Kapitel 12 🍀

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Drei Uhr nach Mittag. Nicht mehr lange, dann war endlich unsere Arbeit für heute getan.
Hyunjin machte den Behälter für den Katzenkot sauber und füllte neues Krümelzeug hinein. "Hyunjin. Was hast du da in der Hand?", fragte ich und deutete auf den dicken quadratischen Behälter, den Hyunjin festhielt. "Das ist Katzenstreu. Damit füllst du die Katzentoilette. Da die wenigsten Katzen kaum rausgehen, können sie dort einfach ihr Geschäft machen." "Ihr Geschäft?", fragte ich erneut. Seit wann können Katzen mit Geld und Ware handeln? Hyunjin lachte amüsiert. "Wahrscheinlich reden wir gerade von zwei unterschiedlichen Dingen. Dort urinieren die Katzen. Wir nennen es höflich auch Geschäft machen." Jetzt ergab es Sinn.
"Scheint so, als hätte ich noch eine Menge zu lernen.", gab ich verlegen zu und senkte den Blick auf meine Schuhe. "Lass dir Zeit damit. Du musst ja nicht alles an einem Tag lernen. Und ich bin ja auch da, um dich zu unterstützen. Das alles hat keine Eile."
Ich fegte den Eingangsbereich sauber und räumte die Arbeits-mittel in die dafür vorgesehene Schublade. Alles war jetzt ordentlich und konnte für den nächsten Tag genutzt werden.

Schließlich waren Hyunjin und ich auf dem Nachhauseweg. Die Sonne verschwand hinter einer dicken Wolke. Scheinbar würde es bald Regen geben.
Hyunjin sprang wie ein fröhliches Kind über den Asphalt und sang irgendetwas vor sich hin. Wenigsten hatte er gute Laune. Doch ich fühlte mich nicht so. Ich hatte leichte Bauchschmerzen und mein Misstrauen gegenüber Mina beschäftigte mich noch immer. Egal, wie ich es auch drehte und wendete, ich fand keine Verbindung zwischen ihr und meinen fehlenden Erinnerungen. Auch, wenn sie mit Sicherheit etwas damit zu tun haben musste.
"Felix. Was ist los? Du machst dir doch nicht wegen Minnie Sorgen, oder?" Ich zuckte zusammen und schaute Hyunjin an. "Doch. Tue ich." Mein Gewissen sagte mir, dass es falsch wäre, Hyunjin anzulügen. Also konnte ich ihm ruhig die Wahrheit sagen. "Ich denke, es ist sehr offensichtlich, dass ich Minnie nicht mag." "Ja. Das kann ich sehen. Steigere dich da aber nicht so rein. Ich will nicht, dass du dich deswegen vollkommen wahnsinnig machst. Du hast ja auch keinen handfesten Beweis, dass Minnie was mit deinen Erinnerungen zu tun hat." Ich schmunzelte und schwieg. Hyunjin hatte recht. Dieses Thema sollte ich erst einmal auf Eis legen und mich auf die Arbeit konzentrieren. Das war nun mal wichtiger.
"Holen wir uns einen Milchshake? Ich kenne einen sehr guten Laden in der Nähe.", wechselte Hyunjin. Ich blinzelte verwirrt. Diese Welt wurde von Minute zu Minute sonderbarer. "Was ist ein Milchshake?", fragte ich verwundert. Hyunjin lachte wieder. "Zeig ich dir gleich. Glaub mir. Du wirst es mögen." "Gut. Dann probier ich es." Hyunjin freute sich über meine Zustimmung und zog mich mit sich.

Kurze Zeit später waren wir an einem Laden, welcher genauso eine bunte Anzeige hatte wie das Tierheim und der letzte Laden, wo Hyunjin und ich essen waren. Nur, dass hier kein festes Essen verkauft wurde. Der Duft von frischem Obst ließ mich kurz mein Umfeld vergessen. Hyunjin holte mich wieder zurück in die Realität. "Felix. Was willst du haben? Du hast freie Auswahl." Ich wandte meinen Blick von ihm zu der Theke. Ich war hin- und hergerissen zwischen Erdbeer-Vanille und Blaubeer-Minze. Nach einer kurzen Weile entschied ich mich schließlich für Erdbeer-Vanille. Hyunjin nahm einen einfachen Himbeer-Milchschüttler oder wie auch immer er das auch genannt hat.
Nachdem Hyunjin die Ware bezahlt hatte, gingen wir nach draußen und suchten uns einen Platz zum Sitzen.
"Wie nennst du dieses Getränk noch einmal?", fragte ich Hyunjin und nahm einen Schluck davon. Es schmeckte einfach himmlisch. "Es ist ein Milchshake. Um es genauer zu erklären, du mischst einfach Milch mit den Zutaten deiner Wahl und etwas Zucker, schüttelst es kurz und dann ist es auch schon fertig. Wenn du willst, können wir uns auch einen selber machen. Das ist ganz einfach. Und vielleicht denkst du so auch mal an etwas anderes als an Minnie und dein verlorenes Gedächtnis. Etwas Ablenkung könnte dir nicht schaden." Wie schaffte Hyunjin es nur, mich immer wieder zum Lächeln zu bringen? Es war schon fast eine besondere Gabe. Ich stimmte seinem Angebot zu.
"Klingt gut. Und was jetzt?" "Jetzt können wir noch ein bisschen durch die Gegend spazieren und später muss ich noch mit Kkami raus. Du kannst mich gerne begleiten." "Wer geht denn mit Kkami raus, wenn du mal nicht zu Hause bist?" Hyunjin schaute hoch in den Himmel und sagte: "Die Nachbarn. Die haben einen Schlüssel für meine Wohnung, aber ich überlege, Kkami einfach überall mit hin zu nehmen. Ich bin mir bei diesen Menschen nicht mehr so sicher. Kkami kommt oft verängstigt zu mir zurück." Ich hatte Mitleid mit Hyunjin's kleinem Hund. Da hatte ich eine Idee. "Du könntest doch einfach Kkami mit ins Tierheim nehmen. Ich meine, es würde kaum auffallen, dass ein Hund frei herum läuft. Rede doch mal mit Mina." Mir wurde schlecht, als ich über die Chefin des Tierheimes sprach. Hyunjin schien mit den Gedanken auf einmal ganz woanders zu sein. Er starrte in den Himmel und seine Augen schienen die Wolken zu verfolgen. "Deine Idee ist gut. Aber ich weiß nicht, ob Mina das erlauben wird. Das Tierheim ist voll von Tieren. Ich hab Angst, dass Kkami für Ärger sorgen könnte." Daran hatte ich nicht gedacht. Doch ich wollte ihm etwas gutes tun. "Versuche es doch wenigstens. Du hast ja nichts zu verlieren." Hyunjin sah mich an und lächelte. "Okay. Ich versuche es. Danke, Felix." Eine ganze Weile sahen wir uns an und lachten schließlich. Ich wusste nicht mehr, wann ich das letzte Mal so gelacht habe, doch es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Eine sehr lange Ewigkeit.
"Komm mit, Felix. Ich will dir noch etwas zeigen.", kam es dann von Hyunjin. Er warf seinen leeren Milchshake in den Mülleimer. Ich tat es ihm gleich und trottete hinter ihm her.

"Wo sind wir?", fragte ich kurze Zeit später. Hyunjin und ich standen am Ufer eines Flusses, welcher aus der Stadt rausführte. Hyunjin setzte sich in das niedrige Gras. "Es ist mein Lieblingsplatz. Kkami und ich gehen hier öfters spazieren." Die Sonne glitzerte aus den sanften Wellen des Wassers. "Es ist wunderschön hier. Aber warum zeigst du mir das?" "Manchmal hilft es den Erinnerungen, wenn man an vertraute Orte. Ich weiß zwar so gut wie gar nichts über dich, aber vielleicht erinnerst du dich ja an eine Kleinigkeit."
Ich starrte weitehin auf das Wasser, doch es tat sich nichts. Nicht einmal ein Zucken oder Ähnliches. Dieser Fluss war mir vollkommen unbekannt.
"Leider erinnere ich mich nicht. Tut mir leid.", murmelte ich und starrte auf meine ausgestreckten Beine. "Kein Grund sich zu entschuldigen. Einen Versuch war es wert." Hyunjin nahm die ganze Sache total gelassen hin. Er wirkte so sorglos. Hatte er überhaupt keine Angst, dass ihm auch etwas passieren könnte?
Wieder sah ich hoch in den Himmel. "Die Wolken ziehen sich zusammen.", murmelte ich und verfolgte eine dicke Wolke, wie sie von Westen nach Osten zog. Langsam verschwand auch die Sonne. Hyunjin schnaupte. "Hoffentlich regnet es nicht. Ich muss doch noch mit Kkami raus. Er mag keinen Regen. Und ich auch nicht sonderlich." Ich grinste. "Ich finde Regen ganz schön." "Du magst Regen?" Hyunjin war verwundert und ich jetzt auch, nachdem ich realisierte, was ich gesagt hatte. "Ja. Ja, ich mag Regen. Daran kann ich mich tatsächlich erinnern. Und das ohne Kopfschmerzen zu kriegen." Hyunjin lachte. "Das freut mich. Es ist doch ein guter Fortschritt." Aber mich überzeugte das noch nicht so ganz. "Es wäre schön, wenn ich mich wieder an alles erinnern könnte." Meine Stimmung sank wieder zu Boden. Doch Hyunjin griff nach meiner Hand und sagte: "Geh es langsam an. Es braucht keine Eile. Sieh es als kleinen Erfolg an. Und je mehr wir davon schaffen, desto besser. Egal, wie lange es dauert." Hyunjin's Worte heiterten mich wieder auf. Einen Augenblick lang sahen wir uns an. Mein Vertrauen zu ihm fing an langsam zu wachsen. "Also willst du mir wirklich helfen?", fragte ich. "Ja klar, Felix. Wir sind doch Freunde. Und ich lasse einen Freund nicht im Stich. Egal, wie es ihm auch geht."
Hyunjin legte eine Hand auf meine Schulter. Ich spürte diese vertraute Wärme erneut.
Jetzt war ich mir ganz sicher, dass ich Hyunjin alles erzählen und anvertrauen konnte. Und dieses Gefühl einen Freund gefunden zu haben, war wirklich schön.
Langsam machten wir uns wieder auf den Rückweg nach Hause.

(Wörter: 1400)

Deadly Destiny {HyunLix}Where stories live. Discover now