Tag 9: #HappyEnd? - Teil 1

22 6 16
                                    

Mia

Am nächsten Morgen wachte ich auf und brauchte eine Weile bis ich wusste, wo ich war. Doch als mir alles wieder einfiel, wäre ich am liebsten den ganzen Tag im Bett geblieben. Aber mein Entschluss von gestern Abend stand fest. Ich musste daraus gehen. Mein Vater hatte Recht und ich konnte mich schlecht die ganze Zeit verkriechen.

Als ich mich zum Aufstehen zwang, bemerkte ich, dass Leahs Bett leer war. Sie war auch sonst nirgends zu sehen. Ich war alleine. Traurigkeit und Zweifel breiteten sich in mir aus. Hoffentlich konnte ich das wirklich alles wieder in Ordnung bringen. Ich hatte noch keine Idee, wie ich das anstellen sollte, aber wenn ich nicht alles für immer verlieren wollte, musste ich es schaffen.

Müde taperte ich ins Badezimmer und zwang mich zum Lächeln. Ich hatte mal gelesen, dass man bessere Laune bekommt, wenn man lächelt. Der Körper denkt irgendwann, dass man tatsächlich lächelt und glücklich ist. Ein paar Glückshormone konnte ich gerade ganz gut gebrauchen. Leahs gute Laune am Morgen fehlte mir heute besonders. Egal, was los war, ihre gute Laune hatte immer ein bisschen auf mich abgefärbt. Aber sie war wie die anderen sauer auf mich und ich konnte es ihr nicht verübeln. Mit dem Post über Leah und Luk hatte ich den beiden eigentlich nur helfen wollen, indem sie gezwungen seien die Wahrheit zu sagen. Doch damit hatte ich eine Grenze überschritten, auch, wenn alles gut gegangen war. Außerdem hatte ich nicht gedacht, dass ich mich danach so gut mit Leah verstehen und wir sogar Freundinnen werden würden. Ich versuchte die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Weinen war zwar in meinen Augen kein Zeichen von Schwäche, aber wenn ich so vor meine Klasse trat, würden sie es so auslegen.

Nachdem ich mich aufgerafft und fertig gemacht hatte, ging ich nach unten zum Frühstück. Da ich gestern so gut wie nichts gegessen hatte, musste ich heute frühstücken. Ich spürte die Blicke meiner Klassenkameraden auf mir, als ich die Kantine betrat und mir ein Brötchen sowie Marmelade und Käse auf meinen Teller legte, aber ich versuchte sie zu ignorieren. Dann setzte ich mich an einen Zweiertisch. Noch hatte ich nicht die Kraft mich zu den anderen an den großen Tisch zu setzen. Erst wollte ich überlegen, wie ich ihnen erklären konnte, warum ich Liriel erfunden und die Bilder gepostet hatte. Zudem wollte ich ihnen sagen, dass es mir leid tat. Es war für mich aber schon ein großer Fortschritt, dass ich überhaupt hier unten saß und das Frühstück nicht wieder ausfallen ließ.

Während ich mein Brötchen aß, schielte ich immer wieder zu meinen Mitschülern rüber. Wie sollte ich sie nur dazu bekommen, dass sie mir zuhörten und mich ausreden ließen? Mir fiel beim besten Willen nichts ein und die fiesen Blicke halfen nicht gerade beim Nachdenken.

„Warum ist sie überhaupt noch hier?", sagte Amy zu Hannah, die mit ihren Tabletts an mir vorbei liefen. Sie sprachen extra laut, damit ich es auf jeden Fall mitbekam.

„Keine Ahnung. Es will sie sowieso niemand hier haben", erwiderte Hannah.

„Das Beste wäre, wenn sie einfach verschwindet", meinte Amy. Dann waren die beiden außer Hörweite. Es war jedoch klar, dass dieses Gespräch nur für mich bestimmt war, um mich weiter zu kränken. Obwohl ich das wusste, trafen ihre Worte mich trotzdem. Ich hatte dazu gehören wollen und jetzt war ich noch weiter unten als vorher.

Im Unterricht bekam ich die nächste Nachricht, die meine Stimmung nicht gerade besserte. Es war eher eine Art Schock. Morgen standen die ersten Prüfungen an. Das hatte ich durch mein Gefühlschaos komplett vergessen. Hinzu kam, dass ich zudem kaum im Unterricht aufgepasst hatte, da ich mit meinen Gedanken immer ganz woanders gewesen bin. Ich musste mich entscheiden, was mir wichtiger war: ein gutes Prüfungsergebnis oder die Freundschaft zu Leah und Leon? Eigentlich sollte ich wahrscheinlich diesen Tag daher zum Lernen nutzen, aber solange der Rest nicht geklärt war, konnte ich mich ohnehin nicht konzentrieren. Außerdem waren mir Leah und Leon wichtiger. Daher viel mir diese Entscheidung nicht gerade schwer. Damit war jedoch immer noch nicht die Frage beantwortet, wie ich mich bei allen entschuldigen konnte.

Um meine Gedanken zu ordnen und vielleicht eine Idee zu bekommen, fing ich wieder an zu schreiben:

Sophie hatte alles zerstört. Die Beziehung zu Benny war vorher schon vorbei gewesen, aber nun war auch die Freundschaft zu Leah kaputt und von ihren Gefühlen für Leon wollte sie gar nicht erst anfangen. Außerdem verachteten die anderen sie, was Sophie ihnen nicht mal verübeln konnte. Im Gegenteil, sie verstand ihre Mitschüler sehr gut. Wäre sie belogen worden, würde sie genauso reagieren? Warum hatte sie das also getan? Warum hatte sie diese Bilder gepostet? Allein Dazugehörigkeit war nicht der Grund gewesen. Sie hatte ehrlich sein, die Lügen aufdecken wollen, aber auch ein bisschen Rache hatte sich anfangs dazu gemischt. Rache dafür, dass sie kein Teil dieser Gruppe war. Im Nachhinein gesehen war diese Idee dumm gewesen. Ehrlich sein und gleichzeitig unter einem Pseudonym posten? Was war daran ehrlich? Deswegen war Sophie einerseits froh, dass Liriels wahre Identität jetzt aufgedeckt war, andererseits waren jetzt alle zurecht wütend auf sie. Am meisten traf es sie bei Leah und Leon. Doch sie konnte nicht rückgängig machen, was sie getan hatte. Aber wenn es einen Weg gab die Freundschaft zu Leah und diese Verbindung zu Leon zu retten, würde sie ihn gehen. Leah wieder an ihrer Seite zu haben, würde sie glücklich machen und Leon... Sie wusste, dass er der Richtige für sie war, aber es war zu spät. Wie sollte sie ihm nur zeigen, dass es ihr leid tat? Wie sollte sie ihm sagen, was sie für ihm empfand? Wie? Fragen, auf die sie einfach keine Antworten finden konnte. Ihr Herz war gebrochen und sie konnte nichts dagegen tun. Zumindest nicht, solange ihr nicht zugehört wurde. Doch Aufgeben war keine Option.

Vielleicht sollte sie sich erstmal auf eine Person konzentrieren und nicht alle Probleme auf einmal angehen? Das war eine Idee, die gar nicht so schlecht war. Sophie dachte nach und entschied sich schließlich dazu mit Leah in der Mittagspause zu reden. Alleine. Hoffentlich würde sie sich überhaupt auf ein Gespräch einlassen. Aber es war einfacher eine Person zu überzeugen ihr zuzuhören als eine ganze Klasse. Außerdem war Leah bis vor Kurzem noch ihre Freundin gewesen. Ihr schuldete sie mehr als allen anderen eine Erklärung.

Die Stimme unseres Dozenten riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich aufblicken.

„So, damit entlasse ich euch dann in die Mittagspause", sagte er und klatschte einmal in die Hände. Ich brauchte einen Moment bis ich seine Worte begriff. Doch dann dachte ich: Jetzt oder Nie! Wenn Leah erstmal unten an einem der Tische mit allen anderen saß, würde ich sie nicht mehr um ein Gespräch unter vier Augen bitten.

„Leah, können wir bitte reden?" Ich konnte sie gerade noch an der Tür abfangen. Leah drehte sich zu mir um und warf mir einen enttäuschten Blick zu. Auch Luk blieb stehen und sah zu mir.

„Bitte...", flehte ich sie an. Doch Leah wandte sich nur wortlos zum Gehen.

„Es tut mir leid... Lass es mich dir wenigstens versuchen zu erklären", versuchte ich sie zu überzeugen.

„Vielleicht solltest du ihr wenigstens die Chance dazu geben", flüsterte Luk ihr zu.

„Na gut", seufzte sie schließlich und drehte sich erneut zu mir.

„Ich lass euch beide alleine. Ihr könnt ja später nachkommen", meinte Luk und verabschiedete sich mit einem Kuss von seiner Freundin.

Nachdem alle gegangen und wir alleine waren, ließ Leah sich auf den nächstbesten Stuhl fallen.

„Also?", fragte sie und verschränkte die Arme.

Seufzend setzte ich mich auf den Stuhl neben ihr.

„Es tut mir so leid. Ich hätte dich nicht belügen dürfen", fing ich an.

„Nein, da hast du vollkommen Recht. Dazu hattest du kein Recht. Ich habe dir vertraut und war für dich da und als die ganze Sache mit Luk und mir raus gekommen ist, warst du für mich da. Dabei warst du diejenigen, durch die das erst raus gekommen ist", erwiderte Leah.

„Ich weiß, ich hätte euch nicht dazu zwingen dürfen den anderen zu zeigen, dass ihr ein Paar seid. Da habe ich eine Grenze überschritten, das habe ich begriffen", versuchte ich zu erklären.

„Warum hast du es dann getan?", hakte sie nach.

#EhrlichkeitWhere stories live. Discover now