»Wo ist das Essen?«, ignorierte ich ihn und wühlte in einem Rucksack. »Hab's!«

Mit einem Sandwich in der Hand gesellte ich mich zu Shane und ließ mich direkt neben ihm auf den Boden fallen. Es würde gleich regnen und das schien mir der größte und sicherste Baum hier.

Selbst fürs Essen war ich zu müde, aber mein Magen krümmte sich vor Hunger.

Gierig biss ich zu und ließ nach zwei Minuten keinen Krümmel mehr zurück. Ich trank noch anschließend und lehnte mich kaputt gegen den Baum. Wären Shane und ich vertrauter, hätte ich meinen Kopf glatt an seine Schulter gelehnt und wäre eingeschlafen. Aber das waren wir nicht, also blieb mir nichts anderes übrig als der Baum. Auch wenn es unbehaglich und unbequem war.

»Du kannst dich ruhig an mich lehnen.«, schien Shane meine Gedanken gelesen zu haben. »Wenn es bequemer für dich ist.«

Sofort lief mein Gesicht rot an. »Nein, es geht schon.«

Shane warf mir nur einen vielsagenden Blick zu. »Wie du willst.«

Es fing leicht an zu nieseln, aber wir drei waren unter den großen dichten Ästen des Baums geschützt. Nichts drang durch. Ich hatte es richtig eingeschätzt. Zufrieden schloss ich die Augen, in der Hoffnung auf eine lange Pause, und lauschte den Regentropfen.

~~~

Ich war tief im Schlaf versunken als mich plötzlich etwas Nasses auf dem Kopf traf. Verwirrt öffnete ich die Augen, im selben Moment wie Shane, der ebenso getroffen worden zu sein schien. Langsam nahm ich meinen Kopf von seiner Schulter, der wohl während dem Schlafen da gelandet ist und blickte ratlos in den Wald. Es regnete noch leicht. Anschließend betrachtete ich den, vom Baum geschützten Bereich, der zu meiner Überraschung trocken geblieben war. Das hieß...

Wütend legte ich den Kopf in den Nacken und blickte in ein angeblich schlafendes Gesicht. Seine Mundwinkel zuckten noch leicht und die Falte zwischen den Augenbrauen, die sonst immer da war, auch wenn er schlief, war auch nirgends zu sehen. In seiner Hand fand ich schließlich auch das Beweisstück für sein Vergehen.

Unwillkürlich knurrte ich in mich hinein.

»Wie hat es hier rein geregnet?«, fragte Shane noch neben der Spur.

Mein Blick galt noch Jack, dessen Stirn sich ganz leicht kraus zog. Als müsste er sich zusammenreißen nicht gleich loszulachen oder uns die restliche Wasserflasche über den Kopf zu schütten.

»Mutter Natur hat eben immer einige Überraschungen auf Lager.«, lautete meine trockene Antwort auf Shanes unglaublich dumme Frage.

»Das ist komisch« Der Rote warf einen kontrollierenden Blick über uns. »Und der ist auch am schlafen.«

Mich würde es nicht wundern, wenn er denken würde, dass der Baum auf uns gepinkelt hätte. Seit wann war er so blind?

»Ist ja jetzt egal.«, sagte ich, weil ich noch viel zu müde für eine derartige Konversation war. »Lass uns einfach weiterschlafen.«, gähnte ich.

»Wo wart ihr zwei eigentlich so lange?«, fragte mein ehemaliger Sicherheitsmann plötzlich wie aus dem Nichts.

»Was meinst du damit? Wir waren Nahrung besorgen. Das weißt du doch.«, grummelte ich.

»Ihr seid zusammen losgezogen, aber wieso seid ihr einzeln hier eingetroffen?«

»Ich habe doch bereits gesagt, dass ich noch nach etwas suchen musste.« Wieder zog es sich schmerzhaft in meiner Brust zusammen.

»Hat er dir dabei geholfen?«

Oh man. Hatten wir ihn zu lange alleine gelassen, dass es ihm den Verstand geraubt hatte?

»Shane, er ist mehr als eine Stunde vor mir hier angekommen, um dir dein Brot zu bringen. Was denkst du, was ich alleine in dieser Stunde getan habe?«

»Abe-«

»Natürlich habe ich alleine gesucht! Denkst du dieser Idiot würde mir bei irgendwas behilflich sein?« Ich verzog angewidert das Gesicht. Jack und helfen. Pah!

»Was redest du da?«, hakte Shane immer noch verdutzt nach. »Er ist doch nur fünf Minuten vor dir eingetroffen. Wenn überhaupt.« Er gähnte ausgiebig und kreiste den Kopf, um seinen Nacken zu lockern. »Als du gekommen bist, haben wir erst angefangen gehabt zu essen. Du hast doch noch das Brot in unseren Händen gesehen, oder nicht?«

Diesmal war ich diejenige, die ihn verwirrt anstarrte.

»Als ich ihn gefragt habe, wo du bist, hat er mich einfach getreten!«, schüttelte er bekümmert den Kopf. »Richtiger Barbare, wenn du mich fragst.«

»Bist du dir sicher?«

»Ja! Welcher normale tritt einen einfach nach Belie-«

»Das meinte ich nicht!«, unterbrach ich ihn entnervt. »Bist du dir sicher, dass es nur fünf Minuten waren?«

»Nein«

Ich atmete aus.

»Kann auch weniger gewesen sein. Auf jeden Fall nicht lange.«

Mein Kopf brummte. Was sollte das jetzt wieder heißen? Wo war er dann die ganze Zeit? Hat er vielleicht weiter nach den Blauen gesucht? War er wieder im Supermarkt, weil er etwas vergessen hatte?

»Wie auch immer...« Ich neigte den Kopf leicht, um nach oben sehen zu können. Und da war er wieder. Die Falte in der Mitte seiner Stirn. Auch wenn er die Augen geschlossen hatte, wusste ich, dass er jedes Wort belauschte. »Er ist und bleibt ein dummer Farbloser.«

»Ich hoffe er findet seine gerechte Strafe.«, murmelte Shane erschöpft und gähnte erneut.

Das konnte ich nicht erwidern, denn ich wusste, was Shane unter »gerechter Strafe« verstand und das war es nicht, das Jack verdiente. Das verdiente niemand. Also sagte ich nur knapp: »Wir sollten weiterschlafen, bevor er sich dazu entscheidet weiterzulaufen.«

»Okay« Diesmal war er es, der seinen Kopf auf meine Schulter ablegte. Sofort verkrampfte sich mein ganzer Körper und ich verzog das Gesicht.

Shane hatte die Augen bereits geschlossen und versuchte wieder einzuschlafen während ich fieberhaft versuchte, ihn nicht von mir zu stoßen.

»Shane?«, murmelte ich.

Nichts.

Ich seufzte schwer.

Jetzt wünschte ich, dass Jack die ganze Flasche nehmen und es über Shanes Kopf leeren würde. Nur um ihn von meiner Schulter abzuschütteln.

Doch ich tat nichts. Das war jetzt Nebensache und ich sollte diesem Verhalten keine Bedeutung schenken. Wir alle waren sehr erschöpft.

Ich lehnte meinen Kopf diesmal gegen den Baumstamm und döste trotz meines schnellen Herzschlags irgendwann vor mich hin.

Aber natürlich sprang genau dann jemand vor uns auf die Beine und trat nach Shane. »Hey!«

Genervt verdrehte ich die Augen als Jack den Roten nochmal trat. »Aufstehen!«

Shane murrte genervt, aber tat wie befohlen. Er nahm seinen Kopf von mir und starrte den Farblosen nur finster an.

Müde rieb ich mir über die Augen und fuhr mir durch die Haare, die noch unter meiner Kapuze steckten. »Ist die Pause schon vorbei? So schnell?«

»Ja« Jack entfesselte Shane vom Baum und schulterte sich seinen Rucksack, nach dem er alles wieder eingepackt hatte.

Wieso wunderte es mich nicht?

Ich tat es ihm gleich und nicht mal einige Minuten darauf, ging der spaßige Ausflug weiter.




Red Princess ist seit Freitag #1 in Science-Fiction!! Danke für die ganzen Votes und Kommentare 🥺

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum