Ende

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Ich war lange wach, bevor ich die Augen öffnete. Ich war noch nicht bereit, irgendjemandem entgegen zu treten. Eine Aussage zu machen. Was auch immer.
Also lag ich da. In dem harten, aber angenehm kühlen Bett.
Ich lebte. Das alleine war schon Wunder genug.
Atmen tat weh, aber Schmerz war ein Zeichen dafür, dass man noch lebte - sagte zumindest immer mein Vater. Es war der Gedanke an meine Eltern, der mich die Augen aufreißen ließ. Obwohl ich schon so lange wach war, dauerte es eine Weile, bis mein Gehirn verstand, wo oben und unten war. Die Decke des Zimmers war genauso farblos weiß, wie die Wand, die ich sehen konnte. Ich drehte den Kopf zu der Schwester, die gerade meine Werte von dem Monitor ablas. Langsam, zögerlich, weil ich mir plötzlich der Schläuche in meinem Hals unangenehm bewusst geworden war. Das ich nicht in Panik ausbrach, musste bedeuten, dass man mir reichlich Beruhigungsmittel verabreichte. Die Schwester bekam mich nicht sofort mit, weshalb ich auch versuchte, den Arm in ihre Richtung zu bewegen. Dieses Mal wurde sie auf das Rascheln der Bettwäsche aufmerksam. Sofort rief sie einen Arzt herbei und mein Zimmer füllte sich mit dem Lärm, den ich gefürchtet hatte. Der Monitor zeigte sofort meine erhöhte Herzfrequenz und der Arzt jagte die Hälfte der Leute aus meinem Zimmer.
Er war sehr geschickt dabei, den Schlauch aus meinem Hals zu entfernen, ohne dass ich das Bedürfnis empfand, mich zu übergeben. Er erklärte mir, dass ich Glück gehabt hatte und das ich noch nicht versuchen sollte, wieder zu sprechen. Mein Hals war noch zu wund. Das brauchte er mir nicht sagen, dass spürte ich selber nur zu deutlich.
Schließlich ließ er endlich meine Eltern herein. Beide versuchten zu verstecken, dass sie in Tränen ausgebrochen waren, als man ihnen gesagt hatte, dass ich wach war. Mein Vater war der Erste, der nachgab und schon wie ein Schlosshund heulte, bevor er neben mir saß und meine Hand an seine zitternden Lippen pressen konnte.
Meine Mutter setzte sich auf die andere Seite und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Erst jetzt bemerkte ich, dass meine Hand ebenfalls in einem engen Verband steckte. Das erklärte, warum die Schwester die Bewegung eher bemerkt hatte.
"Was machst du nur", schluchzte mein Vater und seine Stimme war um eine Oktave höher als normal. "Wieso hast du uns nicht rechtzeitig Bescheid gesagt?" Seine Tränen waren wärmer als meine Finger, aber sein Atem kühlte die Spuren, was ein seltsames Gefühl hinterließ.
"Ich habe damit gerechnet, dass du Ärger verursachen würdest", flüsterte meine Mutter, die hart darum kämpfte, ihre Fassung zu bewahren. "Aber dass du in die Schusslinie einer Mörderin gerätst, habe ich nicht in meinem schlimmsten Albträumen erwartet."
Ich erinnerte mich an Rebecca. Ihr Blut an meiner Hand. Ich fragte mich, was passiert war, dass man meine Hand hatte behandeln müssen. Aber ich war bis in die Zehenspitzen voll mit Schmerzmitteln, so dass ich nicht wirklich sagen konnte, was mit meiner Hand nicht stimmte.
"Du wirst nie wieder an diese schreckliche Schule zurück müssen. Es tut mir so leid." Sofort drückte ich die Hand meines Vaters so fest ich konnte. Das war nicht, was ich wollte.
"Wo ist sie", krächzte ich und schmeckte sofort des vertraute Eisen in meinem Mund.
"Wer Schatz?", fragte mein Vater aber meine Mutter zischte ihm sofort zu, ruhig zu sein.
"Sprich noch nicht. Wir haben später Zeit, alles zu besprechen." Sie strich mir eine Strähne aus der Stirn, doch ich musste es jetzt wissen.
"Rebecca", krächzte ich und wusste, dass das letzte Wort sein würde, dass ich eine Weile sagen würde. Meine Eltern tauschten Blicke, doch ich war nicht erschöpft genug, um meine Wut nicht wenigstens mit meinem Gesicht ausdrücken zu können.
"Sie ist in psychiatrischer Behandlung", sagte mein Vater sanft.
Ich nickte. Dann hob ich die verbundene Hand. Was war passiert?
Wieder tauschten meine Eltern Blicke. Dann seufzte meine Mutter. Sie ergab sich. "Du hast einen ganz schönen Schaden angerichtet. Wahrscheinlich wird sie die Hand nie wieder einwandfrei benutzen können." Auch wenn meine Mutter gerne ihre Gefühle außen vor ließ, hörte man doch deutlich, dass sie Rebecca kein Mitleid entgegen brachte. "Allerdings hast du dabei drei Krallen verloren. Sie mussten sie dir ziehen, als sie Rebecca von dir runter geholt haben. Es gab keine andere Möglichkeit, weil sie dich so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen mussten."
Ich nickte. Das erklärte, warum die Füchsin so leise war, seit ich aufgewacht war. Sie litt unter dem Verlust.

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