#23

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Perspektive Felix Manuel Lobrecht

"Ey lass mal irgendwie bisschen raus gehen. Ich brauch' frische Luft." stelle ich fest, während ich mir mit den Händen durchs Gesicht fahre. Tommi nickt, als ich ihn wieder sehen kann und steht auf. "So?" fragt er und zeigt dabei auf seine Jogginghose. Ich zucke mit den Schultern und deute auf mein eigenes Outfit, welches sich nicht stark von Tommi's abhebt. Die knapp 1000 € teure Moncler-Jacke drüber wird das schon wieder hermachen. Außerdem bezweifle ich, dass in Kreuzberg um diese Uhrzeit jetzt jemand rumläuft. Und selbst wenn, juckt es eh keinen- Berlin halt.

Wir laufen südlich Richtung Neukölln und man merkt, wie sich die Gegenden und Viertel von Armutslevel her nach oben verändern. Gespannt schaue ich zu Tommi, der links neben mir läuft und beobachte seine Reaktion. Erstaunt schaut er sich um, sein Blick ist vor Allem nach oben gen Häuserdächer gerichtet. Schmunzelnd werde ich immer langsamer und bleibe stehen, verspüre das Bedürfnis, mir eine Zigarette anzuzünden. Tommi schaut mich nicht an, sondern ist visuell gänzlich mit den für ihn enorm hohen Bauten beschäftigt. Wie aus Reflex klopfe ich meine Jacken- und Hosentaschen nach einer kleinen Schachtel ab- das ernüchternde Gefühl von Leere erfüllt mich. Zugegebenermaßen komisch, dass einen Leere- also Nichts- erfüllen kann, doch das beschreibt es tatsächlich ganz gut.
Ich brauche Halt.
Körperlich.
Meine linke Hand wandert willkürlich.
Von meiner Tasche weg.
Zu Tommi's Hand.
Ich nehme sie.
Er schaut mich an.
Eine unausgesprochene Frage liegt in seiner Stirnfalte.

"Hattest du schonmal Todesangst?" frage ich unverblümt und schaue ihm dabei in die Augen.
Noch verwirrter schüttelt er nach einem Paar Sekunden den Kopf. Er hat zwar mal im Podcast erzählt, dass er fast an Petersilie erstickt wäre, aber meistens schließt er in privaten Gesprächen solche Sachen aus.
"Du?"
Im Gegensatz zu ihm nicke ich.
"Hier. Früher ganz oft. Eigentlich jeden Tag."
Noch faszinierter schaut er sich um und ich spüre deutlich, wie sich unsere Hände gegenseitig festhalten.
Sonst habe ich nie so krasse Flashbacks an diese Gegend, auch, wenn ich sie oft meide.
Aber falls mich mein Weg doch hier durch geführt hat, dann nur von Zigarette und dröhnend lauter Musik auf den Kopfhörern begleitet.

"Wollen wir einfach wieder zurückgehen?" fragt Tommi und ich nicke, während sich unsere Hände wieder lösen.
Ob ich das will, weiß ich nicht, lasse es aber geschehen.
Es scheint mir einfach die einzige Möglichkeit, um mich dieser allgemein instabilen Situation zu entziehen.

Tommi bleibt stehen, ich drehe mich in meinem Vorsprung zu ihm um und sehe, wie er sein Handy aus der Hosentasche fummelt: es klingelt- er geht ran.
"Ja Mama, hi."
Die Dame am anderen Ende verfällt sofort in einen Monolog.
Ihre Stimme höre ich zwar, klare Wörter oder gar Zusammenhänge zu verstehen ist jedoch unmöglich.
Sie klingt auf jeden Fall aufgebracht.
Mit jeder Sekunde, jedem Nicken und jedem "hm" von Tommi werden seine Stirnfalten tiefer und sein Gesichtsausdruck besorgter.

Das "Gespräch", in welchem die Mutter erst am Ende ihrem Sohn die Möglichkeit gibt, etwas zu sagen, dauert bestimmt 20 Minuten.
20 Minuten, in denen ich nur ratlos bin.
20 Minuten, in denen ich nur daneben stehe.
20 Minuten, in denen ich nur Tommi anschaue.
20 Minuten, in denen ich nur das Bedürfnis habe, zu rauchen.

Aber Tommi schafft es allein mit seinen Blicken, die nicht mal diese Intention haben, mich davon abzuhalten. Und das bedeutet wirklich viel. Außerdem habe ich ja nicht einmal welche dabei.

Nach "Ja, ich, Mama, ich bin grad unterwegs. Ich ruf' dich später nochmal an. Ja. Ich dich auch." nimmt Tommi das Handy vom Ohr, seufzt, steckt es aber nicht in seine Hosentasche.
"Mein Vater hat auch geschrieben. Kurz und knapp mir Frohe Weihnachten gewünscht." teilt er mir mit. "Arzt halt." rechtfertigt er sein Verhalten.
"Weiß Selina davon?" frage ich. "Immerhin ist sie in sechs Tagen hier und du wirst es wohl nicht verheimlichen können, so wie das an dir zerrt.". Er schüttelt verneinend den Kopf und seufzt zum zweiten Mal inmerhalb einer Minute und steckt sein Handy in die Tasche.
"Silvester wird blöd."

Moin :D
Diesmal nicht 1000 Wörter, weil nicht ganz Hack-Tag ist, dafür aber am Mittwoch wieder ;D

Aber ey wichtig: @schmundii hat 'ne WhatsApp-Gruppe für Hackis aufgemacht, in der aktuell 7 Leute sind, unter anderem auch weitere Autoren von hier. Wer darauf Bock hat, kann gerne @schmundii oder mich anschreiben und alles Weitere klären wir dann in den Privatnachrichten.

Jetzt viel Spaß mit dem #fünfschnellefragenanstag,  haut rein und Knv!

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