Tag 3: #EndedesVersteckspiels - Teil 2

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 „Amy, wir sind kein Paar, ehrlich", erwiderte ich.
„Das mag ja sein. Aber egal, ob Paar oder nicht, du kannst trotzdem Gefühle für ihn haben." Sie legte eine Pause ein und schaute mich kritisch an, um eine Reaktion feststellen zu können. Ich bemühte mich ihr nichts durch meine Körpersprache zu verraten und schwieg. Dann kam sie bedrohlich einen Schritt auf mich zu, sodass sie direkt vor meinem Gesicht stand.
„Ich warne dich. Wenn ich erfahren sollte, dass du Gefühle für ihn hast, mach ich dich fertig. Und glaub mir, du willst mich nicht zur Feindin haben", drohte sie mir. Danach ließ sie mich links liegen, warf ihre langen Haare zurück und ging mit ihrem schönsten Lächeln durch die Tür ins Klassenzimmer.

Ich brauchte einen Moment bis ich begriff, was gerade passiert war. Wie ein kleines, verängstigtes Kaninchen vor der Schlange hatte ich vor Amy gestanden und kein Wort raus bekommen. Warum konnte ich nicht selbstbewusst sein und zu mir selbst stehen? Überhaupt, war ich hier in irgendeinem Film gelandet? Solche Situationen kannte ich sonst nur daher. Der Vergleich von Sarah mit Gossip Girl wurde langsam immer realistischer. Gedankenverloren ging ich zu meinem Platz.

Doch an Unterricht war für mich nicht zu denken. Ich musste meine verwirrenden Gedanken und Gefühle ordnen. Da ich nicht raus gehen und laufen konnte, nahm ich mir einen Stift und fing an zu schreiben. Das war die perfekte Tarnung. Jeder würde denken, dass ich den Stoff mitschrieb, dabei war ich mit meinem Kopf ganz woanders. Zudem würde es mich davon abhalten immer wieder zu Max rüber zu schauen. Um ein bisschen Abstand zu der ganzen Situation zu bekommen, erschuf ich Sophie, eine fiktive Person, die mein ganzes Gefühlschaos durchleben durfte:

Sophie wusste nicht weiter. Wie sollte sie sich Benny gegenüber normal verhalten, wenn in ihr jedes Mal aufs Neue diese Gefühle hoch kamen? Sie musste nur an ihn denken und die Schmetterlinge in ihrem Bauch fingen an zu fliegen. Diese Gefühle... sie musste sie dringend irgendwie los werden oder zumindest in den Griff bekommen. Doch wie sollte sie das schaffen, wenn sie Benny jeden Tag immer wieder über den Weg lief? Sie könnte zwar versuchen ihn nach dem Unterricht nicht mehr zu treffen, aber das war schwierig, wenn er zu ihr kam und ihr Herz auch noch genau das wollte. Um das zu vermeiden, müsste Sophie sich auf ihrem Zimmer verkriechen und ihn zudem noch ignorieren. So könnte sie es schaffen. Andererseits hatte sie es gerade geschafft, dass die anderen sie wahrnahmen und anfingen zu akzeptieren. Wollte sie das wirklich dafür aufgeben? Das war ihre Chance endlich dazu zu gehören.

Ihr Kopf sagte ihr, dass es richtig wäre Benny aus dem Weg zu gehen, aber ihr Herz sträubte sich dagegen. Dann würde sie niemals Teil dieser Gruppe werden und überhaupt... Was war so schlimm an ihren Gefühlen? Sie war nicht mehr in einer Beziehung und er hatte ebenfalls keine Freundin. Auch die Distanz könnten sie überwinden. Wenn es sein sollte, würden sie das schaffen. Sophies Gedanken kehrten immer wieder zum gestrigen Tag zurück. Es war so schön gewesen. Bennys blaue Augen hatten ein besonders Funkeln, das sie zuvor noch nie gesehen hatte und seine Berührungen... Jedes Mal schien ihre Haut an der Stelle wie elektrisiert zu sein. In seiner Nähe konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen und sie lebte im hier und jetzt. Warum sollte sie nach ihrer Trennung nicht mit diesem Menschen zusammen sein dürfen, der alles so viel besser erschienen ließ? Mit ihm fühlte sie sich gut. Nichts konnte sie runter ziehen.

Nur Maries Drohung zerstörte das alles. Außerdem war sie sich trotz allem unsicher, ob das wirklich Liebe war. Dafür kannte sie Benny noch nicht gut genug. Es war gerade mal ein Tag gewesen. Nach dieser kurzen Zeit kann man so etwas nicht beurteilen. Genauso gut konnte es eine Schwärmerei sein, die es ihr nach der Trennung von ihrem Exfreund leichter machte. Wer konnte das schon wissen?

Wenn Marie nicht wäre, würde Sophie es sofort wagen. Mit der Zeit würde sich raus stellen, ob es nur eine Schwärmerei war, aber sie hatte dazu keine Gelegenheit. Marie würde sie vernichten ehe sie herausgefunden hatte, was genau sie für Benny empfand. Sie wollte nicht der Auslöser für dieses Chaos sein, aber für ihre Gefühle konnte sie nichts. Niemand konnte sie dafür verantwortlich machen.

Wie sah es überhaupt in Benny aus? Was hätte sie dafür gegeben einen Blick in seine Gedankenwelt werfen zu können. Warum muss das mit den Gefühlen immer so schwer sein? Vielleicht sollte sie ihm einfach ihre Gefühle gestehen? Dann wüsste sie wenigstens, woran sie war und er wäre an der Reihe etwas zu unternehmen.

Sophie fühlte sich so schwach und hilflos. Ratlos. Was sollte sie bloß tun? Jede erdenkliche Möglichkeit erschien ihr falsch. Außerdem hatte sie das ungute Gefühl, dass alle auf sie achteten um ja mitzubekommen, falls sich etwas an der Aussage „Wir sind nur Freunde" ändern sollte. Das konnte aber auch alles Einbildung sein. Sie seufzte. Warum hatte sie nur den Plan verfolgt sich mehr zu integrieren? Ohne den wäre das alles sicher nicht passiert. Andererseits würde sie dann immer noch traurig sein, dass sie nicht Teil dieser Gruppe war.

Wie man es dreht und wendet, mit und ohne ihren Plan würde sie sich in diesem Moment alles andere als wohl fühlen.
Vielleicht wäre es gut jemandem von der ganzen Situation zu erzählen. Jemand neutrales, der keinen getrübten Blick auf das alles hat. Jemand wie Felix.
Genau. Das würde Sophie tun. Sie würde sich Manuel anvertrauen und solange sie sich über ihre Gefühle nicht klar war Benny aus dem Weg gehen. Danach würde sie weitersehen.

Aber würde sie sich das wirklich trauen? Jemandem sich so öffnen und verletzlich zeigen? Doch Felix war nicht irgendwer. Ihn kannte sie immerhin aus der ganzen Klasse am besten. Mittlerweile waren sie gut befreundet. Er würde sie nicht auslachen... Oder?
Bestimmt wäre es doch erstmal besser noch ein bisschen darüber nachzudenken und dann zu entscheiden, ob sie mit wem anders darüber redete. Ganz sicher.

Nachdem ich den Unterricht und zum Glück auch die Mittagspause einigermaßen heil überstanden hatte, zog ich mich auf mein Zimmer zurück. Tatsächlich hatte es recht gut funktioniert Max zu meiden. Beim Mittagessen hatten wir zwar alle zusammen an einem der großen Tische gesessen und geredet. Jedoch hatte ich mich soweit es ging von Max weg gesetzt, auch, wenn mein Herz das alles andere als gut fand. Aber es war besser so. Irgendwann würde ich Klarheit über meine Gefühle für ihn haben. Vielleicht würden sie irgendwann sogar schwächer werden oder gar ganz verschwinden?

Je länger ich hier saß und grübelte, desto schlimmer wurde das Ganze für mich. Das Schreiben hatte mir zwar geholfen, aber konnte mir dennoch keine Antwort wie ein anderer Mensch geben. Entschlossen riss ich die beschriebenen Seiten aus meinem Collegeblock, nahm meinen Zimmerschlüssel sowie mein Handy und machte mich auf dem Weg zu Zimmer 212. Ich hatte mich entschieden. Es war Zeit Manuel endlich alles zu erzählen.

Gerade als ich an die Tür von Zimmer 212 klopfen wollte, ging die Tür auf und Leon lief fast in mich hinein.
„Pass auf", konnte ich noch sagen, wodurch er mich bemerkte.
„Oh, Mia. Tut mir leid. Ich hab dich nicht gesehen", entschuldigte er sich bei mir.
„Alles gut. Ist ja nichts passiert", meinte ich.
„Stimmt", lachte er. Dann sah er mich fragend an.
„Wolltest du zu mir?", fragte er.
„Eigentlich wollte ich zu Manuel", antwortete ich.
„Das tut mir leid, aber er ist nicht da. Ich glaube, er wollte draußen ein paar Fotos machen", erwiderte Leon.

Ich seufzte. Und jetzt? Wenn Manuel draußen am Fotografieren war, wollte ich ihn nicht stören. Andererseits brauchte ich dringend ein offenes Ohr.
„Ist bei dir alles in Ordnung?" Leon sah mich leicht besorgt an. Ich musste ziemlich verzweifelt gewirkt haben.
„Nein, äh... ich meine... ja. Alles in Ordnung", stammelte ich. Wow, wie überzeugend... nicht.
„Du siehst mir aber nicht danach aus. Was ist los?", hakte er da auch schon nach. So war Leon eben. Für alle da und immer hilfsbereit. Nach einem kurzen Zögern gab ich auf.

„Nein. Eigentlich ist nicht alles in Ordnung. Ich wollte zu Manuel, um mit ihm darüber zu reden. Oder besser gesagt, ich wollte ihm meinen Text geben, damit er versteht, was los ist und mir einen Rat geben kann. Ich brauche gerade einfach ein offenes Ohr. Aber ich komme sonst später wieder", erklärte ich ohne zu viel von dem, was genau los war, zu verraten.

„Okay... Ich bin zwar eigentlich gerade auf dem Sprung, aber so kann ich dich nicht alleine lassen. Dir scheint etwas Wichtiges auf dem Herzen zu liegen. Wenn du möchtest, kannst du auch mit mir reden. Ich bin zwar nicht Manuel, aber trotzdem ein guter Zuhörer", bot er an. Ich war unschlüssig. Wollte ich, dass Leon einen meiner Texte liest?

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Hey ihr Lieben.
Was glaubt, wie Mia sich entscheidet? Wird sie sich Leon anvertrauen?
Ich freue mich über eure Gedanken.
Eure Miss Mara

#EhrlichkeitМесто, где живут истории. Откройте их для себя