulzeit über verliebt gewesen bin. Jetzt ist er bloß ein selenloses Monster.
Ich muss es schaffen, Rebecca und mich hier raus zu holen, ohne das er Verdacht schöpft. Das einzige was mir da einfällt, ist dass ich sein Vertrauen gewinnen muss. Er muss denken, dass ich ihm glaube und das ich bereit bin, von Vorne anzufangen. Ich muss also so tun, als würde ich die alte Freundschaft zwischen ihm und mir wieder aufbauen wollen. Er muss glauben, dass ich mich wieder in ihn verliebe.
Dabei wird er aber niemals erfahren, dass ich damit sein Ende plane. Seinen Untergang und somit meine Freiheit.
Durch das klopfen an meiner Tür - des Zimmers in das mich Brian nach unserem Gespräch gebracht hatte- werde ich aus meinen Gedanken zurück in die Realität katapultiert.
Brians Gestalt erscheint im Türrahmen und ein leichtes lächeln huscht über seine Lippen.
Der Plan kann beginnen.
"Was gibt's?" Ich setze ich gezwungenes Lächeln auf.
"Willst du vielleicht Frühstücken?" fragt er eine Tonleiter zu freundlich.
Obwohl mir wirklich nicht nach Essen ist, nicke ich lächelnd. Irgendwie muss ich an ihn rankommen und das geht nur, wenn ich so  viel Zeit wie möglich mit ihm verbringe.
Überrascht sieht er mir in die Augen und für einen Moment habe ich das Gefühl, wieder 17 zu sein. Doch dieser Moment lässt schneller nach als gedacht. Dylans grünen Augen dringen mit einem mal in mein Unterbewusstsein und schon sehe ich nur noch ihn vor mir. Alarmierend schüttle ich meinen Kopf und sehe nun wieder Brian vor mir. Ich darf den Fokus nicht verlieren!
"Alles gut?" fragt er iritiert, da er warscheinlich gemerkt hat, dass ich nicht ganz bei der Sache bin. Sondern bei Dylan.
"Äh...Ja klar." verlegen steige ich aus dem Bett und gehe auf ihn zu.
"Folg mir." grinsend dreht er mir den rücken zu und läuft eine weitere Treppe, welche ich vorhin gar nicht bemerkt hatte, nach oben. Es ist wirklich faszinierend, wie edel die beiden Stockwerke aussehen da man im Erdgeschoss meinen könnte, das Haus sei verlassen.
Gemeinsam betreten wir einen riesigen Saal in dem ein langer und prall gedeckter Tisch steht. Ich fühle mich gerade wirklich, als wäre ich Belle von die Schöne und das Biest. Nur mit einem etwas anderem ende.
"Setz dich." Er zieht einen Stuhl vom Tisch und zögernd setze ich mich. Er hingegen setzt sich auf die gegenüber liegende Seite, sodass ich mich noch mehr wie in einem Königlichem Horror Film fühle.
"Wie kannst du dir das alles leisten?" platzt es verblüfft aus mir raus.
"Auf diese Frage habe ich gewartet." lacht er wodurch auch ich schmunzeln muss. Muss nicht will.
"Ich arbeite hart dafür, Rose." Er greift nach einer Traube welche er in seinem Mund verschwinden lässt. Hilfesuchend sehe ich mich im Saal um, da mir dringend etwas einfallen muss, was uns in ein vertrautes Gespräch bringt.
"Du hattest Recht." sage ich, doch bereue es sofort.
"Mit was?"
"Dylan." lüge ich und der schmerz in meiner Brust ist kaum zu ertragen.
"Ich will dir helfen." füge ich schnell hinzu. Erstaunt und doch verwirrt hebt er den Kopf.
"Warum hast du deine Meinung geändert? Es sind nicht einmal 4 Stunden vergangen, nachdem du sagtest, dass ich lüge?"
"Ich habe nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich nur wegen ihm in dieser Situation bin." Mit jedem Wort welches eine reine Lüge ist, fühlt es sich an, als würde mein Herz immer mehr bluten. Es ist nämlich unglaublich schwer, so zu tun, als würde ich Dylan hintergehen.
"Du musst verstehen, dass es mir wirklich schwer fällt, dir zu glauben..." Stirnrunzelnd sieht er mich an woraufhin ich unschuldig nicke.
"Das verstehe ich." murmle ich. Ich kenne ihn und weiß, dass er bald einknickt. Ich muss mich nur mehr ansträngen. Er muss denken, dass ich ihn brauche und das wird nur gehen, wenn ich ihn an mich ranlasse. Auch wenn das dass letzte ist, was ich will.

Lasset das Schauspiel beginnen.

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