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Die Hand von Naoki lief bereits weiß an; sein Gesicht noch bleicher als diese.

Ryoyu schrie, als würde man ihm bei lebendigem Leib das Bein amputieren, während Taku nur versuchte, den Fuß vom Sprungschuh zu lösen. Das Knie stand in eine Richtung, die in den beider, wenn auch unerfahrenen, Augen physisch falsch war.

"Lass los", hauchte Kobayashi am Ende seiner Kräfte hervor und versuchte mit dem zweiten Fuß Takeuchi wegzustoßen, jedoch nur in seinem Kopf. Sein Bein bewegte sich keinen Zentimeter und Taku scheint auch nicht aufzuhören.

Die Schülerklasse von vorhin warf ihre Blicke auf Ryoyu, denen ebenfalls die Blässe im Gesicht stand, während sich die Mädchen nur wegdrehten; der Lehrer versuchte alle in Richtung Ausgang zu scheuchen.

"Ahhaha", drückte er seinen Kopf in den Rasen, die Hand von Naoki wurde langsam taub. Ryoyu konnte den Schmerz nicht mehr ertragen.

"Keiichi hol' den Mannschaftsarzt!", wurden klare Anweisungen gerufen. Taku hob seinen Kopf und sah Hideharu an ihm vorbeirauschen. Der sonst so gelassene Trainer, dem nichts aus der Ruhe bringen konnte, war aufgebrachter und schneller im Handeln als Nakamura und Takeuchi zusammen.

Sato stolperte einmal über seine Füße und hastete den Schanzenauslauf entlang.

Naoki musterte nur verwundert die grünen Schienbeine von Miyahira. Er müsste offenbar die Schanze heruntergerutscht sein, ohne den Gedanken zu scheuen, sich aufzuschürfen.

"Lass – los", gab Ryoyu immer noch nicht auf. Schweiß tropfte von seiner Stirn und sein Kiefer war angespannt, während er seine Hand immer noch an die von Naoki klammerte. Grüne Flecken vom Gras waren auf seinen Wangen verzeichnet, sowie kleine Schürfwunden.

Er schaffte die ganze Last auf seinem Körper nicht mehr, die sein Bein ausstrahlte. Etwas in ihm wollte es wieder richten, dass es endlich aushörte so grauenhaft taub zu kribbeln, doch er konnte sich nicht bewegen. Er fühlte sich in Schockstarre versetzt; untauglich irgendetwas zu tun.

Ryoyu...

Der zarte Hauch einer Stimme drang in sein Ohr, wo er seine Umgebung nur verschwommen wahrnahm.

"Mona?", flüsterte er leise. Er war längst nicht mehr so bei Sinnen, dass er wusste, wo er sich befand.

"Ryoyu?", rüttelte Naoki leicht an der Schulter von ihm, dieser aber langsam Selbstinitiative ergriff.

Vorsichtig stützte Ryoyu sich mit den Händen auf und starrte an die Bande, als würde er einen Geist sehen.

Taku stand nur leicht die Kinnlade offen, während Hideharu die Gunst der Stunde ergriff und vielleicht etwas zu grob Kobayashi den Schuhe auszog. Schwach, sackte Ryoyu wieder in sich zusammen, überfallen vom Schmerzimpuls und stieß sich, erneut, den Kopf am Boden an. Doch es scheint ihm nicht mehr so viel anzuhaben.

Wacker stützte er sich wieder auf und krallte die Hände ins Gras, um seinen schweren Körper zu befördern.

Ryoyu...

"Mona!", schrie er vor sich hin und sein rechter Arm sackte unter der Last seines Körpers zusammen, "Mona!"

Takus Hände klammerten sich an die Handgelenke von Ryoyu und rollten diesen auf seinen Rücken.

"Lass mich los, Taku", winselte Kobayashi und zerrte etwas an seinen Fesseln, doch er erkannte gleich, dass er keine Chance hatte sich zu befreien.

"Ich will zu Mona. Ich will – ich will", verlor er auch langsam den Kampf gegen seinen pochenden Kopf, der mit jedem Schlag an die Schädeldecke angekündigt hat, dass ihm bald das Licht ausgeknipst wird. Mit einem sanften Gong aus seinem Hinterkopf, verschwamm er mit der Dunkelheit durch seine schließenden Lider.

Auch der etwas kräftigere Schlag an die Wange von Taku scheint nichts mehr zu nützen, als endlich Keiichi mit dem Mannschaftsarzt angelaufen kam.

Zu sich kam Ryoyu erst wieder durch ein gleisendes Licht, welches direkt in seine Augen schien. Er rieb sich diese und drehte seinen schweren Kopf zur Seite. Seine Sicht war eingeschränkt durch einen Vorhang, der einen guten Meter neben ihm vorgezogen war.

So drehte er den Kopf auf die andere Seite und erkannte nichts als leere Betten. Leere Krankenbetten. Hastig drückte er sich auf und legte darauf sofort den Kopf in seine Hände.

Dieser unerträgliche Kopfschmerz. Als wie wenn eine Pendeluhr mit ihrem Pendel immer wieder an den Kopf stieß, fünf Bomben neben dir explodieren und du so nebenbei gerade von einem LKW überfahren worden wärst.

Er biss die Zähne zusammen in der Hofffung, dass das Anspannen seiner Muskeln vielleicht für Linderung sorgen könnte, doch auch nur in seinen Wünschen.

"Ryoyu", legte jemand sanft eine Hand auf seine Schulter, worauf er vorsichtig seinen Kopf hob. Durch das schnelle Aufsetzen war seine Sicht leicht verschwommen, die sich allmählich klärte. Die Verarbeitung der ganzen Geräusche und Bilder war zu belastend für seinen Kopf.

Yuka stand neben ihm und hat in der anderen Hand seine Mannschaftsjacke im Würgegriff.

"Sprich bitte etwas leiser, ja?", rieb er sich die Stirn, sprach mit einer heiseren Stimme, für deren Klang er jedoch keine Kraft aufwendete, sich darum zu wundern. So wie sein Kopf schmerzte, überraschte ihn gar nichts mehr.

Was habe ich eigentlich gemacht, um in der Notaufnahme zu landen?

Als ihm dieser Gedankenblitz schoss, wandte er seinen Blick wieder an Yuka, deren Sorgenfalten über den Sommer immer tiefer geworden sind; seinetwegen.

"Warum bin ich hier?"

"Warum du...", hielt sie kurz und sah ihn mit einem fragenden Blick an, "warum du hier im Krankenhaus bist?"

"Mhm."

"Du hast am Schanzenauflauf eine ziemliche Bruchlandung hingelegt."

Das erklärt meinen Kopf zumindest.

"Dein Kniegelenk war ausgekugelt und deine Bänder etwas überdehnt, aber sonst bist du glimpflich davon gekommen."

Ryoyu entkam ein erleichtertes Aufatmen. Er zog die Bettdecke etwas zur Seite und erkannte, dass es sein gutes Knie erwischt hatte. Wäre sein schlechtes dran gewesen, wäre er wahrscheinlich mit Nähten und dem grausligen Geruch von Sterilität aufgewacht.

"Lass' uns gehen Yuka", hob er seine Bein, in eine dicke Schiene gesteckt, wie es Sportler nach einer Kreuzbandverletzung trugen, aus dem Bett. Seine Schwester war nicht so überzeugt von dieser Idee, wie seine Worte klangen.

"Bist du dir sicher?"

"Ich hab' noch etwas zu erledigen, vor morgen."

Als Ryoyu in der Bewusstlosigkeit gewesen war, hat er nicht nur von einem schwarzen Standbild geträumt. Sein Kopf hatte ihm zwei Welten gezeigt. Was passiert, wenn welche Frau an seiner Seite war. Auch wenn er Junshiro weiß machen wollte, dass er Mona zurückholen würde, hatte er auch ein wenig Angst vor den Konsequenzen, die ihm blühen werden. Andererseits konnte er es nicht verkraften, mit einer Person sein ganzes Leben zu verbringen, die er in Kindertagen schon nicht ausstehen konnte.

Sicher, Menschen ändern sich, doch Chiyoko hatte sich nicht verbessert. Und wenn eine Person es bereits in Teenager-Jahren es genossen hat, mit den Herzen von Jungs zu spielen, dann mit einem Mann verheiratet war für den Schein, würde sich das gleiche Abspielen, wie auf der Highschool.

Auch wenn Mona ihn ziemlich beleidigt hat, wusste er, dass sie einen guten Grund dafür hatte. Ryoyu hat, auch wenn er es in seinem Kopf weniger so aussprechen wollte, zurückgelassen wie eine Schneeflocke in der Sonne. Sie müsste innerlich gestorben sein, zu wissen, dass ihre liebevolle Art ausgenutzt worden war. Und dass sie glaubte, dass Ryoyu nur mit ihr gespielt hat, war für ihn nur allzu ersichtlich geworden. In ihren Augen brannte dieses blaue Feuer aus Enttäuschung und dennoch scheint sie etwas für ihn zu empfinden, da sie beim blossen Anblick erstarrt war.

Es gab zwei Seiten zu wählen und Ryoyu hatte sich für eine entschieden, auch wenn der Preis dafür vielleicht höher war, als er bereit war zu zahlen.

"Soll ich Junshiro anrufen, dass er dich nachhause bringt?"

"Nein", kam es wie aus der Pistole geschossen, worauf Ryoyu sich wieder an die Stirn griff. "Ich frage Naoki, schon in Ordnung."

[ryoyu kobayashi] etānitīWhere stories live. Discover now