Kapitel 14: Burgen aus Matsch und Sand

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Burgen aus Matsch und Sand

Toby und ich lagen nebeneinander im Zelt und schwiegen.
Ich dachte nach.
Wo ist der Rest der Gruppe? Wo ist mein Vater? Marilyn? Mary? Der Rest?
Wo waren sie? Ich machte mir unglaubliche Sorgen, war aber froh nicht allein zu sein.
Dass Toby bei mir war, war pures Glück. Sie hätten ihn totschlagen können. Plötzlich unterbrach Toby meinen Gedankengang.
„Mel? Wieso eigentlich Mel?", fragte er sich und stellte die Frage auch mir.
„Ich weiß nicht. Es ist einfach so rausgerutscht. Ich hab mir Sorgen um alle gemacht, insbesondere dich."
„Wieso sagst du nicht, dass du Melina heißt?"
Die Frage war gut, aber ich wusste eine Antwort. Ich hatte schon lange darüber nachgedacht.
„Naja, die Welt hat sich verändert. Es ist keine Zeit mehr für lange Namen. Melina ist nicht lang aber Mel ist halt kürzer. Außerdem mag ich meinen Namen nicht."
„Du magst deinen Namen nicht? Ernsthaft?", lachte Toby und grinste.
„Ja. Ich finde ihn irgendwie doof. Aber findet nicht jeder seinen Namen irgendwie doof?"
„Klar. Warum meinst du heiße ich Toby?", fragte er mich scherzend.
„Dein Ernst? Dein ganzer Name ist gar nicht Toby?"
„Es ist keine Zeit für lange Namen."
Schmollend guckte ich ihn an. Ich war nun seine Freundin und trotzdem wusste ich nicht mal seinen ganzen Namen.
„Ich heiße eigentlich Tobias.", meinte er und fügte hinzu: „Bist du jetzt beleidigt?"
„Ich bin deine Freundin und wusste nicht mal deinen richtigen Namen, klar bin ich beleidigt."
Grinsend streckte ich ihm die Zunge raus.
„Ach man. Und ich dachte du wärst echt beleidigt."
Ich grinste ihn an und sah in seine Augen.
Es war eine so harmonische, schöne Situation und Stimmung, man konnte gar nicht glauben, dass außerhalb dieses Zeltes die Welt untergeht. Beißer die umher wandern.
Kein Dad der Zuhause am Herd stand und Spiegeleier brät. Kein normaler Campingausflug.
Ein Überleben gegen den Tod. Die Angst davor zu sterben und zwar die ganze Zeit, selbst während man schläft. Früher hatte man vor einer mickrigen Spinne Angst, die plötzlich mitten in der Nacht an der Zeltwand saß und sich langsam abseilte.
Das hier, war schlimmer, als ich mir hätte je denken können.
„An was denkst du?", fragte er mich und bemerkte, dass ich in Gedanken versunken war.
„Eh nichts.", lächelte ich fröhlich und fügte hinzu: „Ich geh mal nach Chloé und Taylor gucken, ich guck auch mal ob Harper und der Rest wieder da sind."
Als ich mir erheben wollte und aus dem Zelt gehen wollte sagte Toby:
„Pass auf dich auf."
Ich winkte ab.
Ich kam ja bald wieder, ich schaute nur nach ob draußen alles okay war. Ich würde nicht plündern gehen oder sonstiges.

Draußen spielten Chloé und Taylor in der Nähe eines Waldes und beschmissen sicht gegenseitig mit Dreck.
Aiden sah ihnen zu und lächelte.
Ich wollte auf die Beiden zu gehen und sie fragen ob alles okay war, doch Aiden winkte mich zu sich.
„Was ist los?", fragte ich und schaute ihn verwundert an.
„Pass mal auf die Beiden auf. Ich geh rein und leg mich hin."
„Du weißt schon, dass du eigentlich auf mich aufpassen solltest?"
„Du hast doch ihn.", meinte Aiden und nickte mit dem Kopf in Richtung Zelt, indem Toby lag.
„Ich will Toby nicht beleidigen aber in seinem Zustand. Du hast ihn doch vorhin gesehen! Er könnte mich niemals beschützen, in dem Zustand in dem er ist."
„Komm schon. Ich bin müde."
Ohne auf eine Antwort zu warten bückte er sich und kroch in eines der Zelte.
Fassungslos stand ich da und starrte ihm hinterher.
Ich schaute zu Chloé und Taylor die jetzt anfingen Burgen aus Dreck zu bauen.
Chloé bemerkte mich und rannte auf mich zu.
„Mel! Schau was wir gebaut haben! Ist das nicht toll?"
Mit Begeisterung nahm sie mich an die Hand und zog mich zu einer der Burgen.
Ich lächelte und erinnerte mich an mein 6. Lebensjahr. Ich und meine damalig Beste Freundin hatten ebenfalls Burgen aus Sand und Dreck gebaut und sie stolz unseren Eltern präsentiert.
Als sie dann jeder erdenkliche Mensch, eingeschlossen unsere Nachbarn, gesehen hatte artete es zu einer riesigen Schlammschlacht aus, an der jeder teilnahm sogar unsere Eltern.
Verrückt.
„Mel! Willst du mithelfen und meine Burg stark machen gegen den bösen König Taylor?"
Was solls, wenn ich bei ihnen bin, kann ich auf sie noch besser aufpassen als wenn ich nur zuschaue.
„Klar wieso nicht! Aber, ich bin nicht parteiisch."
„Was heißt parteiisch?", fragte Chloé mich und schaute mich mit großen Augen an.
„Parteiisch ist, wenn jemand einseitig für oder gegen jemanden ist. Also wenn ich zu dir halten würde, wäre das unfair gegenüber Taylor. Verstehst du?"
Sie nickte und sagte: „Dann sag uns welche Burg schöner ist und welche stärker ist."
„Das kann ich erst beurteilen, wenn ihr fertig seid."
„Okay!", meinten beide und bauten weiter eifrig an den Burgen.
„Ich hab einen Vorteil! Ich hab vorhin etwas gefunden, was meine Burg zu der schönsten der Welt machen wird!", sagte Taylor und ging von seiner Burg runter.
Ohne, dass ich bemerkte, was er vorhatte lief er in den Wald und war verschwunden.
„Scheiße, Taylor!"
Ohne überhaupt darüber nach zu denken, dass Chloé mir folgen könnte oder dann ganz alleine im Camp war, lief ich Taylor hinterher und rief nach ihm.
Scheiße, wenn ihm etwas passierte, war es meine Schuld. Wieso ist Aiden so ein Dummkopf?
Es war seine Aufgabe auf die Kleinen aufzupassen. Vielleicht war Chloé ja so intelligent und ist zu Aiden gerannt.
„Taylor!", rief ich und rannte.
Ich hatte mal wieder überhaupt nicht an meinen Fuß gedacht und stürzte.
„Scheiße!", zischte ich und versuchte mich aufzurappeln.
„Mel?!", rief mich eine vertraute Stimme und ich drehte mich instinktiv um.
Ich sah zwischen den Bäumen Toby auf mich zu kommen. Er hatte Chloé an der Hand und humpelte auf mich zu.
Oh man, scheiße. Er in dem Zustand, im Wald. Toll.
„Du darfst nicht hier draußen sein! Du, in deinem Zustand!"
„Dein Fuß ist verletzt, Mel. Du bist nicht besser."
„Das ist doch jetzt total egal! Aiden sollte auf die Beiden aufpassen und jetzt ist Taylor weg!"
„Scheiße Aiden."
Panisch schaute ich mich um, wenn Taylor einem Beißer in die Arme läuft, dann....
„Taylor!", schrie ich und rannte weiter in den Wald rein.
Toby folgte mir humpelnd, immer noch mit Chloé an der Hand.
Wieder stürzte ich und hielt mir den Fuß.
Mein Fuß begann wieder das Schmerzen, ich hatte mich an einem der Äste geschnitten und das Blut floss wieder.
Tränen stiegen mir in die Augen. Verzweifelt schrie ich immer wieder Taylors Namen.
„Mel! Wir müssen zurück. Wir suchen gleich weiter nach Taylor. Aber wir müssen Chloé zurück bringen."
„Taylor ist hier irgendwo. Das weiß ich.", verzweifelt wischte ich mir die Tränen weg, die jetzt über meine Wangen rollten.
„Komm Mel. Wir suchen gleich weiter."
Ich ließ mich von Toby stützen, der immer wieder selbst vor Schmerz stöhnte.
Wir kamen langsam wieder zurück ins Lager und trafen auf Aiden.
„Kann man hier nicht einmal schlafen?!"
„Das ist deine verschissene Schuld, Aiden! Wegen dir ist Taylor weg! Es war deine Aufgabe, auf die beiden aufzupassen. Du Arschloch."
Toby ließ mich auf einer Decke um den Lagerfeuerplatz sinken und ließ Chloé los.
Sie kroch schnell in eines der Zelte. „Sie hat Angst.", sagte ich verbittert und hielt mir den Fuß.
„Wessen Schuld ist das? Du solltest auf die beiden aufpassen, während ich schlafe!"
„Halt die Klappe! Es war deine Aufgabe! Harper hat sie dir gegeben! Du kannst nicht einfach Aufgaben weiter geben."
Ich zeigte ihm den Mittelfinger und hielt mir wieder den Fuß.
Er tat so höllisch weh.
Chloé kam wieder aus dem Zelt und hatte Verbandszeug in der Hand.
Sie kam angerannt und schaute sich meinen Fuß an, dann desinfizierte sie ihn und verband ihn.
Total verwundert schaute ich sie an. Sie war 6? Wie konnte sie...?
„Meine Mama hatte mir das mal gezeigt, als ich 5 war. Ich hatte mir das Bein aufgeschürft und sie hat mir erklärt wie man es behandelt, weil ich Ärztin werden will."
Sie war so jung. Sie hatte so ein großes Ziel. Sie hat mir eben den Fuß behandelt!
Ich nahm sie dankend in den Arm und sagte: „Wir müssen Taylor suchen gehen."
„Du, du musst Taylor suchen gehen.", meinte Aiden und lachte auf.
Er war ja so ein Arschloch.
„Du hilfst uns verdammt!", brüllte ihn Toby wütend an und schnappte sich eine Waffe, die an einem der Zeltränder lehnte.
„Meine Schuld ist es jedenfalls nicht.", meinte Aiden und ließ sich seelenruhig sinken.
„Kotzbrocken.", murmelte ich und starrte ihn wütend an.
Ich wollte mich ebenfalls erheben doch Chloé schüttelte den Kopf.
„Harper, ist wieder da.", murmelte sie und starrte in eine bestimmte Richtung.
Ich sah wie Harper auf uns zu gelaufen kam, sie war voller Blut und sie trug Taylor.
Erschrocken schlug ich mir die Hände vor den Mund, mir stiegen Tränen in die Augen.
War er tot?

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