Kapitel 4 🍀

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Der Abend brach herein. Hyunjin hatte das Bett in seinem Zimmer für mich schon fertig hergerichtet und auch frisch bezogen. Wie aufmerksam von ihm. Doch ich wunderte mich immer noch, warum er mich so mit Freundlichkeit überschüttete. Er schlief sogar freiwillig auf der Couch.
"Brauchst du noch irgendetwas für die Nacht?", fragte Hyunjin und reichte mir eine seiner Jogginghosen. "Etwas zu trinken." "Klar. Hol ich dir." Ich sah Hyunjin hinterher, wie er in die Küche ging. Aus einem Nebenzimmer kam dann ein kleiner Hund in mein Zimmer gelaufen und sah mich neugierig an. Er hatte weiß-schwarzes langes Fell und spitze Ohren. Und auch sein Gesicht war unglaublich süß. Ich ging in die Hocke und ließ den kleinen Vierbeiner an meiner Hand schuppern. Dieser leckte nun mit seiner Zunge über meine Finger.
"Wie heißt dein Hund, Hyunjin?", fragte ich. Hyunjin kam gerade mit einer Flasche Wasser um die Ecke. "Kkami. Er ist ein Chihuahua." "Wie niedlich." Ich war hin und weg von diesem Hund. So etwas Süßes habe ich noch nie gesehen. Zumindest nicht soweit ich mich erinnern kann.
Hyunjin stellte die Flasche auf das Schränkchen neben dem Bett. "So. Mal schauen, wie es morgen aussieht. Ich hoffe sehr, dass du dich bald wieder erinnern kannst." Ich seufzte. "Das hoffe ich auch." Ich nahm die Flasche und trank einen Schluck.
So sehr ich mich auch bemühte, ich konnte mich an nichts erinnern. Und je öfter ich es versuchte, desto schlimmer wurden meine Kopfschmerzen. Es war fast wie eine Warnung. Als wollten diese Schmerzen nicht, dass ich mich erinnerte. Doch wieso war dies so?
"Willst du mit mir einem Film gucken? Es ist noch sehr früh. Also haben wir genug Zeit dafür." Mal wieder hatte ich keine Ahnung, wovon Hyunjin sprach. Dieser Junge war mir ein Rätsel. "Sag mir jetzt nicht, dass du noch nie in deinem Leben einen Film gesehen hast?" Ich schüttelte den Kopf. "Ach du meine Güte. Dann wird es höchste Zeit, dass wir dies nachholen. Ich hole schnell ein paar DVDs aus dem Bücherregal. Dann können wir uns entscheiden, welchen wir schauen wollen." Hyunjin ging in den Flur. Ich sah ihm nach. Etwas war an diesem Jungen komisch. Was es war, konnte ich nicht sagen. Doch mein Instinkt flüsterte mir, es könnte für mich wichtig sein. Ich wusste nur noch nicht, auf welche Art und Weise. Aber er war auf jeden Fall nicht normal. Vielleicht war er ja nicht mal ein Mensch. Ein Mutant? Ein Vampir? Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, was hier gerade abging. Alles war wie ein kurioser und unzusammenhängener Film, welcher keinen Sinn ergab. Hyunjin hätte alles und nichts sein können, dennoch vertraute ich ihm als würde ich ihn schon seit Ewigkeiten kennen. War dies wirklich eine so gute Idee? Ich war zwischen meinen fehlenden Erinnerungen und der Realität hin- und hergerissen. Zum ersten Mal fühlte ich mich so. Und es war gar nicht gut. Es war furchtbar.
"So. Ich habe ein paar DVDs. Ich wusste nicht, was du gerne schaust, deswegen habe ich einfach mal so um die zehn Stück geholt. Sag mir einfach, welches Cover du am schönsten findest und dann schauen wir den. Was hälst du davon?" Mein Blick flog über die bunten Bilder. Noch immer war mir das ein Rätsel, doch etwas neues auszuprobieren tut nicht weh. Also deutete ich auf das Orange-Rote mit dem dunkelhäutigen Jungen. "Also Karate-Kid?" Ich nickte. Hyunjin nahm die Scheibe aus der Plastikbox und schob sie in den schwarzen Kasten hinein. Ich war so auf sein Tun fokusiert, dass ich den Hund, welcher neben mir auf die Couch sprang, zuerst gar nicht bemerkte. Deswegen erschreckte ich mich auch kurz. Kkami sah mich an und stupste mich mit der Schnauze. Ich streichelte ihr über den kleinen Kopf. Sie war so süß und lieb.
"Kkami scheint dich zu mögen.", lachte Hyunjin und setzte sich zu mir. Alles, was ich tat, war ein Lächeln aufbringen. Mehr konnte ich mir gerade nicht erlauben. Mein Kopf war immer noch voller Fragen. Doch ich versuchte, mich durch den Film ein wenig abzulenken.

Die Zeit verging wie im Fluge. Wir waren schon bei der Mitte der Geschichte angekommen und es wurde auch schon dunkel draußen. Regentropfen fingen an gegen die Fensterscheiben zu klopfen.
Hyunjin drückte auf einen Knopf eines grauen kleinen Kastens. Der Film blieb stehen. "Ich gehe schnell auf Toilette. Komme gleich wieder." "Ist gut.", erwiderte ich und zog die Beine an, damit Hyunjin nicht stolperte.
In dem Moment, wo er den Raum verließ, trat Stille ein. Unangenehme Stille, die mir nicht gefiel. Ganze drei Minuten hielt das an, bis schließlich etwas gegen die Scheibe flog. Es war kein Regentropfen. Hörte sich mehr nach einem Stein an. Ich stand auf und drückte meine Nase an das Fensterglas. Es war dunkel. Nur durch ein paar Straßenlaternen konnte ich etwas sehen. Nichts ungewöhnliches.
Doch da huschte schließlich ein Schatten hinter einem Auto hervor. Ich schnappte vor Schreck nach Luft. Meines Erachtens nach hatte er eine Waffe auf dem Rücken. Sah aus wie ein Schwert.
Die Person blieb vor der Ecke eines Hauses stehen und sah in meine Richtung. Sie sah zu mir hinauf. Etwas Rotes blitzte in seinem Gesicht auf. Waren das etwa seine Augen? Doch ehe ich genauer hinsehen konnte, verschwand die Gestalt um die Ecke des Hauses.
"So. Jetzt können wir mit dem Film weitermachen.", sagte ganz plötzlich Hyunjin. Ich drehte mich vor Schreck um und atmete tief durch, als ich ihn sah. Er hatte diesen besorgten Blick auf seinem Gesicht. "Geht es dir gut, Felix? Du bist kreidebleich um die Nase. Hast du ein Gespenst gesehen?" Ich warf einen letzten Blick über meine Schulter. Doch die Nacht war wieder ruhig. "Kurz dachte ich es, aber es war nur eine Katze. Alles gut." "Nun. Wenn das so ist, können wir ja weitergucken."
Hyunjin setzte sich zu mir. Ich fühlte mich nicht gut dabei, ihn anzulügen, doch ich wollte nicht, dass Hyunjin deswegen beunruhigt war. Es war für mich schon schwer genug zu verstehen.
Meine Augen folgten den Figuren in der Flimmerkiste. Dieser Film fing schon gut an, doch irgendwie begriff ich nicht, warum man so etwas schaut. Mir kam es so vor, als wären diese Figuren dort drin nur Gefangene in einem fremden Leben und ihr inneres wahres Selbst wollte nur aus dem Kasten ins Freie springen. Ein merkwürdiger Gedanke, wenn man direkt davor sitzt und ihnen zusieht.
Doch egal wie sehr ich mich auf das Geschehen hinter dieser dicken Glasscheibe konzentrierte, mir ging die Gestalt von vorhin nicht mehr aus dem Kopf. Sie tauchte einfach aus dem Nichts auf und schien mich zu verfolgen. Sie wusste sogar, wo ich untergebracht war. Habe ich diese Person etwa auch vergessen? Ich bekam bei den vielen Fragen wieder Kopfschmerzen. Seufzend griff ich nach dem Glas Wasser auf dem Wohnzimmertisch und trank es in einem Zug aus. Von dem Film bekam ich schon gar nichts mehr mit. Und auch Hyunjin spielte eher mit seinem Hund. Er benahm sich, als würde es ihm an nichts fehlen. Nun gut. Er war ja auch nicht derjenige, der das Gefühl hat verfolgt zu werden und all seine Erinnerungen verloren hat. Dieser Junge war trotzdem sonderbar. Ich wusste nicht, was an ihm so sonderbar war, doch etwas war definitv da, was nicht in sein Erscheinungsbild passte. Vielleicht war er kein Mensch. Vielleicht war er etwas .... nicht Menschliches.
Ich sah aus dem Fenster nach draußen. Es geschah nichts. Alles war wieder ruhig und die Stadt versank im strahlendem Licht des Vollmondes. Doch dieses beunruhigende Gefühl war noch da. Ich hatte tatsächlich Angst. Was war dort draußen nur? Was oder wer verfolgte mich?
"Komm, Felix. Du solltest jetzt schlafen gehen. Wir wollen morgen ja zur Hundepension." Hyunjin öffnete das Fenster. Jetzt bekam ich erst recht Angst. "Hyunjin. Kannst ... du das Fenster wieder zu machen?" Er sah mich erstaunt an, doch lächelte schließlich. "Klar. Wenn du so besser schlafen kannst." Hyunjin machte das Fenster wieder zu.
"Gute Nacht, Felix. Wir sehen uns morgen." "Ja. Bis morgen." Der Junge ging aus meinem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Ich zog mein Shirt aus und warf es ans Ende des Bettes. Doch an Schlaf war gar nicht zu denken. Zu groß war meine Angst, dass ich Alpträume bekam. Ich lauschte weiterhin den Regentropfen. Schließlich fielen meine Augen von selbst zu und ich tauchte ein ins Land der Träume.

(Words: 1389)

Deadly Destiny {HyunLix}Where stories live. Discover now