Kapitel 22: Beißer auf einem Berg

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„Halt!“, schrie Aiden.
Es ertönte ein Schuss. Erschrocken drehte ich mich zu den Männern und Mary um. 
„Aiden!“, schrie ich. 
Aiden hatte einen der Männer, von dem ich den Namen nicht kannte, angeschossen.
Er lag jetzt gekrümmt auf dem Boden und hielt sich den Bauch.
„Wie kannst du ihn anschießen?! Wir hatten einen Deal! Das Mädel hier und Toby gegen Mary.“
Aidens Gesicht war von Wut verzerrt. 
Jeff kniete sich zu seinem Begleiter nieder und fühlte, ob er noch Puls besaß. 
„Er ist tot! Arschloch!“ 
Jeff schnellte wieder hoch, ging wütend auf Aiden zu und verpasste ihm einen Schlag ins Gesicht. Aiden hatte anscheinend damit gerechnet, denn er war eiskalt stehen geblieben.
Jeff ging eilig hin und her und schnellte dann plötzlich auf Mary zu. 
Sie bekam eine Ohrfeige.
„Hast du nun was du wolltest? Wir hätten das alles schön regeln können.“ 
Mary verzerrte das Gesicht zu einem stummen Schrei und ihre Wangen wurden feucht. Sie weinte vor Schmerz.
„Gib uns Mary wieder zurück!“, schrie Aiden. Marys Vater versuchte Aiden zu beruhigen.
Wie zur Hölle konnte er so ruhig bleiben? Es war seine Tochter.
„Weißt du was ich von dieser Idee halte?!“ 
Niemand, hätte erwartet, was jetzt kam. Ich registrierte es gar nicht. Irgendwie ging es an mir vorbei. Den Schuss bekam ich einfach nicht mit. Ich war wie paralysiert. 
Mary lag plötzlich auf dem Boden.
Marys Vater schrie. Mary blutete am Kopf. 
Ein glatter Schuss, durch den Kopf.
Sie war nun endgültig tot.

Das war vor 2 Monaten, wie die Zeit vergeht. Man bekommt alles gar nicht mehr wirklich mit. Die Zeit fliegt an einem vorbei. Man tötet von Tag zu Tag Beißer und mittlerweile ist es wie Hausaufgaben machen. Jeff wurde von Aiden höchstpersönlich erschossen. 
Verdammt, Aiden ist so ein Arschloch. 
Hätte er nicht geschossen, wäre Mary vielleicht noch am Leben…
Obwohl wäre sie das? Diese Typen hätten sie doch umgebracht oder? 
Trotzdem, ich sprach nicht mehr mit ihm. Es war mir einfach zu viel.
Ich gähnte und streckte mich. Ich lag mal wieder in einem Zelt, irgendwo in einem Wald, neben Toby. 
„Huch?“, sagte ich als sich Toby plötzlich bewegt hatte.
„Guten Morgen.“, meinte er und lachte scherzhaft.
Ich schlug ihn sanft am Arm.
„Man kann doch mal Späße machen oder?“, fragte er mich und schaute mich mit einem Dackelblick an. 
Ich nickte.
„Außerdem ist jeder Morgen mit dir schön.“, sagte er sanft und gab mir einen Kuss auf die Wange.
„Das klingt unglaublich kitschig.“, sagte ich etwas trotzig und rappelte mich auf.
„Wir müssen heute weiter.“, ergänzte ich mich und lugte aus dem Zelt. 
Die anderen waren schon auf den Beinen.
Ich guckte zu dem Zelt von Marys Vater rüber. Er schien damit klar zu kommen.
Aber wirklich fröhlich wirkte er nicht, irgendwo ja verständlich.
Marys Vater hatte Mary verloren und ich meinen Vater. Irgendwie unfair, und zwar beide Konstellationen.
Mir war sowieso aufgefallen, dass wir einige Leute verloren hatten.
Die erste Person war, …, Lisa oder? Ich kannte sie kaum. Sie war irgendwie kurz da und dann auch wieder nicht. 
„Melinchen?“, rief Toby spöttisch aus dem Zelt und ich spürte wie er mich versuchte aus dem Zelteingang zu drücken.
„Was, ja ich geh ja gleich raus.“, antwortete ich total perplex und kroch aus dem Zelt. 
„Danke.“, meinte Toby und zog mich an sich heran.
Als ich die Blicke der anderen bemerkte, drückte ich ihn von mir weg.
„Mit Rücksicht auf die anderen… Aiden, Harper undso…“, flüsterte ich und guckte Toby dabei an.
„Und was ist mit Marilyn und Michael? Seit die ein Paar sind, kleben die doch aneinander!“, zischte Toby wütend zurück und guckte böse zu den Beiden, die sich schon wieder mal in den Armen lagen. 
„Du hast schon recht.“, meinte ich und biss mir auf die Unterlippe.
„Macht schon!“, rief Harper entrüstet und auch ein wenig genervt.
„Siehst du.“, sagte Toby und zog mich an sich heran.
Wir küssten uns eine Weile lang, bis ich ihn erneut weg drückte und ihm zunickte.
Er ließ meine Hände los und stapfte in Richtung von Toms Zelt. (Tom, Marys Vater)
Ich gesellte mich zu Harper die gar nicht fröhlich wirkte und biss mir erneut auf die Unterlippe.
„Kannst du das bitte lassen?“
„Was?“, fragte ich entsetzt und auch mal wieder völlig perplex.
„Diese Rücksicht auf uns. Klar wir haben alle Leute verloren, aber das ist lange kein Grund, dass ihr euch nicht lieben dürft! Genieß es einfach so lange du noch kannst. Und bitte hör auf dir auf die Unterlippe zu beißen!“, fuhr sie mich an und stapfte wütend davon.
Ich lächelte ihr schwach hinterher und schüttelte verwirrt den Kopf.
„Leute, verdammt! Kommt her!“, rief Toby mit lauter Stimme und machte eine aufgeregte Handbewegung. 
Er stand immer noch an Toms Zelt. Ich fing an mir Sorgen zu machen, er war in einem miserablen Zustand und ich hoffe einfach mal, dass er nicht das getan hatte, was ich vermute. Bitte nicht.
Ich eilte zu Toby und klammerte mich an seinen Arm.
„Mel, das wird dir so was von überhaupt nicht gefallen.“
Verdammt, bitte nicht.
Ich lugte an Toby vorbei ins Zelt und schrie los.
Meine Vermutung hatte sich bestätigt und das war das einigste, was ich nicht wollte.
Tom hatte sich umgebracht, mit einem Messer, glatt durch den Kopf, so, dass niemand etwas mitbekommen hatte.
Niemand hatte sich von ihm verabschieden können. Er hatte alles verloren was er hatte und nun hatten auch wir ihn verloren.
Ich fing an zu weinen.
Ich drehte mich um und ging zu einem Stein um unsere Lagerfeuerstelle.
Verzweifelt legte ich meinen Kopf in den Schoß und weinte einfach.
Wieder eine Person weniger, wieder eine Person, die ich von unserer Gruppenliste streichen konnte.

Toby, Aiden, Harper, Marilyn, Michael, Chloé, Jessika, Tobys Vater und ich. Wir waren 
Diejenigen die noch lebten.
„Uff.“, machte ich und stützte mich auf meinen Beinen ab, als wir gerade dabei waren, einen Berg hochzugehen.
„Mach nicht schlapp.“, meinte Aiden und klopfte mir auf den Rücken.
Ich schenkte ihm keinen Blick, wusste aber genau, dass Toby, Aiden wütend anschaute.
„Ich meinte ja nur.“, sagte Aiden und ging ein paar Schritte vorraus.
„Tragen kann ich dich leider nicht, wegen dem Rucksack.“, meinte Toby.
Als ich zu ihm hochblickte verzog er seinen Mund zu einem Lächeln.
Ich nickte und atmete schwer.
Wir gingen seit Tagen diesen scheiß Berg hoch.
Wozu? Weil eventuell oben keine Beißer waren und es sicher war.
Ich atmete tief aus und ging dann mit schweren Schritten weiter.
Toby nahm mich an die Hand und zog mich hinter sich her.
Ich muss ehrlich sein, ich bin kaputt. Dieses Leben ist einfach nichts für mich.
„Wir sind fast da.“, meinte Harper aufmunternd und klopfte mir ebenfalls auf den Rücken.
Sie hatte gut Reden, sie hatte auch keinen schweren Rucksack auf dem Rücken, außerdem hatte sie Audauer, was ich irgendwie nicht besaß.
In Sport war ich immer die schlechteste gewesen. Jede einzelne Sportstunde war, ein neuer peinlicher Moment meines Lebens gewesen.
Aber egal. Jetzt könnte ich gut Ausdauer gebrauchen.
Ich ließ meinen Blick auf dem Boden ruhen und entdeckte ein paar Blumen, hinter einem großen Stein. Ihr Anblick, motivierte mich und gab mir ein kleines Bisschen Hoffnung. Sie waren so unglaublich schön.
Wir näherten uns immer mehr diesen Blumen und ich entdeckte etwas hinter den Blumen, was meine Stimmung von Hoffnungsvoll und Motiviert zu Ängstlich und Deprimiert umschlagen ließ.
Dahinter lag ein, noch lebender Beißerkopf und das, wenn wir mal ehrlich sind, ist kein gutes Zeichen.

„Toby.“, sagte ich beunruhigt und zeigt auf den Beißerkopf, der jetzt nah bei meinen Füßen war. Angeekelt guckt ich weg.
„Guck weg.“, meinte er und stach ihm in den Kopf.
Sofort hörte das Klappern der Zähne auf.
Verunsichert guckte ich zu Toby, der jetzt auch sehr verunsichert schaute.
„Leute, passt mal ein bisschen besser auf die Umgebung auf.“
„Ach ich dachte hier wäre es sicher?“, meinte Aiden spöttisch und kickte immer mal wieder ein paar Steine weg. 
„Passt einfach auf!“, meinte Toby entrüstet und erhob seine Waffe.
Auch ich machte mich bereit. 
Aiden sollte seine Späßchen noch bereuen, wie auch der Rest der Gruppe.

Als wir oben ankamen, stockte uns allen der Atem. Es war unbeschreiblich.
Beißer, haufenweise Beißer.
Es war ein Wunder, dass sie uns nicht gleich bemerkten. Aber ich hatte mich zu früh gefreut.
Einer der Beißer bemerkte uns und steuerte auf uns zu.
Ich machte mich bereit weg zu rennen und schrie Toby etwas zu.
„Rennt schon mal vorraus! Ich komm nach!“, antwortete er mir und versuchte die Beißer von uns ab zu halten, damit wir rennen konnten.
„Toby bitte! Komm jetzt!“, schrie ich ihm zu und schickte Chloé schon voraus.
„Melina, ich komm gleich nach, mach dir keine Sorgen!“
Ich schaute ihn mit besorgtem Blick an und drehte mich dann ebenfalls um, um zu rennen.
Bitte lass Toby nichts zustoßen.
Als ich rannte, breitete sich ein starker Schmerz in meinen Oberschenkeln aus. 
Ich bremste mein Tempo etwas ab und blickte zurück.
Toby war nicht hinter mir.
Verdammt, Toby!
Doch ehe ich mich versehen kann stolpere ich über einen Stein und falle der Nase nach hin.
Ich spürte einen stechenden Schmerz in meinem Fuß und rappelte mich wieder auf, jetzt konnte ich nur noch humpeln.
Ich sah vor mir eine kindliche Gestalt im Gras und erschrak als ich sah, dass es Chloé war.
Mit großen Schritten versuchte ich schnell zu ihr hin zu kommen und kniete mich sofort nieder als ich bei ihr war.
Ich fühlte ihren Puls, sie lebte also noch. Puh.
Mal wieder schaute ich zurück und sah, dass Beißer vom Berg oben jetzt herunter gewankt kamen und direkt auf uns zu steuerten.
Schnell nahm ich Chloé auf den Rücken und schaute mich um.
Ich sah niemanden von unserer Truppe. War ich etwa in die falsche Richtung gerannt?!
Egal. Ich humpelte einfach in die Richtung, von der ich dachte, sie könnte die Richtige sein. 
In einen Wald, in dem eventuell noch mehr Beißer sein könnten.

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