Tag 1:#Ausgeschlossen - Teil 2

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Kaum hatte ich die Nachricht abgeschickt, fiel mir auch schon Annis Jammern auf.
„Ich glaub das echt nicht. Jetzt müssen wir hier auch noch drei Wochen lang den Unterricht über uns ergehen lassen. Schlimm genug, dass wir den letzten Monat schon Berufsschule hatten. Das nervt mich schon wieder total."
„Ich weiß genau, was du meinst. Der Unterricht hier geht dann auch noch bis 16 Uhr", pflichtete Sarah ihr auch schon bei.
„Was?! Bis 16 Uhr? Nicht dein Ernst!", regte sich Anni auf.
„Doch. So können sie uns immerhin am besten quälen", erwiderte Sarah.
Ihre beste Freundin machte ein finsteres Gesicht und schwieg zunächst.

„Dann brauch ich erstmal Kaffee. Sonst überlebe ich diesen Tag nicht", stöhnte sie.
„Ich auch. Deshalb hab ich uns extra eine große Kanne mitgebracht", meinte Sarah. Daraufhin holte sie eine Thermoskanne und zwei Tassen aus ihrer Tasche hervor und stellte sie vor sich auf den Tisch.
„Du bist die Beste", sagte Anni.
Sarah schenkte ihnen beiden ein und Anni trank ein paar große Schlucke.

Ich stöhnte innerlich auf. Die beiden waren unglaublich. Als wenn Unterricht von neun bis sechzehn Uhr einem das Leben ruinieren würde. Immer mussten sie übertreiben.
„Aber die Prüfungen am Ende. Die machen mich so fertig", fing Sarah auch schon das nächste große Drama an.
„Erinnere mich bloß nicht daran."
„Echt Anni. Das ist doch scheiße. Ich weiß nicht, wie ich die schaffen soll. Was ist, wenn ich durchfalle?"

Langsam reichte es mir. Prüfungen gehörten eben dazu und alles Notwendige dafür lernten wir in den kommenden Tagen. Deswegen waren wir hier.
Andererseits konnte ich Sarah verstehen. Mir war schon in der Berufsschule aufgefallen, dass sie vor Prüfungen stets aufgeregter und nervöser als die anderen war. Scheinbar litt sie unter Prüfungsangst. Da sie mir ein bisschen leid tat und mir das Gejammer langsam anfing auf die Nerven zu gehen, beschloss ich mich in das Gespräch einzumischen.
„Die Prüfungen sind doch erst in zwei Wochen. Bis dahin haben wir also noch Zeit", meinte ich und hoffte Sarah damit wenigstens ein bisschen beruhigen zu können. Etwas Besseres fiel mir so spontan leider nicht ein. In Gesprächen mit meinen Mitschülern, insbesondere mit Anni und Sarah, war ich alles andere als locker.

Doch die beiden ignorierten mich und redeten weiter, als sei nichts gewesen.
„Darüber zerbrechen wir uns jetzt noch nicht den Kopf, sondern erst, wenn es so weit ist", versuchte Anni ihrer besten Freundin Mut zu machen.
„Ich weiß nicht...", erwiderte Sarah.
Ich beschloss einen letzten Versuch zu unternehmen. Vielleicht könnte ich Sarah helfen. Obwohl ich sie oftmals nicht leiden konnte, wenn jemand Prüfungsangst hatte, musste ich meine Hilfe anbieten.
„Ich könnte dir sonst...", fing ich an. Weiter kam ich jedoch nicht, weil Anni sich mir wütend zuwandte.
„Halt doch mal die Klappe! Ich rede hier mit Sarah, nicht mit dir!", funkelte sie mich an und drehte sich sofort wieder um.
„Ich helfe dir beim Lernen. Dann schaffst du das auf jeden Fall."
„Danke, Anni. Das ist so lieb von dir."

Mir stiegen die Tränen in die Augen. Was war das gerade gewesen? Ich wollte doch nur nett sein und mich ein bisschen in das Gespräch mit einbringen. Ich unterdrückte den Drang meinen Tränen freien Lauf zu lassen und versuchte sie weg zu blinzeln. Schnell löste ich meinen Zopf und ließ meine langen, dunkelblonden Haare vor mein Gesicht fallen, damit die anderen nicht bemerkten, wie sehr mich Annis Worte getroffen hatten.
Dann betrat unsere Lehrerin den Raum. Nachdem sie sich vorgestellt hatte und auch wir alle etwas zu uns gesagt hatte, begann der Unterricht.

Bei dem Gedanken daran stiegen erneut Tränen in mir auf. Doch hier draußen in der Natur, wo ich alleine war, störte es mich nicht, als sie vereinzelt meine Wangen hinunter liefen. Die anderen behandelten mich zwar nicht so schlecht wie Anni und Sarah es heute Morgen getan hatten, aber sie fragten mich auch nicht, ob ich am Wochenende mit ihnen feiern gehen oder zum Strand wollte. Ständig geisterte in meinem Kopf die Frage umher, was ich den anderen bloß getan hatte, dass sie mich so ausschlossen. Doch ich fand keine Antwort darauf.

#EhrlichkeitWhere stories live. Discover now