Tag 8: #Lügner - Teil 2

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„Ich... Ich muss mit dir reden", antwortete ich und versuchte meine Stimme selbstsicher klingen zu lassen. Er sollte nicht merken, dass in mir Chaos herrschte.

„Du siehst doch, dass er gerade beschäftigt ist", mischte sich nun auch Amy ein.

„Außerdem wüsste ich nicht, was es zwischen uns noch zu besprechen gibt", erwiderte er.

Oh, eine ganze Menge, schoss es mir durch den Kopf, sprach es jedoch nicht laut aus.

„Es ist wirklich wichtig", sagte ich stattdessen.

„Echt, Mia, du nervst. Bei dir ist es immer wichtig", erwiderte Max.

„Lass uns doch einfach in Ruhe", meinte Amy.

Ich war unsicher. Es wäre einfacher zu gehen und zu hoffen, dass die anderen mir mehr als Max glauben würden, wobei das sehr unwahrscheinlich war. Deswegen brauchte ich ihn dafür und ließ nicht locker. Im Kopf zählte ich bis drei und riss mich dann zusammen.

„So gerne ich das auch würde, aber es gibt da eine Sache, die vorher noch geklärt werden muss. Glaubt mir, nichts würde ich lieber tun, aber vorher muss ich mir dir reden, Max. Dieses Gespräch bist du mir schuldig", sagte ich ruhig.

„Schuldig? Ich bin dir rein gar nichts schuldig!" Max' Stimme wurde lauter.

„Ist das dein Ernst? Wir waren zusammen. Da wirst du ja wohl noch Zeit für ein letztes Gespräch haben!" Was er konnte, konnte ich auch. Wenn er meinte, laut werden zu müssen, konnte ich das auch.

„Lass es doch endlich gut sein, Mia!", versuchte Amy mich endgültig loszuwerden.

Es entstand eine kurze Pause, in der Max und ich uns anstarrten. Ich würde nicht nachgeben. Er war derjenige, der sich entschuldigen und etwas klar stellen musste.

„Na gut. Damit du endlich Ruhe gibst", gab er schließlich tatsächlich nach. Dann drehte er sich zu Amy.

„Prinzessin, gib mir ein paar Minuten, okay? Ich kläre das", säuselte er.

Prinzessin? So hatte er mich auch genannt. Warum hatte bisher keiner erkannt, was für ein Arschloch er eigentlich war? Meinte er es überhaupt mit irgendeinem Mädchen Ernst? Oder ging es ihm immer nur um Sex und sagte uns deshalb, was wir scheinbar hören wollten?

„Okay. Aber lass mich nicht zu lange alleine", erwiderte Amy. Sah sie denn nicht, um was es ihm eigentlich ging? Merkte sie nicht, dass er mich auch Prinzessin genannt hatte?

„Keine Sorge. Ich bin gleich wieder da", sagte er und sah ihr tief in die Augen. Dann verschwand Amy Richtung Mensa. Endlich war ich mit Max alleine.

„Also, was ist denn angeblich so wichtig?" Mit verschränkten Armen stand er vor mir und sah mich arrogant an.

„Jetzt spiel hier nicht den Unschuldigen! Du weißt genau, um was es geht." Ich verschränkte ebenfalls die Arme und sah ihn trotzig an. Meine Unsicherheit war zwar noch immer da, aber meine Wut und Enttäuschung überwogen.

„Ich weiß nicht, wovon zu sprichst. Also entweder sagst du mir jetzt, was du willst oder ich bin weg. Ich hab sowieso schon viel zu viel meiner Zeit mit dir verschwendet", meinte er.

Diese Worte tragen nicht gerade dazu bei, dass ich ruhiger wurde. Wie konnte er so dreist sein? Warum hatte ich das nicht früher bemerkt?

„Das Video?", half ich seinem Gedächtnis auf die Sprünge.

„Ach, das. Was ist damit?" Seine Arroganz machte mich wahnsinnig. Er wusste genau, was ich meinte und spielte das Unschuldslamm.

„Du hast gesagt, wir hätten miteinander geschlafen! Wie kannst du das behaupten?! Wir hatten keinen Sex!", platzte es da aus mir heraus.

„Na und? Wahr oder nicht? Wen interessiert das heutzutage noch? In ein paar Tagen haben das ohnehin alle wieder vergessen", war seine Antwort darauf.

„Du bist echt das Allerletzte! Ich möchte, dass du das sofort klar stellst", erwiderte ich.

„Was?! Warum sollte ich das tun?", konterte er.

„Du warst es ja auch, der die Lüge erzählt hast. Dann sollst du sie auch gefälligst wieder aus der Welt schaffen", erklärte ich.

„Nee, niemals!"

Ich ließ die Hände wieder sinken und ballte sie zu Fäusten. Dieser Kerl schaffte es mich komplett aus der Fassung zu bringen.

„Das kannst du nicht machen. Du kannst nicht einfach Sachen über andere behaupten, die nicht der Wahrheit entsprechen", erwiderte ich.

„Du siehst doch, dass ich das kann. Ich werde mich ganz sicher nicht selbst als Lügner darstellen. Du hast sie doch nicht mehr alle!"

„Dann werde ich eben allen erzählen, was wirklich passiert ist", meinte ich.

„Wenn du meinst. Aber wem werden die anderen wohl mehr glauben? Auf mich hören die anderen und wenn ich ihnen sage, dass wir Sex hatten, dann glauben sie mir das", grinste er. Es schien ihm richtig Spaß zu machen mich zur Verzweiflung zu treiben.

„Max, bitte. Du musst den anderen die Wahrheit sagen. Das kannst du mir nicht antun", versuchte ich ihn zu überzeugen.

„Ich sage es dir nochmal: Du siehst doch, dass ich das kann. Außerdem muss ich gar nichts und von dir lass ich mir schon mal gar nichts sagen. Nur weil diese Liriel meint über alle möglichen Leute aus unserer Klasse Wahrheiten zu veröffentlichen, muss ich noch längst nicht ehrlich sein!"

Mir fehlten die Worte. Was sollte ich darauf auch sagen? Ich konnte ich nicht zur Ehrlichkeit zwingen.

„War's das endlich?", fragte er. Doch er wartete meine Antwort gar nicht erst ab und wandte sich zum Gehen. Ich überlegte, ob ich noch einen letzten Versuch unternehmen sollte ihn umzustimmen, aber ich wusste, dass es zwecklos wäre. Mir stiegen erneut Tränen in die Augen, während ich ihm nachschaute. Max hatte Recht. Die anderen würden mir nicht glauben. Nicht, wenn er das Gegenteil behauptete. Wie konnte ich nur so blind sein? Warum hatte ich mich nur auf ihn eingelassen? Ohne ihn wäre ich nicht in dieser Situation.

Schnell verschwand ich auf der Toilette und ließ dort meinen Tränen freien Lauf. Ich konnte sie nicht länger zurückhalten. Nach einiger Zeit beschloss ich das Frühstück heute ausfallen zu lassen. Es war sowieso nur noch eine Viertelstunde bis der Unterricht anfing. Ich bekam ohnehin nichts runter. Mein gebrochenes Herz fühlte sich wie ein Schlag in die Magengrube an und die Lüge über mich machte das Ganze nicht besser.

Als ich schließlich als Letzte den Klassenraum betrat, ruhten alle Blicke auf mir. Es bestand kein Zweifel, dass sie Max' Lüge glaubten. Viele von ihnen hätten niemals gedacht, dass ich mit ihm so schnell schlafen würde. Und sie hatten ja auch Recht behalten, wussten es aber nicht. Der Weg von der Tür zu meinem Platz war wie ein Spießrutenlauf. Alle verfolgten mich mit ihren Blicken und auch als unser Dozent den Raum betrat wurde es nicht besser. Ich versuchte sie zu ignorieren, nicht zu beachten, doch ich konnte die auf mir ruhenden Blicke spüren. Sie schienen mich wie Pfeile zu durchbohren.

Fieberhaft überlegte ich, wie ich meine Mitschüler davon überzeugen konnte, dass Max log. Außerdem musste ich eine Lösung finden, wie ich Leon davon erzählen konnte und er es glaubte. Doch mir fiel beim besten Willen nichts ein. Zwischendurch rannten mir immer wieder Tränen übers Gesicht. Ich versuchte sie mit meinen langen Haaren zu verdecken, aber es nützte alles nichts.

Nachdem ich den Vormittag überstanden hatte, ging ich zu Leah und sagte ihr, dass es mir nicht gut ging und ich aufs Zimmer gehen würde. Sie sah mich mitleidig an.

„Brauchst du irgendetwas?", fragte sie.

„Nein. Ich ruhe mich einfach aus. Aber es wäre gut, wenn du unserem Dozenten nach der Mittagspause Bescheid geben könntest", antwortete ich.

„Klar, mach ich", sagte sie und gab mir eine Umarmung.

„Danke." Dann machte ich mich auf den Weg nach oben zu unserem Zimmer.

#EhrlichkeitWhere stories live. Discover now