#128 New York City

556 15 8
                                    

"Jungs, ich kenne meinen Ältesten sehr gut und kann dich, Thomas, mittlerweile auch ein bisschen einschätzen. Was ist los bei euch beiden?" Felix hebt seinen Kopf, Tommi beißt sich auf die Unterlippe."Wir haben uns letztens gestritten. Ziemlich doll sogar." gibt Felix kleinlaut zu."Ich bin vor Wut mit Felix' Auto in meine Heimatstadt gefahren und wir hatten keinen Kontakt." schaltet sich nun auch Tommi zu."Ach Männer. Sowas passiert. Sowas ist okay. Sowas gehört zu einer gesunden Beziehung dazu, vertraut dem alten Mann." erwidert Frank und wärmt die gefühlskalte Situation mit einem Lächeln und einer großen Umarmung auf. "Und ich dachte schon, ihr müsst mir irgendetwas Schlimmes sagen. Dass ihr euch trennt oder so. Aber irgendwann muss man sich auch mal streiten und eure Beziehung und ihr werdet daran wachsen." sagt er noch. "Worum ging's denn?" will er wissen und läuft mit den beiden langsam zu einer nahegelegenen Bank, um der Situation die Spannung des Herumstehens zu nehmen."Na, ich hab wieder Scheiße gebaut. Wie immer eigentlich." gibt Felix zu und sieht entschuldigend zwischen seinem Freund und seinem Vater hin und her."Alkohol getrunken, geraucht. Obwohl ich das ja vom Arzt verboten bekommen habe. Und auch 'nen Deal mit Tommi hatte. Im Urlaub haben wir gemeinsam eine letzte Zigarette geraucht." erklärt Felix und wird gegen Ende seiner Ausführungen immer leiser."Aber wie ich sehe, habt ihr euch ausgesprochen und Thomas hasst dich nicht." schlussfolgert Frank und schaut fragend zu dem Kölner. Dieser nickt bestätigend. "Es war ja aber nicht das erste Mal." streut er trotzdem ein. Frank nickt. Er kennt dieses Verhalten. Sowohl von sich selbst, als auch von seinem Sohn.


Mit "Felix?" spricht er diesen wieder direkt an, welcher seinen Kopf schon wieder hat sinken lassen. Sofort schaut er ihn an."Willst du es für Tommi tun?"Die Frage bedarf genauso wenig Erklärung wie Felix Bedenkzeit."Ja, auf jeden Fall!" erwidert er ohne Verzögerung."Gut, dann merke dir bitte die Art, wie du mir das gerade gesagt hast." fordert Frank mit einem milden Lächeln."Und machs bitte auch für deine Mutter, für mich, für deinen Bruder, deine Schwester, aber auch bitte für dich selbst, okay?" fährt er fort und legt die linke Hand auf Felix'Schulter.Tommi sieht Vater und Sohn gebannt zu und muss anhand der besonderen Beziehung zwischen den Lobrecht-Familienmitgliedern lächeln. Ihre Vergangenheit hat sie irgendwie auf eine ganz besondere Art zusammengeschweißt, die er selbst mit seinem Vater nie erleben wird, weil sie immer zu den Privilegierten zählten.


"Weißt du Felix, irgendwie sind wir zwar in dem gleichen Stadtteil aufgewachsen und haben ähnliche Sachen erlebt, aber trotzdem war deine Jugend doch so ganz anders als meine." denkt Frank laut und in seinen Gesichtszügen ist deutlich zu erkennen, wie er die vergangenen Momente reflektiert."Wir hatten damals diesen Traum der neuen Stadt. Wir dachten, wir würdne ein New York City in Berlin bekommen. Bei euch ist der Traum dann geplatzt. Ich kannte Christiane F., habe mit ihr im gleichen Schwimmbad schwimmen gelernt." Der ergraute Mann lächelt verträumt vor sich hin, fasst sich dann aber wieder. "Du hast dann in der Schule ziemlich früh das Buch über sie gelesen.""Wusstest du eigentlich, dass ich das erst ziemlich spät wusste, dass du sie mehr oder weniger gekannt hast? Vor meinen Kanaken-Kumpels hab' ich dann immer geprahlt, du wärst mal mit der Protagonistin dieses erfolgreichen Buches zusammen gewesen." sagt Felix und lacht. Vor ein paar Jahren hätte er noch Skrupel gehabt, seinem Vater davon zu erzählen. Doch auch solche Jugendsünden verjähren und das Vater steigt in das Lachen seines Sohnes ein."Ich hatte auch mit vierzehn schon ein Messer, weil einfach jeden Tag, immer und überall Gewalt war. Gab nie irgendwo richtigen Frieden. Das war bei euch nicht so. Gut, ich hab'auch oft auf die Schnauze bekommen, weil ich ein kleiner, dünner, blonder Junge in Neukölln war." reflektiert Felix. "Nee, richtig. Wir sind zwar besoffen Auto gefahren und haben fast nur schwarz gearbeitet, aber das war nichts im Gegensatz zu deiner Generation. Ich hatte auch immer Angst, dass du irgendwann mal nach Hause kommst und ich merke, dass du deinen Drogenkonsum nicht mehr im Griff hast. Oder dass du deswegen gar nicht mehr zurückkommst."


Es herrscht eine kurze Stille, in der Frank dem Gott, an den er nicht glaubt, dankt, dass all seine Söhne trotz der widrigen Umstände die Kurve bekommen haben. In der Felix überlegt, die richtigen Worte, die er nicht findet, auszusprechen.In der Tommi vor seinem inneren Auge die Lebensrealitäten der Neuköllner Jugendliche, die er sich einfach nicht vorstellen kann, abläuft.


"Deswegen wollte ich ja auch unbedingt, dass du auf's Gymnasium gehst. Und, weil ich es nicht konnte.""Ja, da bin ich nach zwei Klassenkonferenzen inklusive Lachflashs aber auch rausgeflogen." merkt Felix an."Hm." stimmt sein Vater zu. "Von Schulwechsel zu Schulwechsel bin ich mit dir. Du bist einfach immer und überall raugeflogen. Ich war richtig verzeifelt. Und immer habe ich gehofft, dass die anderen beiden nicht auch so werden.""Aber hey, beim Breaken bin ich nie rausgeflogen!" argumentiert Felix dagegen."Das stimmt. Dazu bist du aber auch nur gekommen, weil ich jeden Tag meine Zeitung gelesen hab.""Ja und das hat immer heftig genervt. Ständig stand immer irgendwas in der Zeitung. Und dann hast du noch immer vorgelesen, wer gestorben ist und ob du die Leute kennst. Dabei wollte ich, vor allem als Jugendlicher, nichts von toten Menschen wissen.""Tut mir leid." Frank nickt. "Aber Maria von der alten Feuerwache hat mich immer noch regelmäßig gefragt, was du machst und wie's dir geht. Seit ein paar Jahren nicht mehr. Jetzt folgt sie dir auf Instagram und Facebook."Tommi muss anhand der deutschen Aussprache der Social-Media-Plattformen schmunzeln.


"Cool." gibt Felix zu und würde gerade gerne seine Kippe austreten. Aber er raucht ja nicht. Von ein paar Straßen weiter ertönt das Martinshorn eines Polizeiautos. Vater und Sohn müssen grinsen und schauen einander bedeutungsschwanger an, währed Tommi noch versucht zu differenzieren, ob das nun ein Feuerwehrauto, ein Rettungswagen oder ein Polizeiauto war. "Als Neuköllner muss man einfach wissen, ob es die Bullen sind oder nicht. Sonst bist du auf der Straße gefickt, weil hier ständig irgendwas dudelt. Wenn du da jedes Mal zusammenzuckst, weil du etwas Verbotenes getan oder in der Tasche hast, hält man das nicht lang aus." bekommt der Kölner erklärt und nickt einsichtig. "Ich glaube, Jugendliche in Neukölln haben nie ein gutes Gefühl, wenn es um die Polizei geht. Das war bei mir nicht anders. Ich weiß noch, als du von einer der ersten Berufsberatungen wieder da warst. Da hast du erzählt, dass niemand von deinen Kumpels Polizist werden wollte. Und die, die es wollten, wurden ausgelacht und kleingemacht. Ich wusste ja aber damals schon, dass die Polizei nichts schlechtes will und habe, so gut es ging, dir und euch genau das vermittelt."


Es folgt wieder eine dieser berühmten Lobrecht'schen Sprechpausen. Das Dreiergespann setzt sich währenddessen in Richtung Fritz-Erler-Allee in Bewegung.


"Ich glaube, das war das letzte Mal, dass ich mit dem jugendlichen Felix ein richtiges Gespräch geführt habe. Ja genau, das war das Alter. Danach ging's los. Zwischen Rudow und Hermannstraße. Gropiuspassagen. Dein Radius, euer Radius." Kurz scheint Frank endgültig in einem Nostalgie-Anfall zu versinken, schafft es jedoch, sich rechtzeitig selbst herauszuholen."Bin ich froh, dass du jetzt erwachsen bist und einen tollen Mann fest an deiner Seite hast." Er klopft seinem Sohn anerkennend auf die Schulter und lächelt Tommi ebenso an."Aber egal, wie schlimm es war, ich wusste immer, dass du irgendwann vernünftig wirst. An dem Gedanken habe ich mich immer festgehalten.""Naja, dann habe ich dich wenigstens in diesem einen Punkt nicht enttäuscht." lacht Felix unsicher und erntet einen ernsten Blick von seinem Vater, wie er ihn das letzte Mal bekommen hat, als er bei seinem zweiten Aushilfsjob gekündigt wurde."Großer, ich war nie enttäuscht von dir. Ich bin stolz auf alles, was du gemacht hast und was du machst."_________________________________________________moin ja ich lebe noch lol. wie gefällt euch sowas?

ich hab btw anders formatiert diesmal. sollte das den gewohnten lesefluss beeinträchtigen, sagt mal bitte bescheid


Platzierte, verkopfte, elegalante Gemischtes Hack Story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt