Kapitel 20: Ein letztes Lächeln

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Ein letztes Lächeln

Ich ging eine lange Straße entlang. Um mich herum die Umgebung war grün, war es etwa schon wieder Frühling? Wie konnte ich das nicht mitbekommen haben?
Mit großen Schritten ging ich weiter voran und schaute in den Himmel, wolkenbedeckt.
Wie lange zogen ich und Chloé schon umher? 
Ich drehte meinen Kopf in Richtung Chloé die sich an meine rechte Hand geklammert hatte.
Geschockt ließ ich ihre Hand los. Sie war tot, zu einem Beißer geworden und ein Beißer hatte mich gebissen.
Ich umklammerte meine Hand und brach in Tränen aus. Wie konnte das passieren?!
Sie war doch eben noch am Leben und ich? Ich hatte nicht mal einen Beißer angefasst oder etwa doch? War es etwa sie gewesen?
Ich ließ sie auf dem Boden liegen und rannte die ewig lange Straße weiter.
Ich wollte schreien doch ich konnte nicht.
Die Straße endete nie, dachte ich jedenfalls. Vor mir lagen Menschen, Menschen die mir etwas bedeuten und vor allem Toby.
Wieder wollte ich schreien. Ich ließ mich auf die Knie fallen und hielt mir die Augen zu.
Doch mein Schrei kam nicht.

Wieder keuchend wachte ich auf.
Ich schaute mich panisch im Wohnzimmer unserer Zuflucht um. 
Ja Chloé und Marilyn waren noch da. 
Das in meinem Traum war nicht die Realität, Toby würde nicht tot sein. 
Ich atmete tief aus und fasste mir mit einer Hand ins Gesicht. Meine Wangen waren feucht, ich hatte geweint.
Schnell wusch ich sie weg. Chloé hatte bemerkt, dass ich wach geworden war und streckte sich.
„Guten Morgen.“, murmelte sie und rieb sich die Augen. 
„Morgen.“, erwiderte ich nur schwer und schmiss die Decke zurück.
Ich ging zu Marilyn und rüttelte sie sanft. Sofort wurde sie wach.
Sie sagte nichts. Sie war immer noch total fertig. 
Der arme kleine Ricky, verdammt, sein Tod musste hart für ihn und für Marilyn gewesen sein. Würde das mit Chloé passieren, ich glaube, ich wäre völlig fertig.
„Wir müssen unsere Sachen packen und weiter ziehen.“ 
„Habt ihr denn ein Ziel?“, fragte Marilyn und stopfte eine große Decke in ihren Rucksack.
Ich schüttelte den Kopf. Wir hatten kein Ziel. Wir überlebten einfach.

Wir zogen weiter und kamen auf eine lange Straße umgeben von Häusern und Schneebedeckten Bäumen. Sie war der Straße in meinem Traum ziemlich ähnlich, aber in meinem Traum war es Frühling gewesen und das hier war definitiv Winter, kalt, Schnee.
Keine Sorge, Melina. Das ist nicht die Straße aus deinem Traum, das bildest du dir nur ein.
Sollte ich jetzt etwa vor jeder langen Straße Angst haben, nur weil sie in Etwa ähnlich aussehen? Mit mir nicht, vergiss es.
Entschlossen ging ich die Straße weiter und zog Chloé an meiner Hand mit. 
Marilyn wirkte ziemlich traurig. Sie hatte ihr Messer in der Hand und ging ein ganzes Stück vor uns. 
Ich eilte zu ihr und zog Chloé mit. 
Ich nahm sie an die Hand. Sie schaute mich verwundert an, doch ich nickte nur.
Sie sollte sich nicht alleine fühlen.
„Michael.“, murmelte sie leise und richtete ihren Blick zu Boden.
„Hast du was gesagt?“, fragte ich sie verwundert und blieb stehen.
„Ich mochte Michael, er hat mir etwas bedeutet, er war der Einzige, der mich richtig glücklich gemacht hat seit mein Mann tot ist, mal abgesehen von … das ist was anderes.“
Ich wusste dass sie Ricky sagen wollte, doch sie konnte es nicht aussprechen.
„Michael ist vielleicht gar nicht tot?“, munterte ich sie auf.
„Wieso glaubst du daran, dass Michael lebt, aber gibst nicht zu, dass Toby auch noch leben könnte?“ 
Das war ein glatter Schlag ins Gesicht. Ich bin bei mir selbst einfach nicht optimistisch. 
Ich kann das nicht. Seit mein Opa vor 3 Jahren gestorben ist, hab ich einfach kaum noch Hoffnung. 
Er damals sehr krank gewesen, ich hatte meinen Opa sehr geliebt und gehofft, geweint und gebetet, dann kam der Schlag ins Gesicht. Er ist gestorben und meine ganze Hoffnung mit ihm.
Ich erwiderte nichts auf Marilyns Frage.
Mir kullerte eine Träne die Wange herunter, doch ich ging stur gerade aus.
„Tut mir leid, Melina.“, sagte sie.
Ich nickte nur.
Ich konnte und wollte einfach nicht viel sagen. 
Meine einzige Hoffnung auf einer Besserung der Welt war Toby gewesen und nun ist er fort.
Sie klopfte mir tröstend auf die Schulter, wobei ich zugeben musste, dass es nicht wirklich half.

Wir gingen noch eine ganze Weile. Es wurde immer später und diese verdammte Straße wurde anscheinend immer länger. 
Wo wollten wir eigentlich hin?
„Wir sollten uns ein Lager für die Nacht suchen.“, rief mir Marilyn zu und deutete auf eine Häuserreihe, die ziemlich sicher aussah, doch es brauchte noch eine Weile bis wir endlich da waren.
Ich stöhnte auf. Der Rucksack wurde mit jedem Schritt immer schwerer, doch nicht mal Chloé hatte sich über das viele Gehen beschwert, also würde ich auch keinen Mucks von mir geben.
„Wir sind fast da haltet noch eine Weile durch.“
Sah man mir das wirklich an?
„Oh!“, rief Marilyn und deutete auf eine Gruppe Beißer die am Rande der Straße stand.
Es waren vielleicht 5, eigentlich kein Problem für uns 3, aber wir waren alle drei so müde.
„Kommt schon! Das packen wir.“
Mit Optimismus hob ich mein Messer und gab Chloé einen sanften Stoß. Sie hatte jetzt ebenfalls ein Messer in der Hand und machte sich bereit.
„Also dann.“
Wir gingen auf die Gruppe zu und natürlich wurde sie direkt auf uns aufmerksam.
2 wankten stöhnend auf mich zu. Den einen brachte ich perfekt zu Boden.
Gar nicht zu schwer.
Doch ich hatte mich gerirrt und es viel zu leicht genommen. 
Der 2 stürzte auf mich drauf. Die anderen beiden konnten mir nicht helfen. 
Chloé war mit einem in ihrem Zustand schon überfordert und Marilyn hatte gerade ebenfalls mit 2 zu kämpfen.
Super ich werde sterben.
Ich zappelte auf dem Boden herum, der stinkende Beißer über mir der mir immer wieder gefährlich nah kam.
Kreischend drückte ich ihn von mir weg. 
An mein Messer kam ich nicht dran, verdammt!
Ich brach in Tränen aus und drückte ihn immer wieder von mir weg.
Mittlerweile bohrten sich meine Finger schon in das vergammelte Fleisch des Beißers.
„Hilfe!“, schrie ich, mittlerweile heiser und kniff meine Augen zusammen.
Wenn ich jetzt sterben würde, dann wollte ich wenigstens nicht dabei zuschauen.
Und wie aus einem Wunder, wurde das Gewicht auf mir leichter, verschwand sogar.
Verwundert riss ich meine Augen auf und starrte ihm direkt ins Gesicht.
Toby.
Ich schrie vor Freude. Er half mir auf und zog mich in seine Arme.
Ich brach in Tränen aus und klammerte mich an ihn.
Hoffnung, es gab wieder Hoffnung. Er war da und er konnte mich wieder beschützen.
Ich lugte an ihm vorbei um auch meinem Vater vor Freude in die Arme zu fallen, aber er war nicht da…
„Melina.“, er machte eine kurze Pause. „dein Vater ist tot.“
Ich realisierte erst gar nicht was er gesagt hatte. Hatte ich mich verhört?
Machte er einen Witz? 
„Was?“, fragte ich belustig.
„Das ist kein Witz.“
Ich brach zusammen. Erst kamen die Tränen, dann konnten mich meine Knie nicht mehr halten. 
Schreiend klammerte ich mich an Toby.
Ich ließ mich auf den Boden fallen und rollte mich zusammen.
Das konnte und durfte nicht sein.
Mein Vater, tot?
Toby beugte sich über mich und zog mich an sich.
Ich zitterte. 
„Melina, es wird ab jetzt alles gut. Ich pass auf dich auf.“
Ich wimmerte nur. 
Er nahm mich auf den Arm und trug mich in ein Haus, glaube ich.
Ich bekam nichts mehr mit.
Wie in einem Traum gefangen, doch ich wusste, es war kein Traum.
Das hier war die Realität, die von Beißern übernommen und gestürmt wurde.
Brutal, grauenvoll und schnell.
Ich hatte nie wirklich die Zeit mich von meinem alten Leben zu verabschieden. Mich in irgendeiner Art und Weise darauf vor zu bereiten.
Ich wurde reingeschubst und auf das schlimmste Belastet, dachte ich.
Doch jetzt war mein Vater tot. Einer der Menschen, der mir am meisten bedeutet hatte.
Es war schlimmer als der Tot meiner Mutter, warum wusste ich auch nicht.
Ich glaube es liegt daran, dass ich ihn nicht miterlebt habe, und dass ich mich nicht von ihm verabschieden konnte. Das Einzige woran ich mich erinnere, ist dieses Lächeln, was er mir geschenkt hatte bevor wir ins Zentrum gegangen sind. 
Ein letztes Lächeln.

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