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"Wenn jemand seit gestern am Nachmittag nicht mehr online gewesen ist, kann ihm dann etwas passiert sein?"

Schnell flogen die Finger von Mona über die Tastatur und beteiligte sich damit am rhythmischen Geräusch, welches in den Raum neben surrenden Computern geworfen wurde. Ihr Platz war mit zwei Laptops, einem Tablet, Zetteln mit Planungskritzeleien, Bleistiften und drei Bechern Kaffee bestückt. Natürlich nicht zu vergessen, auch das kleine Computerplatinchen, das Herzstück ihrer einmal werdenden Konsole, welches Spiel vorerst nur einen Startbildschirm programmiert besaß. Sie war sich selbst noch nicht so im Klaren, wie das ganze Spiel funktioniert, weder noch ablaufen soll. Sie hatte nur die Grundidee und dies war schon einmal ein Anfang.

Linus, den sie gestern nicht nochmal getroffen hat, wie eigentlich gedacht, verzog den Mund und dachte nach. Auch er arbeitete an seinem Projekt. Einen kleinen Roboter namens Noriaki, der den Kindern beim SC Bergisel die genaue Abfolge beim Skispringen zeigen sollte. Er war gerade dabei, das Gehäuse zu designen, um es dann in der Druckerei per 3D-Druck anfertigen zu lassen.

"Wie man es interpretiert", lehnte er sich zurück und verschränkte die Finger im Nacken, "es könnte der jemand auch beschäftigt sein."

"Ist er nicht", kam es von Mona wie aus der Pistole geschossen und sie erstarrte, versuchte das rot anlaufen ihrer Wangen so gut wie möglich zu unterdrücken und übertriebenes Interesse in ihre Programmierzeilen zu legen. Gestern hatte sie sich noch die Ergebnisse der Qualifikation angesehen und wusste deswegen auch, wie viel den gewissen Jemand heute beschäftigen wird.
"Der jemand meine ich."

Linus löste die Hände aus seinem Nacken und begann mit den Fingern einer Hand auf der Tischplatte zu klopfen. Er hatte schon lange keine Lust mehr, auf das Designen und war gespannt, welche Geschichte Mona zu bieten hatte, da sie gestern nach der Qualifikation nicht mehr erreichbar, weder noch aufzufinden gewesen war. Irgendetwas musste passiert sein und Linus als ihr bester Freund hatte wohl das Recht dazu, es zu erfahren.

"Wo war denn die liebe Mona gestern während der Qualifikation?", lehnte er sich ihr entgegen und schmunzelte schelmisch, während Mona nur etwas desinteressiert an ihrem Kaffeebecher nippte und kühl eine Antwort gab.

"Ich bin im Zug nachhause gesessen und habe danach Familienbeziehungen gepflegt", stellte sie den Becher zur Seite und lehnte sich ebenfalls ein wenig nach vor. "Solltest du auch einmal probieren."

Ryoyu wurde langsam wach und rieb sich die Augen. Etwas orientierungslos, versuchte er sich an das Gestern zu erinnern, doch hatte nur die Tatsache vor Augen, dass er samt Skikleidung eingeschlafen und von niemanden geweckt wurde. Er streckte sich kurz und begann aus dem Bett zu kriechen. Der Blick zum zweiten Bett zeigte, dass Kento bereits gegangen war und ein Blick auf die Armbanduhr stellte fest, dass sein Zimmergeselle nur beim Frühstück sein müsste.

Kobayashi schälte sich aus der Skihose und dem Anzug, bevor er mit normalen Sachen in der Hand in Skiunterwäsche ins Bad verschwand. Dort würde er sich eine kalte Dusche gönnen und das Frühstück wie so einige Male auslassen. Er erhoffte sich dadurch, vielleicht einem erneuten Abnehmplan zu entkommen, die ihn seelisch meist in ein tiefes Loch zogen.

Er stieg unter das sanfte Wasser, welches über seine Haut floss und entspannend für die ganzen Muskeln war. Langsam begann er sich zu beruhigen und mit dem tiefen Atemzug verließ die noch von gestern angehaltene Anspannung ihn. Er war seit langem wieder von dem Höhentrip gekommen und dies dank der verpatzten Qualifikation.

Nach der kurzen Dusche schlüpfte er in frische Sachen. Seine dunklen Haare hingen nass in sein Gesicht und er putzte sich die Zähne. Seine Augen bohrten sich in sein Spiegelbild, als versuchte er dadurch etwas aus ihm herauszukitzeln, von dem er keine Ahnung hatte. Es war ein eigenartiges Gefühl in seiner Brust, welches mit Schulgefühlen zu vergleichen war, auch wenn er sich keiner Schuld bewusst war. Er seufzte und schloss die Augen. Seine Erinnerungen von gestern kehrten wieder zurück und ließen ihn, ohne das Zähneputzen zu unterbrechen, zum Bett wandern. Er nahm das Smartphone in die Hand und betrachtete die eine Nachricht, die wenige Minuten nach seiner gesendeten als Antwort zurückgekommen ist.

Ein leichtes Lächeln erschien, als er in den Chat ging und eine Nachricht tippte.

Das Display von Mona leuchtete auf und sie nahm das Smartphone sofort in die Hand, als sie erkannte, von wem sie eine Nachricht erhalten hatte. Sie schickte eine simple Nachricht zurück, doch je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr wuchs das Kribbeln in ihren Fingerspitzen, nach seinem Wohlbefinden zu fragen. Sie tat dies schlussendlich und stellte sich wieder auf einen halben Tag Funkstille ein. Eine Tatsache, die sie ein wenig traurig machte.

Mona begann ihre beiden Laptops einzupacken und den Platz zu räumen. Man war nicht verpflichtet an der Schule an dem Projekt zu arbeiten, dennoch war es gut um einen Professor um Hilfe bitten zu können, wusste man nicht weiter. Mona hingegen hatte noch am ganzen Konzept zu arbeiten, wo es ihr zuhause damit besser erging. Sie verabschiedete sich von Linus, checkte kurz ihr Smartphone und entschied noch, zu ihrem betreuenden Lehrer zu gehen, um ihre bereits erarbeiteten Zeilen zu zeigen. Ihre Mutter hatte bis halb eins am Nachmittag Dienst und diese Gelegenheit wird sie nutzen, um mit ihr nachhause zu fahren. Ihr blieb noch eine gute Stunde, um mit ihrem Professor zu sprechen und danach zum Arbeitsplatz ihrer Mutter zu kommen.

Sie trat aus dem Computersaal in den Flur und begann nun einmal darüber nachzudenken, ob das, was sie Ryoyu geschrieben hat, so passte. Normalerweise machte sie sich keine Sorgen über solch kleine Dinge, doch sie hatte das Gefühl, den Springer nicht seine Entscheidung bereuen zu lassen.

"Mona", hielt sie jemand an der Schulter fest und brachte sie damit zum Zusammenzucken. Sie fuhr herum und erkannte ihren Klassensprecher Leo. Erst jetzt war ihr aufgefallen, dass nicht alle zum heutigen Termin erschienen sind, somit auch er.

Leo hielt eine Liste in der Hand, auf der schon mehrere Kreuze und wenige leere Stelle waren. Doch sie wusste nicht, weswegen er sie ansprechen sollte.

"Michi hat sich am Wochenende den Fuß gebrochen und fährt deswegen nicht mit zu den Skitagen. Wir wollen aber das Zimmer nicht stornieren", spielten seine Finger an einer Ecke des Papiers in seiner Hand. "Würdest du vielleicht mitfahren wollen?"

Mona war für eine Sekunde kurz erstarrt. Eigentlich hat sie dies am Schulanfang schon beschlossen und wollte die Zeit für ihr Projekt nutzen, doch jetzt überlegte sie es sich nochmals gründlich. Sie hatte ein Gerücht herumschwirren hören, dass aufgrund der wenigen Schüler, die von den drei Skitagen zuhause blieben, diese auf unterschiedliche Klassen aufgeteilt wurden. Auf dies hatte Mona wenig Lust, da sie sich dadurch am Unterricht der Klasse mitbeteiligen musste, anstatt zu arbeiten.

Ohne erst es richtig zergehen zu lassen, willigte sie ein und sah Leo einen Stein vom Herz fallen. Anscheinend war er von A nach B gelatscht und hat geglaubt, niemanden für sein Problem zu finden.

Sie kritzelte schnell ihre Unterschrift zur Einwilligung auf den Zettel und rannte nun ihren Weg, um den Termin bei dem Professor nicht zu versäumen.

[ryoyu kobayashi] etānitīWhere stories live. Discover now