.:𝚁𝚊𝚌𝚑𝚎 𝚒𝚜𝚝 𝚜𝚞̈ß:.

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𝙳𝚘𝚗𝚗𝚎𝚛𝚜𝚝𝚊𝚐, 𝟼.𝟷𝟶.𝟷𝟼

"Stets überpünktlich, Ms Kim.
Wissen Sie, in der Blüte meiner Jugend, nannte man mich in der ganzen Stadt nur den Rabauken.
Ach wie glücklich wäre meine Mutter doch gewesen, eine Tochter wie Sie zu haben."
Sir Clark schüttelte seinen Kopf, ehe er seine Gedanken erneut einer Zeitschrift widmete.
Dieser ältere Mann trug schicke Kleidung. So passte das Grau seiner fein gewebten Weste perfekt zu dem Blau des einfachen Hemdes.
Die Studenten wunderte es nicht,
dass dieser Herr der beliebteste unter den Dozentinnen war.

Harley fühlte kein Unbehagen mehr, wenn sie sich den Raum mit einem Professor teilen musste.
Das passierte nun mal, wenn man stets fünf Minuten vor Beginn bereits auf seinem Platz saß.

Der Literatur-Kurs fand im alten Gebäude der Universität statt.
Abgenutzte Bücher und modriges Holz lagen in der Luft, doch die Brünette mochte diesen Duft der vergangenen Tage.
Solche Räume stellten Orte der Erfahrung dar; Sie schrieben Geschichte.

Ihre Kommilitonen betraten nach und nach den Kurs, hinterließen dabei ein Knarren des Parkettbodens unter sich.
Jedes Mal blickte sie auf, neugierig ob der dunkle Lockenkopf seine Ängste überwunden hatte.
Und tatsächlich, nachdem sie wieder von ihren Notizen hinweg sah, empfing sie das breiteste Grinsen, welches sie kannte.
Pures Wohlsein flutete ihren Körper, was sie sich bis dahin noch nicht erklären konnte.
Sie klopfte auf den leeren Stuhl zu ihrer Linken und Noel folgte der stummen Aufforderung.
Sein Gesäß landete unzärtlich auf dem unstabilen Gestell.

"Wo ist Harley und was hast du mit ihr gemacht?"
Der gespielt strenge Ton, entsetzte das Mädchen für wenige Sekunden, bevor sie in sein Lachen einstimmte.
Auch wenn Noel mit keinem Wort erwähnte, was er meinte, so wusste Harley, dass sie an jenem Tag eine andere war.
Die Kleidung, welche sonst als Versteck diente, blieb im Kleiderschrank zurück.
Stattdessen traute sie sich in ein bedrucktes T-Shirt, wessen Ende sie ordentlich in die eng geschnittene Jeans schob.
Sie fühlte sich nach der letzten Woche stärker und es wert, sich der Welt zu zeigen.

"Dann hat Candys Predigt ja ausnahmsweise was gebracht",
stellte er anerkennend fest und nickte dabei, so wie er es immer tat, wenn er jemandem Recht gab.

"Ja, vielleicht",
antwortete Harley.
"Aber jetzt erzähl mal. Was war denn jetzt mit deinem Auto und geht's dir besser?"

Noel packte ein Trinkpäckchen aus seinem Rucksack.
Harley beobachtete den angeblich Erwachsenen, welcher sie durch sein wildes Äußeres, sowie freches Inneres, mehr an ein Kind erinnerte.

"Oh nein, ich könnte mir immer noch in die Hose machen, aber meine Eltern unterstützen es leider nicht, wenn ich die Uni meide.
Sie haben mich rausgeschmissen und ich bin mit dem Bus hierher gefahren. Weißt du, ich bin die zwanzig Meter zur Haltestelle gerannt und dann durch die offene Tür in den Bus gestolpert.
Ich lag flach zwischen den Sitzreihen. Zum Glück hat der Fahrer mich nicht rausgeschmissen."

Der Arme... Auch wenn er aus allem einen Witz macht, glaube ich,
dass die ganze Sache ihn mitnimmt.
Diese Person, ich nenne sie Joker, verfolgt uns alle, wie ein nicht enden wollender Alptraum.

Die junge Frau versank in ihren Gedanken, bis sich fünf gierige Finger vor ihr Auge schoben.
Noel griff nach Harleys Notizen und schnaufte daraufhin verächtlich.

"Ich bin noch gar nicht fertig mit meinem Vortrag, aber wir schaffen auch nur maximal zwei pro Stunde und ich bin heute auf jeden Fall nicht dran."
Seine schwarzen Locken fielen ihm in die Stirn, so wild schüttelte er sein Haupt.

"Hast du ein Glück, dass es Menschen wie mich gibt, die es so schnell wie möglich hinter sich bringen wollen."
Sie lächelte, zeigte ihre geraden Zahnreihen und hob im Anschluss, direkt zu Beginn der Vorlesung ihren Arm.
"Sir Clark, dürfte ich heute beginnen?"

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