~Kapitel 19~

46 5 10
                                    

Die Welt schien zu erbeben unter dem lauten Donner, der ohrenbetäubend erklang, die Wellen wurden zu riesigen Wänden, die drohten, das Schiff unter sich zu begraben, Blitze zuckten über den Himmel und der Regen peitschte in Strömen vom Himmel und auf das Schiff nieder.

Verzweifelt versuchte Enya, die Wellen vom Schiff fernzuhalten, sie zurückzuhalten, sodass sie nicht über das Segelschiff herfielen und es verschlangen wie ein Rudel hungriger Wölfe.

Doch auch wenn sie es zwar schaffte, die größten Wellen vom Schiff fernzuhalten, ein paar Wellen gaben nicht nach, sie waren zu gewaltig, zu groß zu wild, wie eine Gruppe wild gewordener Tiere, die sich einfach nicht zähmen ließen, so sehr sie es auch versuchte.

Das Holz auf dem Deck wurde immer nasser und rutschiger, das Wasser stand den dreien schon bis zu den Knöcheln, doch Enya schaffte es, es so zurückzuhalten, dass es nicht durch das Holz hindurch und in die unteren Etagen floss. Das Schiff war nicht mehr als ein Spielball der Wellen und wurde von diesen hin und her geworfen, während Enya einfach hoffte, dass es nicht kenterte.

Nun kam neben dem Regen und der Dunkelheit auch noch Nebel auf und die Sicht wurde noch schlechter. Verzweifelt drehte Enya den Kopf zu Neo und Ilyas, beide hielten sich an der Reling fest und waren genau wie Enya vollkommen durchnässt. Neos sonst so flauschiges, hellbraunes Haar klebte dunkel an seinem Kopf und in seinen Augen stand genau das geschrieben, was auch Enya fühlte: Angst. Ilyas sah etwas gefasster aus, er war aber auch sehr gut darin zu verstecken, was er fühlte.

Enya fühlte langsam, wie ihre Kräfte schwanden. Es war anstrengend, das Wasser so lang vom Schiff fern zu halten, doch Enya dachte gar nicht daran, jetzt aufzugeben. Entschlossen schloss sie ihre Augen, zwang sich, ruhig zu atmen, die Welt außen herum einfach auszuschalten und sich nur auf das Wasser um sich herum zu konzentrieren. Sie fühlte, wie die Tropfen sich ihren Weg über ihr Gesicht und ihren Rücken hinunter suchten, konnte jeden einzelnen von ihnen fühlen, als wäre sie einer von ihnen. Sie spürte die Tropfen in den Wellen um sich herum, die Tropfen auf der Haut von Neo und Ilyas, die Tropfen, die sich in der Wasserlache auf dem Boden um sie herum sammelten und die, die tief unter ihr im Meer waren und zusammen zu einer gewaltigen Masse verschmolzen. Von oben war das Wasser süß, das unter ihr und um sie herum war salzig, das auf dem Boden um sie herum war eine Mischung aus beiden, doch dennoch war alles Wasser.

Enya holte noch mal tief Luft, dann befahl sie den Wellen, wieder mit der Tiefe zu verschmelzen, zwang die Tropfen, sich niederzulegen. Ja, sie hatte die Kontrolle über das Wasser, das wilde Wesen des Wassers wich knurrend zurück. Sie konnte zwar nicht bestimmen, was es tun sollte, doch es gehorchte ihr. Ein Lachen entfuhr Enya, sie wirkte wahrscheinlich gerade vollkommen durchgedreht, doch das war ihr egal. Sie genoss gerade einfach dieses Gefühl der Macht. Das Wasser auf dem Schiff erzitterte, rumorte, dann erhob es sich, stieg auf, als wurde der Himmel sein Wasser zurück haben wollen. Doch statt hoch in den Himmel floss das Wasser einfach über die Reling zurück ins Meer, verschmolz mit den salzigen Tropfen und blieb still und in der Tiefe, der Regen schien eingeschüchtert von der Macht, die in Enya pulsierte, das Wasser zurückhielt und kontrollierte, weshalb er außerhalb des Schiffes ins Meer fiel, es allerdings nicht wagte, das Segelschiff zu berühren. Das Schiff war vollkommen geschützt, es befand sie wie in einer Art Blase, die nur von Enya gehalten wurde und die das Wasser nicht wagte zu berühren. Die Wellen unmittelbar neben dem Schiff lagen ruhig und unbewegt da, wie als wäre es ein sonniger, windloser Tag, der Regen schien an etwas Unsichtbarem abzuprallen.

Ungläubig sahen die beiden Jungen zu Enya, die in der Mitte des Decks stand, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen, ihre Arme ausgebreitet und die Handflächen gen Himmel gedreht, stand sie da und gewährte dem Schiff eine sichere Fahrt. Sie selbst war sich dessen gar nicht bewusst. In Enya befand sich eine seltsame Leere. Nur ein einziger Gedanke erfüllte sie, machte sie stark, ließ sie nicht einfach wegknicken und aufgeben: Ich muss mein Team beschützen. Wir müssen gewinnen.

Kampf auf den WellenWhere stories live. Discover now