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By roIIingstoned

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»You want to believe in black and white, good and evil, heroes that are truly heroic, villains that are just... More

Captured
Soundtrack
Kapitel 1 | lost
Kapitel 2 | run
Kapitel 4 | bon appétit
Kapitel 5 | darkness
Kapitel 6 | escape
Kapitel 7 | masked
Kapitel 8 | loose
Kapitel 9 | numb
Kapitel 10 | wound
Kapitel 11 | headless
Kapitel 12 | cracking point
Kapitel 13 | confessions
Kapitel 14 | thoughtless
Kapitel 15 | anonymous
Kapitel 16 | fall
Kapitel 17 | comatose
Kapitel 18 | lines
Kapitel 19 | clink
Kapitel 20 | sirens
Kapitel 21 | family
Kapitel 22 | pain
Kapitel 23 | hiding
Kapitel 24 | painkiller
Kapitel 25 | injection
Kapitel 26 | silence
Kapitel 27 | meltdown
Kapitel 28 | coat
Kapitel 29 | foggy
Kapitel 30 | promise
Kapitel 31 | tick-tock
Kapitel 32 | play
Kapitel 33 | bullseye
Kapitel 34 | whisky-soaked
Kapitel 35 | house of cards
Kapitel 36 | slit open
Kapitel 37 | trapeze
Kapitel 38 | suffocation
Kapitel 39 | up in flames
Kapitel 40 | what doesn't kill you
Kapitel 41 | gone girl
Kapitel 42 | monsters and freaks
Epilog
Dankessagung

Kapitel 3 | locked

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By roIIingstoned

Um mich herum herrscht noch immer Dunkelheit als ich die Augen öffne, doch es ist eine andere Art von Dunkelheit als der zuvor. Meine Hände einen kalten, harten Boden unter sich. Ich stütze mich schleppend mit den Armen hoch, doch schaffe es gerade mal mich hinzusetzen. Mein Körper ist schwach und mein Kopf schmerzt höllisch. Stöhnend reibe ich mit den Fingern an meinen Schläfen entlang.

Die Dunkelheit, die mich umgibt, lässt mich keine Umrisse oder irgendwas anderes erkennen. Es scheint keine Fenster hier zu geben, nur die Dunkelheit und mich.  

„Wie ich sehe sind Sie wachgeworden, meine Schöne.“

Die raue Stimme schneidet die Dunkelheit wie ein Messer Fleisch. Ich rücke weiter nach hinten, obwohl ich keinen Schimmer habe, aus welcher Richtung die Stimme kommt.

„Sie haben einen äußerst langen Schönheitsschlaf gehalten, meine Liebe.“ Ich zucke zusammen, als ich den feuchten, heißen Atem auf meiner Haut spüre. Die Person findet sich nun genau neben mir.

„Nicht, dass Sie das nötig hätten.“

Ich kann kaum Atmen, mein Körper zittert unkontrollierbar bei dem Versuch. Vorsichtig versuche ich weiter nach hinten zu rücken, doch stoße nur wenig später gegen einen Widerstand, wahrscheinlich eine Wand.

„W-wo bin ich?“ Meine Stimme versagt bereits zum Ende der Frage hin und ich schlucke schwer.

„Bei mir.“ Die Stimme lacht leise, es ist ein dreckiges, unsympathisches Lachen.

„U-und w-wo ist das?“ Ich presse meinen Körper fest gegen die Wand. Vielleicht handelt es sich um ein Zelt, vielleicht gibt der Widerstand nach. Doch meine Hoffnung ebbt wieder ab, als ich deutlich spüre, dass es sich um eine feste Wand hinter mir handelt.

„Das werden Sie noch früh genug erfahren.“ Er macht eine Pause und halte den Atem an, gespannt auf seine nächste Handlung. „Außerdem ist das hier eigentlich nicht der Ort, den ich für Sie auserwählt hatte“, seine Stimme klingt abfällig, „jemand wie Sie verdient natürlich etwas Besseres als... das hier.“

Ich presse die Lippen aufeinander und versuche die Tränen, die erneut in meinen Augen aufzusteigen drohen, zu unterdrücken. Erst langsam beginne ich die Situation zu realisieren.  

„Was haben Sie vor mit mir?“ Es fordert mich viel Mühe deutlich genug zu sprechen.

„So einiges.“ Auch wenn ich in der Dunkelheit das Gesicht meines Gegenübers nicht erkennen kann, kann ich dem Tonfall seiner Stimme entnehmen, dass er bei dieser Antwort grinst. Ein Schauer läuft mir über den Rücken.

Eine Tür wird zugeschlagen und ich zucke zusammen. Die Person scheint den Raum oder was auch immer das hier ist verlassen zu haben, zumindest glaube ich das. Aber sicher sein kann ich mir da nicht.

Ich ziehe meine Knie an meinen Oberkörper und schlinge die Arme um meine Beine. Wo zur Hölle bin ich bloß? Meine Angst vor Jahrmärkten scheint mir mit einem Mal begründeter als je zuvor. Sollte mir nochmal jemand sagen, sie sei lächerlich, werde ich demjenigen persönlich eine reinhauen. Nie wieder werde ich einen Jahrmarkt betreten.

Wer sagt, dass ich hier überhaupt lebendig rauskomme? Erst jetzt wird mir der Ernst der Lage klar. Ich bin gefangen von einem Fremden, dessen Gesicht ich nicht einmal kenne. Auf einem Jahrmarkt, dem ich nicht mal entkommen bin, als ich noch nicht in einer dunklen Kammer gefangen war. Und dazu ist mein Freund verschwunden.

Niall.

Scheiße. Niall. Fast hätte ich ihn vergessen. Wo steckt er bloß? Geht es ihm gut? Ist ihm mein Fehlen aufgefallen? Oder ist ihm selbst das gleiche passiert? Lebt er überhaupt noch?

Nein, natürlich lebt er noch. Wenn er tot wäre würde ich das doch spüren! Ihm geht es gut, ihm muss es einfach gut gehen. Ich versuche mir einzureden, dass er in Sicherheit ist, doch die Stimme in meinem Kopf lässt mich daran zweifeln. Er wäre nicht einfach spurlos verschwunden, wenn nichts passiert wäre.

Ich muss hier raus. Was hat dieser Typ mit mir vor? Was meint er mit „so einiges“? Ich erschaudere bei der Vorstellung. Ich darf mir gar nicht erst vorstellen, was er damit meint, sonst werde ich noch durchdrehen vor Angst. Es muss einen Ausweg geben, ich muss hier weg. Sofort.

Schleppend ziehe ich mich an der Wand hoch, meine Beine zittern dabei. Ein stechender Schmerz durchfährt dabei meinen Kopf und ich stöhne laut auf. Meine Hand packt an meinen Hinterkopf und spüre eine Beule, die zuvor noch nicht dagewesen ist. Doch nicht nur das, meine Haare fühlen sich verklebt an. Was zur Hölle ist das? Ich greife mit der Hand wieder aus den Haaren und halte sie mir unter die Nase, ein Geruch von meinem Shampoo und Eisen steigt dabei in meine Nase auf. Ist das etwa Blut in meinen Haaren? Wessen? Meines? Ich greife mit der Hand wieder zurück in meine Haare und taste weiter meinen Kopf ab. Ja, Blut. Getrocknetes Blut.

Ich kralle mich an der Wand vor mir fest, das Beben meiner Beine verstärkt sich drastisch. Meine Hände tasten sich weiter an der Wand ab, vorsichtig drauf bedacht, nicht gegen die Inneneinrichtung zu stoßen. Doch es gibt keine. Der ganze Raum ist leer. Weder Möbel, noch Fenster. Nichts. Die Wand ist glatt und leer.

Meine Hände tasten weiter bis sie einen kleinen Spalt fühlen, dann etwas, bei dem es sich um eine Tür handeln muss. Sie ist kalt und wahrscheinlich aus Metall. Meine Hände tasten weiter und finden den Türgriff, erleichtert atme ich aus. Vielleicht gibt es doch ein Entkommen, vielleicht ist die Tür offen. Ich drücke den Griff runter und ziehe daran, doch mir tritt ein Widerstand entgegen, also versuche ich es mit Drücken. Doch auch das ist erfolglos, die Tür scheint abgeschlossen zu sein. Natürlich ist sie abgeschlossen. Zu hoffen, dass sie es nicht wäre, ist lächerlich gewesen.

„Hallo? Hört mich jemand?“, brülle ich laut und ich trommele gegen die Tür, „Hallo? Irgendjemand? Ich brauche Hilfe!“

Keine Reaktion. Ich verstumme einen Moment, doch höre nicht auf zu klopfen. Ist da draußen denn niemand, der mich hört?

„Ich bin hier drin, hört mich denn keiner? Ich brauche Hilfe! Hilfe!“ Meine Rufe enden in einem Schluchzen und Tränen laufen brennend meine Wangen hinunter, doch meine Hilfeschreie bleiben erfolglos, keiner scheint mich zu hören.

Jegliche Hoffnung in mir ebbt wieder ab und niedergeschlagen lasse ich mich wieder auf den Boden zurückfallen.

Ich bin verloren.

Die Dunkelheit um mich nimmt mir jegliches Zeitgefühl. Ich kann nicht mehr einschätzen, wie lange ich nun schon hier sitze. Mein Kopf brummt, mein Magen knurrt, mein Hals ist furchtbar trocken und sehnt sich nach Wasser. Jede Stelle meines Körpers schmerzt höllisch und der Boden unter mir scheint immer härter und ungemütlicher zu werden.

Ich lege mich auf die Seite und rolle mich zusammen. Mein Körper friert unbeschreiblich und ich ziehe die dünne Strickjacke enger um meinen Oberkörper, ziehe die Ärmel weiter über meine Arme, sodass meine Hände nicht mehr herausschauen. Meine Arme sind um meine Beine umschlungen, meine Oberschenkel eng an meine Brust gepresst.

Es könnte sein, dass ich erst Minuten hier liege. Es könnte sein, dass ich bereits Stunden in dieser Dunkelheit verbringe. Ich weiß es nicht. Es fühlt sich endlos an und ich habe keinen Anhaltspunkt, an dem ich die Zeit ausmachen könnte. Wenn ich weiter darüber nachdenke bringt es mich um den Verstand, der Gedanke an eine Ewigkeit in der Dunkelheit.

Er wird mich nicht ewig hier gefangen halten können. Zumindest nicht ohne Essen und Trinken. Er muss irgendwann wieder erscheinen und mir etwas geben. Was wäre der Sinn darin jemanden zu entführen, um ihn in der Dunkelheit verrecken zu lassen? Eben. Und er sagte, er hätte etwas mit mir vor. Ich darf nicht daran denken, was er damit meint, aber diese Antwort sagt mir, dass noch nicht der Zeitpunkt gekommen ist um zu sterben. Es gibt noch Hoffnung.

Ob ich ihn überwältigen könnte? Mit zwölf hab ich mal einen Selbstverteidigungskurs absolviert. Das war nun schon über vier Jahre her, doch an den ein oder anderen Trick erinnere ich mich noch. Wieso hab ich keinen davon angewendet, als dieser unheimliche Clown vor mir stand?

Der Clown. Er ist es gewesen, er war das letzte, an das ich mich erinnern kann, bevor ich in dieser Dunkelheit aufgewacht bin. Meine Hand gleitet zurück in meine Haare, in denen Stücke von verkrustetem Blut hängen. Der Clown hatte einen Hammer in der Hand gehabt. Hat er… hat er damit auf meinen Hinterkopf geschlagen? Das hätte ich doch mitbekommen, oder?

Mein Magen knurrt wieder, diesmal noch lauter als zuvor. Ich brauche dringend etwas zu essen. Und zu trinken, mein Hals ist trockener als je zuvor.

Meine Arme entfernen sich von meinen Beinen und ich versuche mich vorsichtig aufzurichten. Kurz schwanke ich, doch dann schaffe ich es mein Gleichgewicht wieder zu finden und torkele in die Richtung, von der ich glaube, dass dort die Tür lag. Meine Hände tasten die Wand ab, bis sie die kalte Tür wieder unter ihren Fingerkuppen spüren. Mit der rechten Hand stütze ich mich auf den Türgriff ab, mit der anderen fange ich an wild gegen das Metall zu pochen.

„Hallo?“, brülle ich wieder, „ich werde verdursten, wenn ich nichts zu trinken bekomme! Ich brauche Wasser!“

Als ich noch immer keine Antwort erhalte verstärke ich mein Klopfen.

„Hören Sie, wenn ich nicht bald etwas zu trinken und zu essen bekomme werde ich sterben!“ Ich kreische fast, es ist die Verzweiflung, die aus mir spricht. Ich brauche Wasser, ich brauche etwas zu essen, jetzt. Mein Körper schreit danach.

Ich schlage immer weiter gegen die Tür, es ist mir egal, ob das verschwendete Energie ist. Irgendjemand muss mich doch hören. Es kann nicht sein, dass auf dem gesamten Jahrmarktgelände niemand meine Rufe wahrnimmt.

Plötzlich glaube ich Schritte wahrzunehmen. Kurz höre ich auf zu klopfen und lege mein Ohr an die Tür, um besser hören zu können. Tatsächlich, von der anderen Seite kann ich schwere Schritte vernehmen, die, wenn ich mich nicht täusche, auf die Tür zusteuern. Wieder fliegt meine Hand zur Tür um heftig dagegen zu klopfen.

„Hallo? Hören Sie mich?“

Ich höre etwas klimpern und trete einen Schritt zurück, als die Tür sich ächzend öffnet.

„Zurück.“ Die dunkle Stimme hallt mir entgegen und ich gehorche und trete einige weitere Schritte zurück. Die Gestalt setzt ihren Fuß in den Türrahmen und schließt die Tür bis auf diesen kleinen Spalt, ihre Hand liegt dabei auf den Türgriff. Durch die schmale Öffnung fällt nur wenig Licht, doch es ist mehr, als ich mir erträumt hatte. Ich kann nicht genau sagen, ob es sich dabei um Tageslicht oder künstliches Licht handelt, doch darüber kann ich mir gerade auch keine Gedanken machen.

Ein Teil des Lichtes fällt seitlich auf die Gestalt und ermöglicht mir so einen kurzen Blick auf sie. Der Statur zu urteilen handelt es sich um einen Mann, nicht kräftig, aber gut gebaut. Er ist ein Stück größer als ich. Ich stutze. Der Clown war deutlich kräftiger gewesen als diese Person. Ich kneife die Augen zusammen und trete einen Schritt beiseite, um einen besseren Blick auf sein Gesicht werfen zu können. Das Licht fällt nur auf seine rechte Gesichtshälfte, die linke liegt im Schatten. Etwas stimmt mit dem Gesicht nicht. Ich taumle zurück.

Der Mann trägt eine Maske und darüber eine Kapuze, die mir beide die Sicht auf seinen Kopf verbieten. Ich atme schwer aus und presse meine Lippen aufeinander.

„Hör auf zu schreien.“

Die Stimme ist fest und kalt, erst jetzt erkenne ich, dass es sich um eine andere Stimme handelt als die letzte, an die ich mich erinnern kann, als ich aufgewacht bin. Ich bin mir sicher, dass es sich um eine andere handelt. Beide Stimmen sind ähnlich dunkel, doch diese hier ist nicht so rau wie die andere.  

„Ich hab Durst.“ Ich versuche bei den Worten möglichst sicher zu klingen, doch kann das Zittern in meiner Stimme nicht unterdrücken.

Die Person wirft mir einen Gegenstand zu und ich trete erschrocken beiseite. Erst als sie sich kein Stück rührt bücke ich mich vorsichtig und hebe den Körper vom Boden auf. Es handelt sich um eine Plastikflasche mit einer durchsichtigen Flüssigkeit darin, das Etikett der Flasche wurde abgerissen. Gierig drehe ich den Verschluss auf und lasse das bereits warme Wasser meinen Hals hinunterlaufen, ich schlucke immer weiter, bis ich mit Sicherheit bereits die halbe Wasserflasche leer getrunken habe, dann setze ich den Plastikrand wieder von meinen Lippen ab und wische mit dem Handrücken die Feuchtigkeit von meiner Oberlippe.

„Ich würde mir das besser einteilen.“

Misstrauisch blicke ich wieder zu der dunklen Gestalt. Sie öffnet wieder die Türe und will gerade durch diese verschwinden.

„Warte!“ Die Gestalt dreht sich wieder und mustert mich eindringlich. „Ich, ich habe auch Hunger. Kann ich was zu Essen bekommen?“

Der Mann beginnt zu lachen. Er lacht. Wieso lacht er? Verunsichert trete ich wieder einen Schritt zurück.

„Prinzessin, hier gibt’s keine Extrawünsche. Du kannst dankbar sein, dass ich dir Wasser gebracht habe.“

„Ich soll dankbar sein?“, rutscht es mir heraus und ich presse sofort die Hand auf meinen Mund, bevor mir noch mehr rausplatzt und ich ihn noch provoziere. Schließlich weiß ich nicht, wie reizbar er ist und wie weit er gehen würde.

Das Lachen wird lauter und er dreht sich wieder um, um mit einem lauten Knallen die Tür hinter sich ins Schloss zu werfen. Ich lasse mich zurück auf den Boden fallen und greife wieder zu der Wasserflasche, mein ausgetrockneter hals schreit nach noch mehr Wasser. Doch wer weiß, wann ich das nächste Mal welches bekommen werde nach dieser Flasche. Ich muss es mir besser einteilen.

Seufzend lege ich die Flasche wieder beiseite, bevor ich sie öffnen kann und lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand, um in meine alte Position zurückzukehren. Mein Kinn lege ich auf meine Knie ab und ich schließe die Augen.

Als ich die Augen aufschlage nehmen meine Ohren Lärm wahr. Es klingt, als würden sich zwei Personen anschreien.

Ich strecke meine Beine von mir und strecke kurz meine Arme aus. Ich bin mir unsicher, ob ich nur kurz die Augen geschlossen hatte oder doch eingeschlafen war, zumindest kann ich mich nicht erinnern geträumt zu haben, aber das muss ja nichts heißen. Mein Aufenthalt in dieser Dunkelheit kommt mir wie eine endlose Zeit vor.

Das Gebrüll dauert noch immer an und ich schleppe mich krabbelnd in die Richtung, in der die Tür liegt. Meine Hände tasten in der Dunkelheit die Wand ab, bis ich die Tür finde und ich streiche meine Haare hinter mein Ohr, um besser lauschen zu können.

„… Mädchen … wir müssen …“ Ich kann nur einzelne Wortfetzen verstehen, die Tür ist zu schwer. Ich versuche mein Ohr noch dichter an die Tür zu pressen, doch vergeblich.  

Plötzlich tritt Stille ein und ich krabbele schnell wieder einige Meter weg von der Wand, als ich Schritte wahrnehme. Kurz darauf öffnet sich die schwere Tür knarrend und eine Gestalt tritt hinein, dabei fällt ein Lichtstrahl auf mich und blendet mich, sodass ich die Augen zusammenkneifen muss.

„Ich habe gehört Sie lechzen nach etwas Essbarem?“ Die tiefe, raue Stimme hallt durch den kleinen Raum. Ich hebe den Kopf an und sehe der Erscheinung ins Gesicht.

Der Clown.

Es ist seine Stimme gewesen, die zu mir gesprochen hat, nachdem ich aufgewacht bin. Sie klingt wie eine Rasierklinge, doch gleichzeitig spricht er erhaben und stilvoll, mit einem starken britischen Akzent. Kaum zu glauben, dass jemand mit einer solchen Sprache als Clown auf einem Jahrmarkt arbeitet.

„Ich habe mich dazu entschlossen Ihren Wunsch zu erfüllen, meine Liebe.“

Er geht einige Schritte auf mich zu und ich betrachte ihn verängstigt. Der Clown beugt sich zu mir hinunter und platziert einen Teller vor mir. Ich blicke hinter ihm, wo die Tür sperrangelweit aufsteht und ich erkenne einige Zelte dahinter. Befinde ich mich in einem Zelt? Nein, unmöglich. Ein Zelt ist niemals so robust und fest. Ein Wohnwagen, es muss ein Wohnwagen sein. Da bin ich mir sicher, das würde auch von der Form des Raums her passen. Ich starre weiter dem hellen Licht entgegen. Freiheit. Dahinter befindet sich die Freiheit. Das ist meine Chance.

Ohne Nachzudenken stehe ich auf und sprinte los, Hals über Kopf zur Tür. Doch mein Fluchtversuch scheitert binnen wenigen Sekunden, als der Mann mich mit einem festen Griff am Handgelenk packt und unsanft wieder zurück auf den Boden zurückzieht.

„Na, na“, tadelt er mich, „da bringe ich Ihnen schon eine Speise, und dann sowas? Ich bin enttäuscht.“

Ich senke meinen Kopf und beiße mir schuldbewusst auf die Unterlippe. Mein Fluchtversuch war waghalsig und unüberlegt und ich bereue ihn sogleich wieder. Das hätte ich besser machen können.

Er schüttelt enttäuscht den Kopf und entfernt sich einige Schritte von mir, dann bleibt er mitten in der Türe stehen und dreht sich wieder um.

„Sie sollten jetzt essen, bevor sie noch völlig vom Fleische fallen.“

Ich sehe auf den vor mir auf dem Boden stehenden Teller und betrachte dessen Inhalt, doch kann nicht viel davon erkennen. Die Gestalt des Clowns wirft einen großen Schatten genau darüber und lässt den Teller im Dunklen liegen.

Er dreht sich wieder um und schließt die Tür und nimmt damit wieder jeden noch so kleinen Lichtstrahl mit sich.

Mein Magen meldet sich wieder und erinnert mich an meinen unbändigen Hunger. Sogleich schnappt meine Hand nach dem Teller und greift nach dem erstbesten, das es findet. Es scheint sich um Nudeln mit einer Soße zu handeln, und noch irgendwas, das zu glitschig ist für Fleischbällchen. Unter normalen Umständen würde ich die Finger von etwas lassen, dass ich nicht mal sehen kann, doch der Hunger treibt es hinein und ich schnappe mir eine Hand voll der Nudeln und stopfe sie gierig in meinen Mund. In der ersten Sekunde  schmecken sie etwas merkwürdig, doch das interessiert mich nicht. In meiner Lage habe ich nicht die Möglichkeit wählerisch zu sein und die Kochkünste anderer zu kritisieren. Hauptsache Essen.

Ich nehme noch eine weitere Handvoll in meinen Mund und zerkleinere die Nudeln in meinem Mund, dann schiebe ich den Teller ein Stückchen zur Seite, neben meine Wasserflasche. Wer weiß, wann ich das nächste Mal Essen kriegen werde. Solange ich hier gefangen bin muss ich sparsam damit umgehen. Ich schraube den Deckel meiner Wasserflasche ab, trinke einen kleinen Schluck und stelle die Flasche dann wieder neben den Teller.

Die Arme vor der Brust verschränkt lehne ich mich an die Wand und lehne meinen Kopf zurück. Das nächste Mal brauche ich einen besseren Fluchtplan, so viel steht fest. Wer weiß, wann sich die Tür das nächste Mal öffnen wird. Wenn es wieder soweit sein sollte brauche ich einen Plan, einen durchdachteren.

Ich schließe die Augen und male mir mehrere Möglichkeiten aus zur Flucht, doch in meiner Vorstellung findet sich keine, die glücken könnte. Ich bin kleiner und schwächer und außerdem sind sie zu zweit. Ich muss das ganze also taktisch durchgehen, denn mit Stärke werde ich bei ihnen nicht weiterkommen. Als erstes muss ich herausfinden, welcher der beiden schwächer, welcher leichter zu überlisten ist. Auch wenn ich noch nicht weiß, wie ich das schaffen soll herauszufinden. Ich werde einen Weg finden. Denn Aufgeben steht nicht zur Auswahl. 

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