27❅

486 55 22
                                    

«Jungkook«

Ich war ziellos durch die Gegend geirrt, nachdem ich den Eingang zum Bunker hinter mich gelassen hatte, und hatte über den plötzlichen Klimawechsel gestaunt. Die Temperaturen glichen eher einem angenehmen Frühlingstag, der den Platz des Winters einnahm. Und das innerhalb weniger Tage, erstaunlich und zugleich furchteinflößend.

In der ersten halben Stunde, in der ich einfach den Weg hinauflief, beobachtete ich die wiederauferstandene Natur. Das restliche Eis auf der Wiese und auf den Blättern der Bäume glänzte in der warmen Sonne, daneben leuchtete der gigantische Mond mit dem großen Stern um die Wette.

Meine Gedanken wickelten sich in meinem Kopf zu einem großen, unentwirrbaren Knäuel aus Ängsten und Schmerzen, sodass letztendlich kein einziger greifbarer Gedanke die Oberhand gewann, und ich einfach nichts dachte. Nicht einmal Jimin kam mir in den Sinn, was sonst wie ein Stich in mein Herz gewesen wäre. Meine Abwehrsysteme arbeiteten wohl auf Hochtouren.

Einige Meter in der Ferne, wo eine Abzweigung die Straße in zwei Richtungen trennte, machte ich plötzlich zwei Personen aus, die sich langsam auf mich zu bewegten. Mein erster Instinkt bestand darin die Flucht zu ergreifen, denn ich wurde panisch bei der Möglichkeit, dass es sich um mordlustige Deadheads handeln könnte. Doch selbst sie mich offensichtlich entdeckt hatten, sprinteten sie nicht wie die Verrückten auf mich zu und machten genauso wenig den Eindruck, dass sie vorhatten mich anzugreifen. Stattdessen winkten sie mir sogar, weshalb ich mich näher zu ihnen heranwagte, und hoffte, es nicht bereuen zu müssen. Vor Freude und Erleichterung hätte ich jubeln können, als ich mir zu hundertprozentig sicher war, dass sie ganz normale Menschen wie ich waren.

„Ich heiße Hyo Jae und das ist meine Frau, Hyo Jihae. Woher kommst du, Junge?", fragte der Mann, als wir auf den Weg zusammen zu ihrem Bauernhof waren, der laut ihnen lediglich wenige Kilometer entfernt war.

Sie hatten mich eingeladen mit ihnen zu gehen und versicherten, dass hier in der Gegend keine von diesen 'Monstern', wie sie sie nannten, herumirrten.

„Ich bin Jeon Jungkook. Danke nochmal, dass Sie mich aufnehmen", sagte ich lächelnd.

Die Frau, Jihae, erwiderte das Lächeln freundlich. „Du siehst noch sehr jung aus."

„Ja, ich bin 18."

„Bist du etwa die ganze Zeit über allein unterwegs gewesen?", fragte Jae geschockt.

Ich schüttelte den Kopf und antwortete mit etwas trauriger Stimme: „Nein, ich war mit einem Freund unterwegs, aber die Umstände sorgten dafür, dass wir uns trennen mussten, weil er krank geworden ist und im Bu- ehm er konnte nicht mehr weiter und bestand darauf, dass ich allein weiter gehe."

Ich wusste nicht warum, aber es kam mir nicht richtig vor ihnen von dem Bunker zu erzählen. Immerhin kannte ich sie nicht, obwohl sie so freundlich zu mir waren. Sicherheitshalber behielt ich diese Information also für mich. Es war immerhin sowieso nicht so, als hätten sie dort Zuflucht finden können.

„Oh, das tut uns leid. Ihr standet euch sicherlich sehr nah."

„Ja..." Bei dem Gedanken an Jimin sank meine Stimmung auf der Stelle ein ganzes Stück. Ob er sich wohl sehr über mich ärgerte? Ich hoffte nicht, denn auf diese Art und Weise wollte ich ihm nicht in Erinnerung bleiben.

„Aber jetzt bist du nicht mehr allein, Jungkook-ah. Wir haben wie gesagt eine Farm, die von einem recht stabilen Zaun umgeben ist. Außerdem verirren sich kaum welche Leute hier her. Wir sind sicher und du wirst es auch sein. Wir haben noch Vieh und bauen Gemüse und Korn an. Und wir haben einen Brunnen, der uns mehr als genug Wasser spendet", erzählte Jae mit einem stolzen Klang in seiner Stimme.

Ich staunte darüber. Es klang perfekt. Sie hatten Essen, Trinken und waren zudem sicher. Alles, wonach ich mich sehnte.

„Wir leben zusammen mit unseren zwei Kindern dort", erzählte sie und lächelte, wobei kleine Lachfältchen sich um ihre Augen erkenntlich machten.

„Kinder?"

„Ja, unser Sohn ist zwölf und unsere Tochter zehn. Du wirst sie sicher mögen. Sie sind für uns eine große Hoffnung in diesen Zeiten, wo es kaum etwas gibt, das einem Freude bereitet." Der Vater der zwei genannten Kinder blickte mich dabei so herzlich an, dass ich auf einmal meine Eltern schrecklich vermisste.

Dennoch stimmte ich glücklich zu. Vielleicht würde ich doch nicht bitterlich sterben.

✦ ☾ ✦

Als wir bei der Farm ankamen, standen wir zunächst einmal vor einem Holzzaun. Wenn wir nicht im Nirgendwo wären, wäre ich mir sicher, dass der Zaun die Deadheads nicht aufhalten würde, sollten tatsächlich einmal welche sich in den Kopf setzen, hier eindringen zu wollen, aber ich verkniff es mir dies anzumerken. Diese negativen Gedanken würden dem Paar nicht guttun. Sie hatten selbst gemeint, dass sie kaum welche hier in der Nähe gesehen hätten. Ich stellte zudem auch noch fest, dass die Farm selbst sich näher im Inneren befand. Somit wirkte alles sogar noch sicherer. Vielleicht sollte ich mir keine weiteren Gedanken machen, jedoch schien mein Verstand wie von selbst einen Haken in dieser unglaublichen Lage zu suchen.

„Wir haben noch ein Zimmer frei. Dort kannst du es dir gerne gemütlich machen. Fühl dich wie zu Hause", sagte Jihae zu mir und zeigte dabei die Treppe hinauf.

Das Haus wirkte sowohl von außen als auch innen äußerst liebevoll und familiär ausgestattet. Eine braune, hölzerne Fassade mit einem dunkelroten Dach. Die Möbel im Innenbereich waren größtenteils aus Holz und über all hingen oder standen Familienfotos herum, auf denen ich einen ersten Eindruck von den zwei Kindern machen konnte.

„Danke, ich hoffe, dass ich Ihnen keine Umstände bereite."

„Ach, du musst nicht so höflich sein. In solchen Zeiten sollte man sich gegenseitig helfen", lachte Jae heiter.

Bei diesen Worten dachte ich an Taehyung und Yoongi, die uns genau deshalb herausgeschmissen hatten, weil sie nur an sich und an die Leute im Bunker dachten. Es war genau das Gegenteil. Jeder schien eine andere Moral in dieser verkorksten Welt zu haben.

„Ahri! Dae!", rief Jihae und sofort erklangen die schnellen Schritte von zwei Kindern, die die Treppe hinuntergerannt kamen.

Kurz darauf standen sie im Flur vor uns, ihre Wangen waren von dem Rennen leicht errötet. Als sie mich zwischen ihren Eltern entdeckten, wurden ihre Augen groß.

„Eomma, Appa, wer ist das?", fragte der Junge, offensichtlich Dae.

Sein Vater kniete sich vor seine Kinder und tätschelte ihnen beiden Kopf. „Das ist Jungkook. Er wird ab sofort bei uns bleiben. Wollt ihr ihm nicht sein Zimmer zeigen?"

Die beiden nickten und zogen mich an meinen Ärmeln in Richtung des ersten Stocks. Ich lachte etwas und ließ mich nach oben mitziehen. Die Tatsache, dass alles zu gut lief, um wahr zu sein, schob ich ganz nach hinten in mein Unterbewusstsein.

_____

Was haltet ihr von der Familie?

Try to Stay Alive ᵛᵏᵒᵒᵏ [✔]Where stories live. Discover now