First Day #2

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Am nächsten Morgen wache ich früh auf. Mein Handy sagt mir, dass es halb sechs ist, aber trotzdem fühle ich mich sofort wach. Es ist schonhell im Zimmer.

Ich stehe verschlafen auf. Es ist Glück, dass ich schon wach bin, denn ich habe heute vergessen, meinen Wecker zu stellen und es ist Schule. Ich bin etwas aufgeregt vor dem ersten Schultag. Da lassen Menschen sich nicht vermeiden. Und irgendwie will ich ja schon ein paar Freunde finden, denn davon hatte ich bisher keine. Seit meine Mutter vor drei Monaten gestorben ist, habe ich mich komplett abgeschottet. Ich wollte niemanden mehr um mich haben und wurde zum selbsternannten Menschenfeind. Ich hasste Kontakt. Meine Freunde haben immer wieder versucht, an mich ranzukommen, aber ich habe es nicht zugelassen. Jetzt soll sich das ändern. Ich will so nicht mehr leben. Ich will was ändern an meinem Leben.

Bei dem Gedanken an meine Mutter fangen meine Augen leicht an zu brennen, aber ich habe mittlerweile gelernt, meine Gefühle zu verbergen.

Ich verbringe die Zeit damit, schon mal anzufangen, meine Koffer auszupacken. Später nehme ich mir meine Schuluniform (die um einiges schöner ist als an meiner alten Schule), meine Duschsachen, und meinen Kulturbeutel. Dann brauche ich etwas, um das Bad zu suchen, aber schließlich finde ich es doch.

Da ich noch viel Zeit habe, dusche ich ausgiebig. Die Schuluniform besteht hier aus einem schlichten dunkelblauen Rock mit einem schönen Schnitt, einer weißen Bluse, weißen Kniestrümpfen und optional einem Blazer, den ich bei diesen Temperaturen aber lieber weglasse. Die Schuhe kann ich mir zum Glück selbst aussuchen.
Diese Uniform hat immerhin nicht so ein komisches rot wie meine alte. Ich konnte meine roten Haare nur als Dutt tragen, weil das sonst echt schrecklich aussah. Jetzt flechte ich mir die Haare einfach zu einem langen Zopf.

Ich bin gerade dabei, etwas Concealer aufzutragen, als die Tür aufgeht. Und es kommt kein Mädchen rein, sondern ein Typ, der zugegebenermaßen echt gut aussieht. Aber stopp - er ist ein Junge! Und das hier ist ein Bad für Mädchen! Der Kerl mustert mich kurz von oben bis unten, was ich irgendwie unerhört finde, dann nickt er mir zu und fängt an, sich seelenruhig vor mir ausuziehen. Oh Gott, was für Muskeln. Halt! In diesem Moment schaltet mein Verstand sich wieder ein.

"Ähm, was machst du da?", frage ich aufgebracht. "Bist du ein Spanner oder was?"

Der Kerl zieht abschätzig die Augenbrauen hoch. "So etwas habe ich nicht nötig. Wie kommst du da drauf?"

"Falls du es noch nicht mitgekriegt hast, das hier ist für Mädchen!", rufe ich.

Der Typ grinst. "Falls du es noch nicht mitgekriegt hast - an der Tür steht ganz eindeutig Gemeinschaftsbad. Und zwar für Mädchen und Jungs. Und jetzt würde ich ganz gerne duschen."

Der Typ schließt die Tür hinter sich. Habe ich das gerade richtig gehört? Gemeinschaftsbad? Für Mädchen und Jungs? Wo bin ich hier?

Ich schließe kurz die Augen und fahre dann damit fort, meine leichten Augenringe abzudecken, dann trage ich noch etwas Wimperntusche und eine Lippenpflege auf, bevor ich das Bad schnell verlasse. Ich will diesem Typen in nächster Zeit möglichst nicht mehr begegnen.

Ich habe hier immer mit der ganzen Stufe Unterricht, da es nicht so viele Schüler beziehungsweise Lehrer gibt. Man kann aber Fächer wählen, wenn man eins nicht hat, hat man da halt eine Freistunde.

Ich bin ziemlich spät dran, als ich endlich vor dem Raum stehe, der wohl zur elften gehört. Wieso muss dieses Schloss auch so ein verdammter Irrgarten sein? Ich klopfe vorsichtig an der Tür und öffne sie dann. Die anderen Schüler sitzen alle schon und starren mich alle an. Toll, ruhig noch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit! Ich lasse meinen Blick erst über die um die dreißig Schüler wandern und schaue dann eine junge Frau an, die vorne steht. Das muss Mrs Wilkins, meine Literaturlehrerin, sein. Sie sieht nett aus.

Tanz mit mirWhere stories live. Discover now