Kapitel 16: Wiedersehen

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Wiedersehen

„Wir sollten unser Lager woanders hin verlegen. Es ist zu viel passiert… und ich bin vorhin fast einem Beißer in die Arme gelaufen, in der Nähe vom Camp.“ 
Ich streckte mich und gähnte. Ich lag in einem der Zelte und war auf meinem Tagebuch eingeschlafen. Wir waren nun schon seit 2 Wochen hier und ich hab immer noch nichts von meiner Gruppe gehört oder gesehen.
Ich seufzte und kroch aus dem Zelt wo Toby mit Aiden und Harper sprach. 
Er hatte Recht, in den letzten 2 Wochen ist nicht mehr viel passiert. Aber der Anfang war recht heftig. Wenn Toby vorhin einem Beißer in die Arme gelaufen ist, dann ist das kein gutes Zeichen…
„Guten Morgen.“, sagte ich und nahm die kleine Chloé in den Arm, die angerannt kam und sich in meine Arme warf. 
Wir hatten Taylor unter einem Baum in der Nähe des Waldes vergraben. Chloé war nicht dabei. Wir dachten sie würde es nicht verkraften, doch sie verkraftete es erstaunlich gut.
Mir erklärte sie ihr Verhalten, indem sie sagte sie würde in ihren Träumen Taylor treffen und mit ihm zusammen spielen. 
Irgendwie war das verdammt süß gewesen, dennoch auch unglaublich traurig. 
Sie ist so klein und zerbrechlich, wenn sie jetzt noch jemanden verlor der ihr nahe stand, dann würde sie komplett zusammen brechen. 
Ich beendete meinen Gedankengang indem ich Toby zustimmte: „Ja, ich denke auch es wäre gut, wenn wir weiterziehen. Grade ihretwegen.“
Ich nickte mit meinem Kopf in Richtung Chloé, die mit einer Puppe spielte, die wir ihr von einer Plündertour mitgebracht hatten. 
„Ich denke auch.“, meinte Harper, die vor 1 Woche noch dagegen war, wegen Leuten die zurück zum Camp kommen könnten, wie sie. 
„Gut, wäre das geklärt. Dann packt alles zusammen, wir ziehen heute noch weiter.“

Ich kam mir vor wie ein Nomade, als ich das Zelt einpackte und meinen Rucksack schulterte.
Zu fünft gingen wir in ein großes Tal hinab. Die Sonne war noch hoch am Himmel und wir hatten noch viel Zeit zum Laufen. Chloé klammerte sich an meine Hand und schreckte bei jedem kleinen Geräusch zusammen.
Immer wieder beruhigte ich sie und ich nahm mir vor, ihr würde ihr beibringen keine Angst mehr zu haben und sie soll sich selbst verteidigen können…
Toby ging es nun schon viel besser, er sah wieder einigermaßen aus wie früher und seine Prellungen waren verheilt. 
Ich muss zugeben, ich bin ein bisschen ungeduldig. Er wollte mich nicht in seinem verletzten Zustand küssen, aber was war mit jetzt? 
Wir konnten jeden Moment sterben ohne uns jemals geküsst zu haben. 
Über was für Sachen ich mir Gedanken mache und das zu so einer Zeit…
Ich runzelte die Stirn und spähte in die Ferne. Ich erblickte ein großes Haus, fast schon eine Villa mit Bauernhof. Wahrscheinlich war es nur ein ganz normaler Bauernhof, aber wenn man 2 Wochen in einem Zelt geschlafen hat, ist alles für einen eine Villa. 
„Hey! Da vorn ist ein Haus. Mit Bauernhof und allem. Vielleicht gibt es dort noch Sachen zum Plündern?“, fragte ich in die Runde und schaute einen nach dem anderen an.
„Gute Idee, aber ich könnte mir vorstellen, dass dort auch gerne Beißer hausen.“, wizelte Aiden und grinste mich an.
Genervt rollte ich mit den Augen und schaute Toby an. 
„Ich denke wirklich, dass es eine gute Idee ist. Wir müssen allem eine Chance geben und es wird bald dunkel. Mit Chloé können wir nicht lange so umher ziehen.“
Dankend schaute ich Toby an. Harper beteiligte sich nicht am Gespräch sondern ging einfach auf das Haus zu.
Jetzt rollte Aiden die Augen, ich erwiderte seinen Blick mit einem siegreichen Grinsen.
Das Haus des Bauernhofes stand auf einem kleinen Hügel, nur umgeben von dem großen Tal, durch das wir jetzt den ganzen Tag gewandert sind.
Auf dem Hof wirkte es recht ruhig und ehrlich gesagt konnte ich mir schlecht vorstellen, dass hier Beißer hochkamen, hatten sie kein Ziel wandern sie nicht einfach eben nen Berg hoch. 
„Kommt schon mit ins Haus.“, meinte Aiden und ging vorsichtig zur Tür.
Genervt nickte ich und schlich vorwärts. Ich befahl Chloé leise zu sein und keinen Mucks zu machen.
Ich schaute durch eines der Fenster und entdeckte, dass eine Laterne im inneren des Hauses brannte.
„Toby, Aiden, in dem Haus brennt Licht. Hier ist oder war jemand.“
„Umso besser!“, meinte Aiden und öffnete vorsichtig die Tür.
Er ging leise vorwärts und checkte die Lage. 
Ohne auf das Obergeschoss zu achten, schmiss er sich auf eines der Sofas und wickelte sich in eine Decke.
„Der spinnt wohl. Falls hier Beißer sind…“, zischte ich Toby zu. 
Harper und Chloé blieben ebenfalls unten während ich und Toby die Treppen bestiegen und in das Obergeschoss gingen. 
Ich hörte ein leises Klopfen und hielt den Atem an. 
Toby warf mir einen viel sagenden Blick zu und schlich zu einer Tür. Er öffnete sie leise und trat in das Zimmer. 
Seine Augen weiteten sich und er fing an zu grinsen.
Ich eilte zu ihm und reagierte ebenfalls gleich. 
Vor uns standen Mary, ihr Vater, Marilyn und Ricky. 
Doch meine Freude sprang sofort wieder in Enttäuschung um. Es waren NUR Mary, ihr Vater, Marilyn und Ricky. 
Michael, Jessika, Herr Meyer und mein Vater fehlten…
Mir stiegen Tränen in die Augen, sie waren wahrscheinlich…
Ich schluckte und sah Marilyn an. Ich warf mich in Tobys Arme, der jetzt ebenfalls genauso geschockt war wie ich. 
„Melina, sie leben bestimmt. Wir haben uns alle irgendwie getrennt. Er lebt! Wir wurden von einer großen Herde Beißer überfallen, aber ich hab gesehen wie alle davon kamen.“ 
Wie ich gedacht hatte, die große Horde Beißer hatten auch sie erwischt. Ich konnte nur hoffen für ihn und den Rest. 
„Ich bin so froh, dass ihr lebt.“, sagte ich und löste mich aus Tobys Armen. Ich ging auf Marilyn zu umarmte sie und dann die anderen. 
„Wir sind auch froh zu sehen, dass ihr lebt. Als wir ankamen, sahen wir wie ihr weg wart und wir haben das viele Blut gefunden, wir dachten ihr wärt tot. Dein Vater, Melina, war völlig fertig.“ 
„Komm mit runter. Wir haben noch 3 Leute die wir euch vorstellen müssen. Sie haben uns verpflegt und uns wieder auf die Beine geholfen. Wir erzählen euch unten was in dem Haus passiert ist.“, sagte ich, nahm Toby an die Hand und ging mit ihm die Treppe runter. Die anderen folgten und ich spürte Marys Eifersüchtigen Blick in meinem Rücken. Sie hatte mir mal im Eifer des Gefechts verraten, dass sie auf jeden fall einen Freund vor mir möchte, lächerlich, dass sie noch an so was denkt. 

Unten im Wohnzimmer ernteten wir überraschte Blicke Aidens, Harpers und Chloés.
„Hallo, wir sollten uns erstmal vorstellen.“, sagte Marilyn glücklich ließ sich nieder und erzählte.

„Das ist so schön, dass ihr euch wieder gefunden habt!“, sagte Harper glücklich, doch ich bemerkte ihren Unterton, sie dachte dabei auch an Ethan, ihren Freund.
Mary und Aiden tauschten immer wieder viel sagende Blicke. 
Ich kuschelte mich an Toby und spürte wie er mir einen Kuss auf den Kopf gab.
Ich schloss die Augen, während Harper unsere Geschichte erzählte, überraschenderweise konnte sie sich noch an alles erinnern, was wir ihr von Toby und mir erzählt hatten.
Als ich meine Augen wieder öffnete sah ich wie Chloé, Ricky interessiert musterte und als es komplett still geworden war, sagte sie: „Ich kenn dich Ricky. Du warst auf meiner alten Schule oder?“
Überrascht und völlig aus meiner Tiefenentspannung gerissen, saß ich da und starrte sie an. 
Sie kannte Ricky?!
„Klar, wir sind im selben Jahrgang.“, sagte er lockerflockig als wäre es nichts. 
Und ganz plötzlich hatten sie ein Gesprächsthema, was anscheinend nicht jedem gut tat. 
Sie redeten über ihre Schule und den Stoff den sie als letztes behandelt hatten, ihre Lieblingslehrer, Fächer und so weiter.
Man merkte, wie die Stimmung in der Runde wieder sank. 
Jeder dachte anscheinend über das Leben „früher“ nach. Ich muss zugeben, selbst ich denke gerade daran.
An meine Abiturprüfung, ob ich sie jemals schreiben werde? An mein Studium, welches ich nach dem Abschluss machen wollte. An ein Leben mit Familie, meiner Mum und meinem Dad als Großeltern. 
Anscheinend hatte ich während des Überlegends angefangen zu weinen, denn jeder in der Runde starrte mich an.
Toby erhob sich nahm meine Hand und führte mich weg. „Wir sind schlafen. Gute Nacht.“
Er lächelte bevor er ging und führte mich in eines der Schlafzimmer im Obergeschoss.
„Was ist los?“, fragte er besorgt und wischte mir die Tränen weg.
„Ich hab nur zu viel nachgedacht. An mein 'altes´ Leben.“
„Hey, über so was denkt man nicht nach. Wir leben jetzt und hier. Altem nachzutrauern macht alles nur noch viel schlimmer.“
Ich richtete meinen Blick gegen den Boden. 
Toby hob mein Kinn, neigte sein Gesicht zu meinem, legte seine Lippen auf meine und küsste mich. 
Total überrascht und überrumpelt erwiderte ich ihn und es fühlte sich richtig an.
Dass er und ich hier waren, fühlte sich so absolut richtig an, es gäbe nichts, was in diesem Moment richtiger sein könnte, als er und mich. 
Der Kuss dauerte eine gefühlte Ewigkeit und irgendwann löste er sich schweren Herzens von mir. 
„Tut mit leid, ich konnte einfach nicht mehr warten, bis es perfekt ist. Wir haben eine begrenzte Zeit, das ist mir klar geworden, als wir Taylor begraben haben. Wir leben hier und jetzt. Wenn wir warten, ist es vielleicht irgendwann zu spät.“
Ich schüttelte den Kopf wollte sagen, dass der Kuss immer perfekt sein würde, egal wo wir waren, Hauptsache ist, es ist ein Kuss mit ihm, doch er legte erneut seine Lippen auf meine und küsste mich erneut. 
Es war so. Wir lebten nur hier und jetzt. Wir mussten nehmen, was wir kriegen konnten.

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