No Reason to Live

By _Weltenschreiberin_

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Claire Prince ist am Ende ihrer Kräfte. Nach dem Tod ihrer Familie leidet sie unter Depressionen. Ihr Leben i... More

Vorwort
Trailer
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5 Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
WE ARE THE WINNER!!!!!
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27.Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
Nachwort

22. Kapitel

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By _Weltenschreiberin_

MICHAELS SICHT

In meinem Herzen schmerzte es, als ich Claire hilflos auf den Boden sah. Eigentlich wollte ich warten, bis die Brünette selbstständig aus dem Badezimmer rauskommt, doch konnte ich nach einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr warten.
Die Sorgen um sie waren einfach zu groß.

Und dann lag sie da, mit nassen Wangen, den Blick in die Ferne gerichtet. Nicht dort, nicht hier. Ich fing an zu reden und zu reden und mir Schuldgefühle zu machen. Es ist meine Schuld, denn ich hätte sie nicht so bedrängen sollen. Warum frage ich auch, ob wir zusammen ziehen wollen? Ich war mir mit der Entscheidung sicher und jetzt zweifel ich an allem.

Ich bin kein Psychiater, wenn überhaupt ein Amateur. Was habe ich mir gedacht, so eine große Last auf die Schultern zu setzen? Wenn sie sich was antut, dann bin ich schuld. Dann habe ich wieder versagt.

Die Kleine krallt sich in meine Arme. Ihre Augen sind geschlossen, schon fast zu gekniffen. So gerne würde ich wissen, was sie geträumt hat.

Als Claire aufgestürmt ist, habe ich nicht Marybeth gesehen, wie sonst oft, sondern mich selbst. Ich habe mich gesehen, wie ich alles übergeben hatte, was in meinen Magen war.
Und als ich dort im Wohnzimmer saß, kamen die alte Erinnerungen in meinem Kopf wieder. Nicht die schrecklichen, sondern die guten.

Ich bin so froh, dass es mir nicht mehr so geht wie Claire. Dankbar wie kein zweiter, bin ich, aber dieses Gefühl verblasste wieder.

Denn dieses Mädchen, dass vor mir liegte und Schmerzen erlitt, konnte ich nicht helfen. Aber Wörter kamen über meine Lippen und ab dem Zeitpunkt war mir klar, dass ich egal wie doll ich mich anstrengen würde, wie gut ich kochen würde, wie lange ich Harry Potter gucken würde, dieses Mädchen womöglich bald verlieren könnte. Denn ihre Depressionen sind schlimm und ihre Wille weiter zu leben, gering.

"Ich will nicht schlafen, ich will keine Alpträume haben", flüstert Claire von Tränen ertrunken.

"Weiß ich, meine Liebe, weiß ich doch. Wir werden uns einfach zusammen wachhalten, dann hat keiner Alpträume."

Behutsam lege ich Claire ins Bett. Sie rutscht bis zur Wand hoch und zieht die Beine zur Brust heran. Vorsichtig setze ich mich neben sie. Die Müdigkeit, die vorhin noch mein Körper geschwächt hat, ist nun verklungen.

Wir beide starren in die Ferne. Mir fallen keine Worte mehr ein, die ich laut aussprechen könnte. Nicht im geringsten fällt mir etwas ein, aber das muss auch gar nicht sein, denn Claire meldet sich von alleine zu Wort.

"Mein Psychologe meinte mal zu mir, dass ich darüber reden soll, was mich bedrückt. Wovor ich Angst habe. 
Darf ich dir meinen Alptraum erzählen?",fragt sie zögerlich.

So wie sie neben mir sitzt, sieht sie noch zerbrechlicher aus, wie nie zuvor.
"Natürlich, du kannst mit mir über alles reden. Von mir auch über Sex"

Den Hauch Humor, den ich einbringe, verblasst sofort in den halb dunklen Zimmer. Wenn nicht mal Witz hilft, egal wie schlecht es ist, weiß man, dass die ganze Situation mehr als brenzlig ist.

"Vielleicht kommen wir auf das Thema Sex später zurück", murmelt Claire.

Wie es aussieht, ist noch nicht alles verloren. Ein kleines Schmunzeln geht mir über die Lippen.

"Beim Alptraum ging es um dich."

Und schon ist mein Schmunzeln verloschen.

"Also jetzt nicht nur um dich, aber hauptsächlich schon", sagt Claire vorsichtig. "Es war eine Metapher, dafür, wovor ich Angst habe und ich habe Angst um dich.

Da war ein Killer von dem ich weggelaufen bin. Ich lief und lief, bis ich hingefallen bin. Die Pistole vom Killer ist auf mich gerichtet. Statt das er mich abknallt, legt jemand anders eine Hand auf meine Schulter. Wo sich keine Sekunde später heraus stellt, dass die Hand dir gehört. Du möchtest mir helfen und als der Killer den Abzug betätigt springst du rechtzeitig in die Flugbahn. Die Kugel schießt in dich rein und du stirbst.
So sitze ich immer noch vor der Gestalt, die mich angrinst und für den nächsten Mord bereit ist. Er erschießt mich auch und dein Tod ist umsonst. Verstehst du was das bedeuten soll? Dieser Killer stellt meine Depression, die mich töten werden, wenn es soweiter geht, da, und du, bist du, der mich retten will, aber daran sich selbst zerstört. Und deswegen
habe ich Angst. Ich will nicht, das du dich wegen mir zerstörst. Denkst du, mir sind deine müden Augen nicht ergangen? Wegen mir konntest du nicht schlafen und das wird nicht besser werden. Immer wenn ich Alpträume habe und auf Toilette renne, oder beim besten Willen nicht schlafen kann, bist du wach. Deine Gesundheit soll wegen meiner nicht zu kurz kommen. Und der Schlaf wirst du dann bei der Arbeit nachholen, so die Arbeit vernachlässigen und gefeuert werden. Das alles wegen mir, weil ich dich wach halte. Ich... ich... ich"

Claires Worte werden von Schluchzer unterdrückt.

Oh man. Mir ist zum Lachen zumute. Eine Angewohnheit von mir, wenn ich unter Stress stehe oder einfach keine Ahnung habe was ich machen soll.

Ist es zu viel, wenn ich Claire umarme? Sie versuchen will zu trösten? Soll ich meine Angst ihr gestehen?

"Claire. Kleine. Liebes. Mäusschen"

Ich laber irgendwelche Kosenamen, um Zeit zu gewinnen.

"Ich muss gestehen, ich habe auch Angst. Jetzt nicht, dass ich mich zerstören werde, wie du es so schön gesagt hast, sondern. Ach man. Keine Ahnung wie ich es sagen soll.

Ich bin auch überfordert. Ich will dir helfen, aber was ist wenn ich scheiter? Wenn du morgen tot gefunden wirst? Ein Amateur bin ich, der gedacht hat, wissend über deine Situation zu sein. Ich weiß, wie es ist von einem Alptraum wach zu sein und alles auszukotzen. So weiß ich auch, wie es ist wenn man den seelischen Schmerz mit physischen Schmerz übertrumpfen will. Auch weiß ich, dass man sich nicht würdig genug ist zu essen. Das man nicht mehr Sachen machen will, die die geliebte Person so gerne gemacht hat. Und so wie ich das alles sage, hört sich das an, als ob ich dir so helfen kann, wie ich mich geheilt habe. Aber was habe ich früher in deiner Situation getan, außer das was ich alles gerade aufgezählt habe?
Ich habe einen Suzid begannen, der aber erfolglos war und das zum Glück. Und danach? Danach habe ich meinen allerwertesten in psychologische Behandlungen gesteckt. Habe mit verschiedenen Leuten geredet, die von mir alles wissen wollten. Wie oft habe ich geheult und mir gewünscht einen Tag auf den anderen wieder normal zu sein? Jeden verdammten Tag!

Ich habe die Zähne zusammen gebissen und gekämpft. Zugenommen und den Spaß des Lebens wieder gefunden. Durch verschiedenen Methoden mit dem Ritzen aufgehört und nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich gesund. Genau das erhoffe ich mir auch für dich. Du sollst wieder gesund sein. Dein Leben wertschätzen und Spaß daran haben. Ich muss gestehen, ich habe nicht wirklich Ahnung wie ich dir helfen kann, außer bei dir zu sein und dir unter die Arme zu greifen. Sei dir gewiss, ich nehme den Schlafentzug gerne in Kauf und du musst um mich wirklich keine Sorgen machen. Mir wird bewusst werden, wenn ich vor Erschöpfung nicht mehr kann und werde dann etwas dagegen tun.
Ich bin alt genug, um auf mich aufzupassen. Meine liebe, du solltest momentan dir eher Gedanken über dich selbst machen. Wie es mit dir weiter gehen soll. Abgesehen davon, deine Depressionen zu überwinden, was möchtest du die nächsten Monate alles schaffen? Male dir in Gedanken aus, was du erreichen möchtest und dann lass es deine Träume sein.
Diese Träume kannst du immer ein Stück mehr verwirklichen. Bis du dann Silvester dieses Jahres stolz sagen kannst: Ja, ich habe das geschafft was ich schaffen wollte. Denk mal darüber nach"

Ich krabbel aus dem Bett.

"Was, wie, wohin gehst du?", fragt Claire voller Panik.

"Nur für Indianer Häuptlinge",antworte ich. "Lauf bloß nicht weg."

Im Badezimmer atme ich erstmal aus. Auch wenn ich meine Depressionen Zeit überwunden habe, und akzeptiert habe was ich hatte, ist es für mich schwer darüber zu sprechen. Egal wie lange es her sein wird, es wird immer ein Thema meines Lebens bleiben. Auch wenn ich jetzt gesund bin, trotzdem kann ich in den nächsten Wochen, Monate einen Rückfall bekommen. Jetzt denke ich nicht, dass ich mit 80 irgendwo sitze und mich ritze. Hoffentlich bin ich da in einem Altersheim und die Liebe meines Lebens sitzt neben mir.

Was ich wirklich an meiner früheren Zeit bereue ist, dass ich mich geritzt habe. Diese unzähligen Narben, die immer bleiben, die sich nicht in Luft verpuffen können. Wenn jemand Fremdes das sieht, bekomme ich meistens verurteilte Blicke. Sie sind doch vernarbt! Warum verstehen diese Personen dann nicht, dass ich aufgehört habe, dass ich diesem Teil meines Lebens den Rücken zugekehrt habe?

Soll mal einer die Menschheit verstehen.

Nicht nur einmal habe ich mir Gedanken darüber gemacht, ob ich ein Tattoo über den Narben tätowieren lassen soll. Damit ich nicht mehr die Blicke ertragen muss und ich es nicht mehr ansehen muss. Aber ich bin zu den Schluss gekommen, diese Narben gehören zu mir wie mein Muttermal am Rücken. Ich stehe dazu und es erinnert mich daran im guten Sinne, wie schlecht es mir einmal erging, wie stark ich gekämpft habe. Heute ist einer meiner Mottos: Was mich nicht umbringt macht mich stärker.

Und ein Tattoo reicht mir. Die Schmerzen will ich nicht nochmal ertragen wollen.

Es ist Zeit zu Claire zurück zukehren.
Nicht das sie denkt, das ich auf dem Klo eingeschlafen wäre.

Als ich das Schlafzimmer betrete, werde ich sofort mit vielen Wörtern überschüttet.

"Also. Ich möchte neben einem Leben ohne Depressionen einmal nach Paris. Eigentlich war das ja letztes Jahr mein Geburtstagsgeschenk, aber das lief deutlich schief. Da ich noch nie auf einer Party war, würde ich das auch mal gerne machen. In meiner Schulzeit hatte ich nie richtige Freunde, aber möchte sehr gerne jemand als meinen Freund bezeichnen können, im freundschaftlichen Sinn. Dann habe ich das Bedürfnis in eine Prügelei zu geraten und dort mit zu wirken.
Frag mich nicht warum, aber ich habe darauf Lust. Das Meer, was du mir so schön beschrieben hast, möchte ich in Natura sehen. Ich möchte mit Nemos schwimmen und meine Haut bräunen. Das ist was mir spontan eingefallen ist."

"Das ist doch schon mal was. Merke dir diese Träume, wünsche und es wird in Erfüllung gehen. Eventuell die eine Sache schneller als die andere. Vielleicht schreibst du dir diese Wünsche auf und wenn dir etwas einfällt, kannst du sie dann hinzufügen."

Ich krieche zurück ins Bett und unter die schöne warme weiche Bettdecke.

"Habe ich dich überzeugt, dass du keine Angst um mich haben musst?",frage ich die Frage, die ich einfach stellen muss.

"Mir ist bewusst, dass ich keine Angst haben muss. Mir ist klar, dass du alt genug bist, um zu wissen, ob du mit mir in den Kampf ziehen willst. Ich würde es nicht als Angst bezeichnen. Eher als Unwissenheit und Zweifel an sich selbst und andere Personen. Verstehst du das? Für mich hört sich das an wie gequirlte Scheiße.", antwortet sie.

"Erstaunlicherweise verstehe ich das sehr gut. Ich sehe dümmer aus, als ich bin. Ne Spaß beiseite. Ja ich verstehe es und es wundert mich nicht mal."

Wir beide sind verstummt. Nun, da alles von meiner Seite gesagt worden ist und von Claire auch, ist es still.

Ich möchte das Claire nun auf mich zu geht und den ersten Schritt macht. Den Schritt eines Gespräches, wo es nicht um traurige Dinge geht. Vielleicht sage ich auch nichts, weil ich der junge Frau kurz ihre Ruhe lassen möchte.

"Diese Stille habe ich die letzten Wochen genug erlebt. Lass uns über irgendwas unterhalten. Du hast vorhin Sex angesprochen. Sollen wir über Geschlechtsverkehr reden?"

Schallend fange ich an zu lachen. Alles hätte ich erwartet was passieren würde, aber das nicht.

"Klar bin dabei. Ich habe meine Unschuld mit 15 verloren.
Das Mädchen ging in meine Klasse. Sie stand auf mich, aber ich nicht auf sie. Trotzdem habe ich zu einem "Date" zugestimmt und später kam eins zum anderen. Es war echt komisch gewesen. Das schlimme war ja, das das Mädchen gedacht hat, wir würden zusammen sein. Im Endeffekt habe ich ihr Herz gebrochen, was mir im Nachhinein echt leid tat. Wann war dein erstes Mal?"

Jetzt bin ich mal gespannt. Meine Entjungfergeschichte ist ja relativ lahm. Eher peinlich als alles andere.

"Ich war 17 und David war der Kerl. Eigentlich war es schön, nur als dann raus kam, das Steve uns gehört hat, fand ich es im Nachhinein auch eher peinlich. Lustige daran ist, das es David noch peinlicher war als mir."

Und wieder schwelgen wir in der Stille. Die Luft ist raus. Ich bin mir sicher, dass es an den Schlafmangel liegt und das Claires Kopf vor Gedanken nur so zerspringt. Das beste wäre, wenn wir den Schlaf erneut bezwingen würden.

"Ein anderes mal können wir entscheiden welche Geschichte besser ist. Vielleicht mit mehr Details"

Meine Augenbrauen hüpft einmal hoch und runter, bis ich dann bemerke, dass Claire sie eh nicht sieht.

"Ich weiß du willst nicht schlafen und das kann ich vollkommen verstehen. Es wäre aber besser. Leg dich hin, schließ die Augen und denke an eine Sache, die dich glücklich macht. Es kann auch nur ein Lied sein. Summe das im Kopf, gehe den Text durch.", meine ich.

Tatsächlich hört Claire auf mich. Sie legt sich hin und schließt die Augen. Ich lege mich daneben, lege meine Hand leicht in ihre und schließe ebenfalls die Augen.

"Du kannst dich auch auf meinen Atmen konzentrieren. Gegebenenfalls auch auf mein Herzschlag."

Meine Stimme wird immer leiser, bis sie ganz erlischt.

Es dauert eine ganze Weile, bis Claire regelmäßig und tief atmet. Ein Zeichen dafür, das sie es geschafft hat einzuschlafen. Erst als ich mir sicher bin, dass sie im Traumland herumgeistert, ich hoffe im guten, gewähre ich meinen Körper in einen leichten Schlaf zu fallen.

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