Entschlossen

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Ein spitzer Schrei drang aus meinem Mund, ehe ich wirklich realisiert hatte, was da gerade passiert war.

"Ich dachte, es würde reichen, einen Tumor zu entfernen." Rebecca stand mit wilden Augen hinter Nathan. "Ich dachte, Jennifer hätte einfach nur den Verstand verloren", keifte sie und ihr Atem bildete weiße Wolken in der kalten Luft. "Ich hatte nicht erwartet, diese Worte noch einmal zu hören." Langsam schritt sie über den bewusstlosen Nathan hinweg. Noch immer hielt sie den Ast wie einen Baseballschläger. Ihr Blick war auf mich geheftet und plötzlich machte alles einen Sinn.

"Du hast das getan?" Ich schluckte trocken und machte einen Schritt zurück, als sie noch näher kam. Bloß nicht in ihrer Reichweite bleiben. "Warum?"

Sie stieß ein angewidertes Schnalzen aus. "Na um die Ordnung zu bewahren." Sie ließ ihren Blick an mir herunter und wieder herauf gleiten, wie sie es schon am ersten Tag getan hatte. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass der Teufel persönlich ihren Platz einnehmen würden."

"Jennifer war auch gegen diese Hierarchie, die ihr hier so streng hüten wollt", schloss ich und ballte meine Hände zu Fäusten. Fuchs gegen Gans war ein klarer Kampf, aber ich gegen Rebecca? Sie würde sich garantiert nicht verwandeln. Selbst wenn sie ebenso schnell war wie ich, würde ihr das keinen Vorteil verschaffen.

"Natürlich. Sie hätte alles getan, um ihre geliebte Jenna wieder für sich zu haben. So eine dreiste Illusion. Ein Luchs und ein Bär. Wie lächerlich."

"Und Luisa? Sie ist ein Reinblut und ein Alpha, soweit ich weiß." Ich wusste selber nicht, wieso ich so ruhig bleiben konnte, aber ich war dankbar. Rebecca war nicht hier, um meine Freundin zu werden. So viel stand fest.

"Ein Löwe und ein Reh? Also bitte, geht es noch klischeehafter? Ein Wolf und ein Lamm vielleicht?" Sie gurgelte mehr, als das sie kicherte. Wie ein Raubtier suchte sie nach der winzigsten Reaktion auf ihre Worte. Nathan lag noch immer reglos hinter ihr, Blut lief über seine Stirn, aber ich konnte sehen, dass er atmete. Erleichterung füllte meine Lungen mit frischem Sauerstoff.

Rebecca kannte Nathans Geheimnis, da war ich mir jetzt sicher. Sie war uns an jenem Tag schon gefolgt. Oder sie war in der Nähe ihrer Hanfnesseln gewesen, als wir angerannt kamen. Obwohl sie ein relativ großer Vogel war, wusste sie sehr genau, wie sie in den normalen Geräuschen des Waldes untertauchen konnte. Vielleicht, dachte ich, war sie die einzige andere Formwandlerin an dieser Schule, die so viel Kontrolle über ihre zweite Identität hatte wie ich. "Bist du an diesem Tag im Wald auf uns aufmerksam geworden?" Ich musste ihr nicht erklären, welchen Tag ich meinte.

Sie zog einen Mundwinkel hoch. "Ich bin an jenem Tag auf ihn aufmerksam geworden." Sie ruckte mit dem Kopf in Nathans Richtung, ließ mich aber nicht aus den Augen. "Wer hätte gedacht, dass unser Bad Boy tatsächlich ein so böser Junge ist, mh? Uns alle so hinters Licht zu führen." Sie schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. "Aber im Nachhinein war es wohl ganz gut, dass ich mir zuerst Luisa und nicht Nathan vorgeknöpft habe." Sie wartete, ob ich ihr genauso folgen konnte, wie sie meinen Gedanken folgte.

"Du hast auch Herr Fletcher getötet. Warum?"

"Das fragst ausgerechnet du? Nachdem er dir das angetan hat? Du bist eine reinrassige Alpha. Er hatte kein Recht Hand an dich zu legen. Diese dreckige Schlange hatte einfach kein Recht, weiter die selbe Luft wie du zu atmen." Sie war sofort rasend vor Wut.

Gut, dachte ich mit pochendem Herzen. Wut war zwar gefährlich, aber es brachte sie hoffentlich auch dazu einen Fehler zu machen. Irgendeinen. Ich brauchte nur eine winzige Lücke in ihrer Deckung. Unter der Oberfläche lauerte schon die Füchsin. Wir waren keine Krieger, wenn es nicht sein musste. Aber wir hingen an unserem Leben. Genug, um Rebecca die Kehle herauszureißen, wenn sie uns lassen würden. "Bist du in jener Nacht Nathan gefolgt?"

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