Kapitel 24

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Ich möchte mich nicht mehr hinter einer Gefühlslosen Mauer verstecken. Es bereitet mir nur unnötigen Kummer. Warum sollte man sich selber Schmerzen zufügen? Es ist sinnlos.

Wir Menschen suchen immer den Sinn hinter dem Leben. Der Sinn ist, sich selber und andere glücklich zu machen. Das Leben ist eine Vorbereitung auf den Tod. Diese Vorbereitung sollte man genießen. Man muss bis zum Ende kämpfen und zeigen, was in einem steckt. Außerdem muss man seine Gefühle immer offen zeigen und sagen was einen bedrückt. Nur dann hat man eine Chance auf ein schönes Leben.

Das alles sind Dinge, die ich teilweise leider nicht beachtet habe. Das Bedürfnis dies nachzuholen drängt sich in mir auf. Ich darf nicht mehr vor meinen Gefühlen weg rennen. Entschlossen stehe ich auf, obwohl ich lieber sitzen geblieben wäre.
,,Wo ist Luis?", frage ich Josh während ich an ihm vorbei gehe. ,,Er ist im Gemeinschaftsabteil. Wieso fragst du?", entgegnet er mir. Ich antworte ihm nicht, sondern beschleunige meine Schritte.
Als ich Luis sehe, packe ich sein Handgelenk und ziehe ihn hinter mich her. Ohne Worte ziehe ich ihn durch viele lange Gänge und in den Raum, in dem er und Kylie über mich geredet haben. ,,Mia, was wollen wir hier." ,,Wir müssen endlich klären, ob wir die zwei Liebenden aus der Legende sind.", Bestimme ich. ,,Wie willst du das herausfinden?", Harkt er misstrauisch nach. ,,Man findet heraus, ob man sich liebt, wenn man sich küsst.", informiere ich ihn. ,,Ich kann nicht." ,,Warum nicht?" ,,Mia, wenn du nicht die richtige bist, kann mich das umbringen. Hast du das schon vergessen?", prädigt er. ,,Gehen wir doch einfach mal davon aus, dass ich die richtige bin. Wir müssen es versuchen." Nachdenklich sieht er in meine Augen und kaut auf seiner Unterlippe. Er ringt mit sich. Langsam kommt er mir näher und legt seine Hände um meine Taille. Es ist mir ein wenig unangenehm, aber ich lasse es mir nicht anmerken. Vorsichtig zieht er mich immer näher an sich. Ich spüre seinen Herzschlag und fühle seinen Atem auf mir ruhen. Er ist mir nun schon so nah, dass sich unsere Nasenspitzen berühren. Schließlich schließt er die Lücke zwischen unseren Mündern und legt seine Lippen zärtlich auf meine. Auch wenn ich nichts fühle, verstärke ich den Kuss. All die Emotionen der Trauer, Wut und Freude kommen in mir hoch und werden sofort in den Kuss weiter geleitet. Der Kuss wird immer und immer aggressiver, da ich nichts fühle. Ich fühle einfach nichts. Es macht mich wütend, dass ich nichts fühle, weil ich so vieles dafür geopfert habe. Ich dachte ich wäre eine Liebende und habe zu viel dafür geopfert. Wir passen nicht zusammen.
Langsam löse ich mich von ihm. Ich fühle mich geschwächt und benebelt und bemerke erst nicht, dass Luis in sich zusammen bricht. Schlagartig reiße ich meine Augen auf. „Scheiß, was habe ich getan?", schreie ich laut auf. Ohne mit der Wimper zu zucken hebe ich Luis an seinen Schultern hoch umd ziehe ihn durch die langen Gänge, durch die wir auch gekommen sind. Alle sehen mich mit Luis und wollen wissen, was passiert ist, aber ich antworte nicht und gehe einfach weiter. Die Person, die ich suche ist nicht anwesend. Ich sehe much nochmal um, bevor ich in das Schlafabteil gehe. Als ich Luis auf seinem Bett ablege, renne ich so schnell wie möglich in den Gesellschaftsraum und rufe laut: „Wo verdammt nochmal ist Lissa?" Bevor mir jemand antworten kann, sehe ich sie an einem Tisch mit Emilia, meinem Dad und seiner neuen Frau. Sie steht auf und kommt auf mich zu. Mit einem großen Grinsen sieht sie mich an und fragt: „Was ist denn los?" „Es ist etwas mit Luis. Er ist bewusstlos. Komm mit.", sage ich aufgeregt und packe sie am Handgelenk. Mit Lissa zusammen renne ich los, in der Hoffnung, dass es Luis noch gut geht. Ich weiß, wenn wir jetzt nicht handeln, wird er sterben. Der Weg bis zu Luis kommt mir länger und länger vor. Jede Sekunde zählt. Deshalb renne ich schneller und stürze fast. Trotzdem laufe ich noch schneller. Mein Herzschlag dröhnt in meinen Ohren, meine Augen schweifen durch das Lager und versuchen sich zu konzentrieren, mein Kopf ist nur bei einem Gedanken. Wir müssen Luis retten. Er ist ein Liebender, ich nicht. Woher ich das weiß? Keine Ahnung. Ich wusste es auf einmal.
Als wir endlich angekommen sind zeige ich auf Luis und sage:,,Er wird sterben. Wir müssen ihn retten. Wir müssen seinen Stern entfernen." „Mia du wir haben nicht viel Zeit. Wir hätten ein Messer mitnehmen sollen.", informiert sie mich seelenruhig. Hektisch renne ich in Richtung Küchenabteil. Meine Haare wehen nach hinten, mein Mund öffnet sich vor Anstrengung. Ich ziehe eine Schublade auf, in der sich sehr scharfe Messer befinden und nehme mir eins. Mit einem unguten Gefühl in der Brust sprinte ich wieder zu Luis und Lissa. „Mia gib mir das Messer." Langsam nähert sich meine Hand Lissas, aber hält kurz davor an. Irgendetwas hindert mich daran, ihr es zu geben. „Ich mache es.", schallt es in der Halle. Ich benötige ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass ich es gesagt habe.
Mit dem Messer in der Hand gehe ich einen Schritt näher zu dem Metallgerüst, auf dem sich eine einfache Matratze befindet. Das Messer, welches ich in meiner linken Hand halte, kommt mir immer schwerer vor. Meine Hände zittern und mein Atem wankt. Meine Augen wollen sich schließen, aber mein Verstand sagt ihnen, dass sie offen bleiben sollen. Ein Räuspern entfährt mir. Ich lege das Messer- mit seiner Spitze- an Luis' rechtes Schlüsselbein. Noch einmal atme ich tief ein. Auch wenn ich nicht hinsehen will, muss ich es. Ich sehe auf Luis' Augen bevor ich anfange zu schneiden. Sie sind geschlossen. Er ist immer noch bewusstlos. Wie Butter kann ich Luis mit einem ersten Schnitt versehren. Plötzlich öffnen sich seine Augen ruckartig und er schreit auf. Erst jetzt bemerke ich, dass er sehr verschwitzt ist. „Sch... Es ist alles gut. Beruhige dich. Wir müssen dir deinen Stern entfernen. Es wird kurz wehtun. Bitte reiße dich zusammen. Es ist gleich vorbei.", versucht Lissa ihn zu beruhigen.
Ich zucke vor Schreck zusammen, da mir eine Erinnerung kommt.
„Mia!", ruft Traver wütend. Mir ist zu schwindelig, um zu handeln. „Tu es! Sonst haben wir keine Zeit mehr." Hastig schüttel ich meinen Kopf und versuche bei der Sache zu bleiben. Voller Schmerz setze ich das Messer an und schneide tief ein. Sofort fließt Blut über Lissas Schlüsselbein. Trotz der Benommenheit mache ich weiter. Ich ziehe einen tiefen Kreis um ihren leuchtenden Stern. Um mich zu beruhigen murmle ich ein Lied, das mir schon seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf geht.
Golden years,
Followed by us,
Loved by everyone,
Do you see
What they do?

Don't leave me, alone,
You lonely stranger,
This is how it ends,
Fall apart for me,
Don't you see
What they gonna do?
Look in his golden eyes

This is the feeling
Of beeing alone,
Your lips,
Your curves,
Your golden eyes.
Stranger, stranger.
What are you doing here?

Golden years,
Followed by us,
Loved by everyone,
Do you see
What they do?

Don't leave me, alone,
You lonely stranger,
This is how it ends,
Fall apart for me,
Don't you see
What they gonna do?
Look in his golden eyes

This is the feeling
Of beeing alone
Your lips,
Your curves,
Your golden eyes.
Stranger, stranger.
What are you doing here?

..." Ich habe Lissas Stern schon fast entfernt. Traver drückt Lissa ein weißes Tuch in ihre Wunde, um die Blutungen zu stoppen. Dann setze ich wieder an. Ich muss unter dem Stern herschneiden , das heißt dass ich ein Stück Fleisch mit dem Durchmesser von knapp eineinhalb Zentimetern von Lissa entfernen muss. Da sie ihre Augen die ganze Zeit übrr geschlossen hat, ist sie meiner Vermutung nach noch ohnmächtig. Langsam gleitet das scharfe Messer unter den leuchtenden Stern. Es ist beängstigent wie leicht es geht.
Nacheinigen nervenaufreibenden Sekunden habe ich es geschafft. Ich habe Lissas Stern entfernt.

„Traver, du musst ein Tuch holen.", befehle ich ihm „Wofür?" „Tu es einfach!", schreie ich ihn hysterisch an. Angespannt setze ich zum zweiten mal mit dem Messer an, welches an Luis' Schlüsselbein platziert ist. Ich setze einen zweiten Schnitt.
Nach dem fünften Schnitt habe ich einen Kreis geformt. Nun kommt der letzte Schritt. Luis beißt auf seine Unterlippe und kneift seine Augen zusammen. „Luis, du hast es gleich geschafft. Jetzt kommt der wohl schmerzhafteste Teil. Bleibe stark.", sagt Traver um ihn zu beruhigen oder eher warnen. Er nickt mit einem gequältem Gesichtsausdruck und wartet darauf, dass ich den letzten Schritt mache. Und das tue ich auch. Ich setzte zum letzten Schnitt an und erinnere mich daran wie ich gedacht habe, dass es einfach wäre jemandem sein Fleisch wegzuschneiden. Ich lag falsch. Es ist einer der bedrückensten und schwersten Aufgaben, die es gibt. Ich gleite -wie beim letzten mal- unter die kreisförmigen Schnitte und lege Luis' entfernten Stern auf die nächstliegende Ablage, welche zur Zeit ein kleines Metalltischchen ist. Traver überreicht mir das gelbe Tuch, um das ich ihn gebeten habe und ich presse es auf die von mir entstandene Wunde. Man merkt schon nach einigen Momenten, wie sich das Tuch mit Blut vollsogt. Es wird schwere und das Blut sickert durch den ganzen Stoff, sodass es rot statt gelb wird. Viel von diesem Blut gelangt auf meine Hand. Meine Haut wird rot statt weiß. Das ist etwas, das man nie wieder abwaschen kann.

Wächter-gefangenWhere stories live. Discover now