Kapitel 4 - Sofia

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Nach dem Frühstück führte er mich ins Bad, ließ mich auf die Toilette und duschen, und brachte mich zurück in das Zimmer.
„Stell dich neben das Bett." Ich folgte seiner Anweisung und nach einem Zucken seines Mundwinkels verließ er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Das beste Pferd im Stall. Bilder von Rennpferden mit Preisschleifen am Zaumzeug und straff geflochtenen Frisuren erschienen vor meinem inneren Auge. Das Bild ekelte mich an, und doch spürte ich irgendwie das Bedürfnis, genau das für ihn zu sein. Die Beste.

Die Tür öffnete sich und riss mich aus meinen Gedanken. Eine junge Frau huschte durch den Türspalt und schloss sie leise hinter sich. Doch nicht die Anwesenheit einer anderen Person ließ mich zusammenzucken, sondern ihr blutüberströmtes Gesicht. Aus einem Riss in ihrer Augenbraue tropfte Blut. Trotzdem sah ich mit dem ersten Blick, dass sie eine außergewöhnlich hübsche Frau war. Ihre braunen Haare waren zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, der ihr schmales, scharfgeschnittenes Gesicht betonte. Ein paar Strähnen hatten sich aus dem Zopf gelöst und hingen wie ein Rahmen um ihr Gesicht. Sie sah mich mit ihren smaragdgrünen Augen eindringlich an und hielt sich den Finger vor die Lippen. „Ich konnte abhauen, wir müssen verschwinden." Immer noch, wie zur Salzsäule erstarrt, stand ich neben dem Bett und presste meine Hände krampfhaft hinter dem Rücken zusammen. „Ich bin Sofia." Sie legte mir die blutige Hand auf die Schulter. Bis auf ein dickes Halsband, auf dem ein kleines Metallschild mit dem Schriftzug Pumi angebracht war, trug sie wie ich nichts. Ihr Körper war um einiges trainierter als meiner, ihn zierten aber an den Oberschenkeln einige kleine Narben. Sie waren schon fast gänzlich verblasst, sodass ich mir nicht sicher war, ob sie sie sich selbst zugefügt hatte. „Sie haben nicht bemerkt, dass ich weg bin. Gabriel hat irgendein Problem und sie sind alle bei ihm. Wir müssen weg, wirklich. Wir sind so richtig am Arsch!" Ihre Stimme wurde wütend als ich mich nicht bewegte. „Willst du hier bleiben?" Ich riss meinen Blick von den Narben und schüttelte den Kopf. „Dann hilf mir endlich!" Ich atmete tief ein und nickte. „Wo können wir hin? Durch die Tür?" Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. „Die haben sie abgesperrt. Irgendwer hat wohl versucht abzuhauen und die Männer sind durch die ganze Stadt gefahren um sie zu finden, obwohl sie noch hier war." Meine Wangen wurden rot. „Das warst du?" Sie lachte leise. „Super, das musst du mir erzählen, wenn wir draußen sind. Ich habe Luke noch nie so angepisst gesehen." Bei ihren letzten Worten verzog sie kurz das Gesicht. Sie schien sich an etwas zu erinnern. Ich deutete zum Fenster. „Vielleicht können wir da raus." Sie schob den Vorhang zur Seite. Wir befanden uns im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses. Vor dem Haus führte eine breite Straße entlang, aber es waren keine Autos oder Menschen zu sehen. Auf der anderen Seite der Straße standen mehrere gleichaussehende Häuser mit grauer Fassade. „Schau mal. Da unten sind Gebüsche. Wir können springen!" Sie deutete nach unten und tatsächlich. Vor dem Fenster wuchsen einige braune Sträucher, die den Fall bestimmt abfedern würden. „Ich springe zuerst, wenn alles klappt, kommst du nach!" Sie drehte die Klinke des Fensters nach oben und zog. Im ersten Moment war ich mir sicher, dass das Fenster verschlossen war, aber mit einem leisen Knacken öffnete sich das große Fenster. „Das sind vielleicht drei Meter. Das ist kein Problem!" Sie schwang ein Bein über den Rahmen, stützte sich ab und zog das zweite nach. „Wir sehen uns auf der anderen Seite.", sie grinste mich an und drückte sich ab. Kaum unten gelandet, stand sie schon wieder auf den Beinen und winkte mir zu. Mein Herz klopfte wie wild, als ich mich über das Fensterbrett schwang. Ich hielt mich am Fensterrahmen fest, und wollte gerade loslassen, als ich sah wie sich ein Mann von hinten Sofia näherte. Ich öffnete den Mund um sie zu warnen, als sich von hinten eine Hand auf meinen Mund legte. Sie zog mich zurück in das Zimmer, doch ich konnte noch sehen, wie der Mann mit einem Baseballschläger ausholte, sie am Kopf traf und Sofia in sich zusammenfiel.

„Hatten denn die Männer keine Angst von den Nachbarn gesehen zu werden?", fragt Samuelen. Ich weiß nicht, ob diese Männer so etwas wie Angst kennen, aber auch bei meiner ersten Flucht, hatte Sam nicht wirklich so gewirkt, als würde er sich Sorgen um die Nachbarn machen. „Ich weiß es nicht." „Und... Sofia hieß sie, oder?" Hieß? Mäkinen muss recht haben. So wie der Schläger sie am Kopf getroffen hat. „Sofia, mehr weiß ich nicht." „Und wie hat sie es geschafft zu fliehen?" Ich drehe mich zu Samuelen. „Sie hat es irgendwie geschafft Luke niederzuschlagen, hat sich aber vorher noch einen Faustschlag von ihm eingefangen. Als er ohnmächtig war, ist sie in mein Zimmer gekommen. Sie hätte schon längst weg sein können, aber sie hat mich mitnehmen wollen. Obwohl sie nicht wusste wer ich war." Samuelen nickt. „Und sie wurden erwischt, bevor sie fliehen konnten?" Ich zucke mit den Achseln. „Sieht so aus."

Dingo (Teil 1)Where stories live. Discover now