Kapitel 5

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„Ich glaube Leon wollte euch einfach nicht verlieren sehen und ist deshalb abgehauen. Es gibt Menschen, die können nicht verlieren. Obwohl das meiner Meinung nach der totale Schwachsinn ist, es gibt nunmal Tage, an denen es nicht klappt. Dann verliert man zusammen und versucht es beim nächsten Mal." munterte er mich auf und er hatte recht. Es war nur ein Spiel und das darf man verlieren. Gewinnen machte zwar mehr Spaß, aber jetzt war es nunmal so. „Danke, Papa. Ich geh dann los, die anderen warten schon. Bis morgen." ich umarmte ihn noch und ging dann raus, wo Vanessa und Maxi schon auf ihren Fahrrädern saßen.

„Hast du deinen süßen Stitch-Schlafanzug dabei?" erinnerte Maxi lachend an die Situation, die sich abspielte, bevor wir den Teufelstopf von Gonzo zurück holten. Vanessa schien verwirrt, doch ich ignorierte die Frage meines Nachbars. „Wohin als Nächstes?" fragte ich während ich auf mein Fahrrad stieg. Er beendete sein Lachen und räusperte sich: „Am besten zu Juli und Joschka, das liegt auf dem Weg zu Markus. Von Markus aus fahren wir dann zu Leon und Marlon, wo Raban's Haus dann auf dem Weg liegt." schlug er vor und wir fuhren los, holten die anderen ab. Als wir bei Leon und Marlon ankamen, hörten wir von draußen einen Streit zwischen den beiden, kurz danach lief Leon raus. „Kacke Verdammte was wollt ihr hier? Merkt ihr nicht, dass die Wilden Kerle ein Witz sind? Das ist alles nur Kinderkram und jetzt ist es vorbei. Nie wieder werde ich mich blamieren!" schrie er uns an, nahm sein Fahrrad und fuhr verdammt wütend weg. Ich schluckte und hatte irgendwie das Gefühl, dass ich schuld war. Kurz darauf kam Marlon raus. „Leon hat recht. Die Wilden Kerle sind Kinderkram und das solltet ihr auch endlich kapieren. Es gibt uns ab heute nicht mehr, wir sind ein Witz gewesen und das habe ich jetzt auch verstanden." sagte er zwar in einem ruhigerem Ton als Leon, jedoch klang er auch wütend. „Marlon, das kann doch nicht euer Ernst sein? Bedeutet dir das ganze hier denn gar nichts?" fragte Maxi vorsichtig. Aus besagtem Grund hatte ich ein verdammt schlechtes Gewissen, meine Augen füllten sich mit Tränen, die ich gerade so zurück halten konnte. „Um ehrlich zu sein der Fußball ja. Die Freundschaft zu jedem einzelnen von euch auch, aber ich werde erwachsen. Ich habe andere Interessen und denen werde ich jetzt nach gehen." Er setzte sich auf sein Fahrrad und fuhr in die entgegen gesetzte Richtung, als die, in die Leon abgehauen war.

Vanessa schaute mich verwirrt an, sie schien gerade meine glasigen Augen bemerkt zu haben. „Kacke verdammte. Mein Vater kann doch nicht recht haben! Ich werde garantiert keine Christbaumkugeln bemalen, darauf könnt ihr Gift nehmen!" stieß Maxi aus und trat gegen ein leere Flasche die am Boden lag. „Lasst uns ihnen einfach Zeit geben, die beruhigen sich schon wieder." sagte Markus und wir fuhren zum Baggersee, wo die Monsterhöllenklippe war.

„Pechschwefliges Rübenkraut, die ist ja noch genauso hoch wie vor zwei Jahren." stieß der verängstigte Joschka aus, als er den Hang hinunter schaute. „Ja, aber das haben wir doch schonmal geschafft Jungs." die Unerschrockene zog sich nach diesem Satz die Schuhe und Socken aus, was wir ihr alle gleich taten. „Kacke verdammte, Vanessa du hast echt gar nicht untertrieben, als du mir davon erzählt hast. Genau deshalb werde ich hier oben warten und ihr springt runter." ich schluckte und der Klos in meinem Hals wuchs. Neben mir tauchten zwei Gestalten auf. Markus und Maxi reichten mir die Hände, wir standen nun alle Hand in Hand vor der Klippe, schauten in den Abgrund. „Ich weiß, aber so hoch ist das ja gar nicht vielleicht 10 oder 100 Meter. Cousinchen du wirst nicht kneifen." Vanessa hatte etwas zittriges in ihrer Stimme und ich konnte es sehr gut nachvollziehen. Ich hatte nämlich verdammte Angst, auch wenn man die, als Wilder Kerl nicht haben sollte. Ich spürte, dass Markus verdammt schwitzige Hände hatte und das konnte ich ihm nicht verübeln. Mein Herz schlug bis zum Hals und das Adrenalin in mir pumpte durch den ganzen Körper. Ich wollte mich aus den Griffen beider neben mir befreien, doch beide drückten automatisch meine Hand fester. „Wir haben es beim ersten Mal überlebt, also wird das jetzt auch der Fall sein." warf Juli ein und er hatte ja recht. Die anderen hatten es schonmal überlebt, wieso sollte gerade ich jetzt daran sterben. Als ich dann nochmal runter schaute hatte ich trotzdem das Gefühl, dass ich sterben würde.

„Eins...Zwei...Drei!" schrie Raban und wir sprangen schreiend hinunter. Mein Herz schlug immernoch bis zum Hals, aber ich lebte und verflixte Hühnerkacke es tat so gut nach diesem verdammten Tag mich einfach im Wasser treiben zu lassen. Ich konnte einen Moment abschalten und nicht an diese Niederlage denken, doch das ging nicht lange gut, denn Raban drückte mich unter Wasser. „Ein Tauchgang tut dir auch mal ganz gut." lachte er, als ich wieder hochkam. Ich murmelte ein ‚Na warte' und drückte ihn ebenfalls unter Wasser. Nun alberten die restlichen Kerle auch rum, wir drückten uns alle gegenseitig unter Wasser und genossen diese gemeinsame Zeit als Freunde.

Wir blieben noch einige Zeit im Wasser und setzten uns dann auf die Wiese. Juli und Markus zündeten ein Lagerfeuer an und wir setzten uns alle in Decken eingewickelt rund herum. Die Sterne waren schon über uns sichtbar, die Grillen hüpften durchs Gras und das Feuer prasselte. Keiner sagte etwas wir saßen einfach nur am Feuer, lauschten den Klängen der Natur. Als dann plötzlich ein Mann mit einem sehr gewöhnungsbedürftigen Akzent ankam, stellte sich dieser als Hadschie Ben Hadschie vor. „Ich habe von eurer Niederlage gehört und dachte eine Tasse meines berühmten Kakao's könnte euch aufmuntern. Na na na wo sind denn der Herr Anführer und sein Bruder?" fragte er dann, als ihm auffiel, dass Leon und Marlon nicht bei uns waren. Juli erzählte, was vorhin passiert war. „Ohje, das kann nichts gutes verheißen." murmelte Hadschie während er seine mitgebrachten Tassen auffüllte und jedem eine gab. „Wer bist du denn?" lächelnd überreichte er mir die Tasse. „Ich bin Zoey." lächelte ich freundlich zurück und reichte ihm die Hand. „Sie ist die Frau mit dem härtesten Bums der Welt." fügte Raban hinzu und wackelte mit den Augenbrauen. „Ahja, also bist du Maxi's Frau?" scherzte er und wir lachten alle. „Naja so abwegig ist das ja nun nicht." grinste Maxi. „Ich habe gehört, dass Pickels interessiert wäre. Denke da wärst du mit mir besser dran." „Stimmt. Gonzo wollte dich ja mit Pickel Pinocchio verkuppeln, passen mit euch würde es bestimmt, wenn ich deinen Crush auf Flo damals denke." witzelte Vanessa und mein Gesicht verzog sich. Bei dem Gedanken an diesen Jungen grüßte mich mein Mageninhalt. „Ih gitt, kotz und würg." Flo war mein damaliger bester Freund in der Grundschule, vom aussehen her ähnelte dieser jedoch nicht annähernd Pickels und das im positiven Sinne. Aber vom Charakter her passte die Beschreibung auch zu Pickelpinocchio. Die Jungs lachten und ich stimmte mit ein. „Das ist fast das ekligste, was du jemals gesagt hast."

Wir verbrachten noch einige Stunden am Lagerfeuer, tranken Hadschie's leckeren Kakao. Wir redeten über Gott und die Welt. Ich fühlte mich verdammt wohl bei den Wilden Kerlen. Zum ersten Mal im Leben hatte ich das Gefühl dazu zu gehören und angekommen zu sein, in Hamburg hatte ich das nie. Außer Vanessa hatte ich dort nämlich eigentlich niemanden. Jedes Mädchen verurteilte mich dafür, dass ich Fußball spielte und nicht so wie ein typisches Mädchen war. Jeder Junge verurteilte mich dafür, dass ich eben ein Mädchen war. Doch hier war das überhaupt nicht so, hier hatte ich wirklich Freunde gefunden, bei denen ich mich nicht verstellen musste. In Hamburg setzte ich tagtäglich eine Maske auf, um irgendwie dazu zu gehören. Obwohl ich hier auch eine gespielte Glücklichkeit vorspielen musst, auch wenn mir eigentlich zum heulen zu mute war. Ich klinkte mich immer wieder ins Gespräch ein, bis wir aufbrachen, um auf Camelot zu schlafen.

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Die Wilden Kerle - für immer wild? | pausiert Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon