Mir war bewusst, was ich mir da wünschte, aber alles in mir sehnte sich nach Normalität. Beziehungsweise die Normalität von durchschnittlichen Bürgern. Wenn ich erst mal zurück im Palast war, würde ich das nie mehr tun können.

»Spinnst du?«, fauchte er unglaubwürdig. Er hielt mich sicherlich für verrückt. Dass ich in solch einer Situation an schöne Kleider dachte. »Konzentrier dich gefälligst darauf ein leeres Lebensmittelgeschäft zu finden.«

Ich seufzte, verdrehte die Augen, aber nickte doch schließlich.

Er drehte sich um, dachte wohl ich bliebe dicht hinter ihm auf den Fersen, aber das tat ich nicht. Nein, ich machte Kehrt und betrat das Geschäft.

Vielleicht ein großer Fehler, aber vielleicht auch eine neue, schöne Erfahrung...

»Hallo«, piepste ich als ich die Aufmerksamkeit der Ladenbesitzerin bekam sobald die Glocke über der Tür meine Ankunft andeutete.

»Schönen Abend, Miss, wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie freundlich.

Ich blickte mich um und sah, dass außer mir noch zwei weitere junge Frauen Kleider anprobierten und sich abwechselnd im Spiegel betrachteten. Sie machten sich gegenseitig Komplimente und gingen dann wieder zurück in ihre Kabinen, um mehr Kleider anzuprobieren. Stumm lächelnd nahm ich den Blick von ihnen ab. Das hätten Shelly und ich sein können. Waren wir aber nicht. Sie war im blauen Krankenhaus und ich hing mit einem Farblosen in dieser Stadt fest.

»Ähm ich würde mich gerne erst umsehen, danke.«, lächelte ich bescheiden.

Der Laden war eher bescheiden eingerichtet, nicht modern, aber sehr bequem und einladend.

»Natürlich. Sie geben Bescheid, wenn Sie etwas benötigen, ja?«

Ich nickte und sah mich dann im Laden um. Ich ging zu den Kleidern, die reihenweise an mehreren langen Kleiderstängeln aufgehängt wurden. Sie alle waren einzigartig und wunderschön. Ich würde nicht die Zeit haben, auch nur eins dieser Kleider jemals anzuprobieren, aber es war schon ein ausreichend prickelndes Gefühl überhaupt hier zu sein. In einem waschechten Laden, in dem ich selbst Kleidungsstücke aussuchen konnte. Das Gefühl allein reichte vorerst. Irgendwann, wenn ich frei war und die Zeit der Welt hatte, würde ich zurückkommen und mir alles genauer anschauen, anprobieren und vielleicht sogar das ein oder andere kaufen!

Online shoppen wie bisher, erweckte nicht ansatzweise die gleiche Aufregung wie im Moment.

Gerade hielt ich ein dunkelrot funkelndes Kleid in der Hand, da hörte ich das Glöckchen an der Tür klingen. Ich achtete nicht auf die Person, die den Laden betrat, sondern bestaunte dieses prächtige Kleid. Jack könnte derweil sein Geschäft suchen, vielleicht probierte ich das hier ja doch schnell mal an?

»Guten Abend, Sir, kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«

»Ich suche meine Freundin.« Ich verharrte in meiner Bewegung als ich seine Stimme wahrnahm. Mit einem ertappten Lächeln drehte ich mich zu Jack, der mir ein vielversprechendes, aufgesetztes Lächeln schenkte. »Und da ist sie ja.«

Die Frau an der Theke lächelte. »Das Kleid in Ihrer Hand würde atemberaubend an Ihnen aussehen.« Sie strahlte mich an. »Wollen Sie es mal anprobieren?«

Ich zögerte, blickte abschätzend zu Jack, der warnend die Augenbrauen hochzog. Da öffnete ich bereits den Mund, um höflich zu verneinen, aber der Farblose kam mir zuvor: »Wir haben noch viel vor und leider nicht viel Zeit. Vielleicht ein andermal.« Er dachte, dass ich zustimmen wollte. Wenn ich zustimmen wollte, dann würde ich zustimmen. So wie jetzt: »Es dauert nicht lange, Schatz.«, grinste ich heimtückisch. Es würde Shane nicht schaden, länger auf uns zu warten und wie konnte ich eine Möglichkeit verpassen es Jack heimzuzahlen, mich die ganze Zeit wie Luft behandelt zu haben? »Wo kann ich mich umziehen?«, fragte ich deswegen an die Frau gewandt.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt