Kapitel 32: Liebes(un)glück

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„Was zur Hölle machst du hier?!!", schrie sie hysterisch.
Ich begann zu stottern.
„Du darfst nicht hier sein!", sie schrie immer weiter.
„Das ist mein Geheimnis, meins!"
Total erschüttert und erschrocken schaute ich sie an.
Was hatte ich hier aufgedeckt? Was verheimlichte sie?
Tränen stiegen ihr in die Augen.
„Du Miststück!"

Je mehr sie sagte, je mehr ihre Schreie durch meine Ohren drangen, desto erschrockener wurde ich.
Was machte sie so wütend? Die Tatsache dass ich ihre Kamera zerstört hatte oder etwas anderes?
Machte sie wütend dass ich das Bild gesehen hatte?
Ich starrte sie an.
Dieser Blick, ich würde ihn nie vergessen.
Wenn Blicke töten könnten...

Und plötzlich wie aus dem Nichts, es war ein Bruchteil einer Sekunde, hörte ich ein schlurfen, ein Keuchen.
Ein Beißer, verfallen, alt und stinkend.
Er kam total plötzlich. Wir beide hatten nicht damit gerechnet.
Es war zu spät ,sie versuchte sich noch zu retten, doch sie hatte ihm den Rücken zugekehrt.
Der Beißer hatte sein verfaultes Gebiss in Harpers Schulter vergraben.
Ich sah nur wie sie ihren Mund öffnete, einen Schrei hörte ich überhaupt nicht.
Wie benebelt betrachtete ich das Geschehen. Sie konnte sich nicht wehren.
Ich sackte zusammen. Was war hier gerade passiert?
Alles drehte sich.
Irgendwie schaffte ich es meine Pistole zu zücken und schoss. Ich ignorierte die Tatsache, dass der Schuss nicht gedämpft und somit laut war, hauptsache es hörte endlich auf.
Mir stiegen Tränen in die Augen.
Harper sah mich an, halb verblutet. Ihre Schulter war blutüberströmt.
Bevor ich etwas unternehmen konnte, zückte sie ohne zu zögern ebenfalls ihre Pistole, setzte sie an ihrer Schläfe an und flüsterte mir etwas zu:

„Du hast alles kaputt gemacht, ich hoffe du stirbst bald."

Dann fiel der Schuss. Mein Kopf dröhnte, ich konnte nicht realisieren, was passiert war.
Sie sackte vor mir zusammen, der Beißer bedeckte sie.
Ich ließ die Pistole fallen und richtete mich auf.
Mir ging es gerade alles andere als gut, doch bevor ich hier weg konnte musste ich schauen ob andere hier waren.
Ich ging in die kleine Kammer, aus der der Beißer gekommen war. Sie war leer. Ein paar Seile hingen an der Wand, und an ihnen eine Beißerhand.
Musternd betrachtete ich die Regale an der Wand, mir fiel etwas auf.
Ein kleines Notizbuch. Vielleicht war genau das, wovon Harper wollte, dass es niemand herausfand.
Mich streckend griff ich nach dem Notizbuch, doch es fiel herunter bevor ich es in der Hand hatte und heraus fiel .. ein Brief.
Bevor ich nachdachte faltete ich den Brief auseinander und begann zu lesen.

„Lieber Jayden,
Wie ich sehe, hast du meinen Brief gefunden.
Nun, ich bin tot, wie du wahrscheinlich bereits weißt.
Doch eigentlich will ich in diesem besonderen Brief nicht darüber reden, dass ich tot bin,
ich will dich erinnern. An all die schönen Momente die wir gemeinsam hatten, auch wenn die Zeit verdammt kurz war. Selbst wenn wir das alles überlebt haben, war die Zeit mit dir einfach viel zu kurz. Ich will dass du weißt dass ich dich über alles liebe. Ich liebe dich so sehr, dass es weh tut.
Bitte behalte mich als lebendig und lebensfroh in Erinnerung und nicht als tot und kalt.
Ich hoffe du wirst auch weiterhin glücklich sein und dein Leben wegen mir nicht total zerstören. Ich will dass du glücklich bist, weil ich dich liebe.
Leb wohl und hoffentlich in Frieden

Deine Harper"

Ich bemerkte gar nicht, dass ich angefangen hatte zu weinen, meine Tränen tropften auf das Papier und die Tinte verschwamm. Traurig schaute ich hoch zur Beißerhand.
War etwa das Jayden gewesen?

So zerstört ich auch war, ich klappte das Notizbuch auf und las weiter.

„Jayden und ich haben eine Fotokammer entdeckt. Wir lieben sie, endlich haben wir etwas, was nur uns gehört. Ich kann gar nicht aufhören ihn zu fotografieren."

Daneben klebte ein Bild von genau dem gleichen Jungen der auch vorhin im Vorraum an der Wand hing.
Es war also tatsächlich Jayden.
Ich biss mir auf die Unterlippe um meine Tränen zu unterdrücken.

„Wir waren heute den Rest des Einkaufcenters erkunden..."
Man merkte, dass sie zwischendurch die Feder abgesetzt hatte.
„.. es lief so furchtbar schief, ich will sterben."

Daneben ein weiterer Eintrag:
„Ich liebe ihn so sehr und ich vermisse ihn so sehr. Ihn anzusehen aber nicht anfassen zu dürfen ist so eine Qual. Die anderen wissen es nicht. Wenn sie es herausfinden bringen sie ihn um."

Danach hörte es auf.
Ich wollte auch gar nicht mehr weiterlesen.
Weinend ließ ich das Notizbuch fallen und rollte mich zusammen.
Alles was ich wollte war weg von hier.
Ich weinte und weinte.
Es war so furchtbar traurig.
Deshalb, sie dachte ich bringe ihn um.
Und jetzt ist sie selbst tot.

Es war so ungerecht. Und nach allem was ich mitbekommen hatte war ich auch noch daran Schuld, dass er tot war, Toby war abgelenkt, wegen mir und zack war es schon geschehen.
Und dennoch, nach all dem werde ich nie vergessen, was sie zu mir gesagt hatte, ihre letzten Worte.

„Ich hoffe du stirbst bald."

Nach einer Weile hörte ich Fußschritte, menschliche Fußschritte und ein aufgeregtes Keuchen.
Darauf ein flüstern: „Oh nein... Harper."
Es war Toby.
Er kam sofort angerannt.
Weinend zu einem Bündel zusammengerollt fand er mich auf dem Boden der Kammer vor.
Er nahm mich auf den Arm und trug mich aus der Kammer raus.
Vorbei an der toten Harper und dem toten Jayden.
Einem Paar, was ich nicht so schnell vergessen werde, auch wenn ich Jayden nicht kannte.
Harper war genau das geworden, was Liebe aus einem machte. Nach dem Tod Jaydens war sie durchgedreht.
Ich will mir nicht vorstellen wie es mir ergehen würde...
Langsam schloss ich meine Augen, meinen Kopf an Tobys Brust gedrückt, blendete ich alles aus.

Ruht in Frieden.

Dead DiaryWhere stories live. Discover now