Kapitel 2 🍀

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Mit aufgerissenen Augen starrte ich auf den neongelb-leuchtenden Schriftzug über dem Eingang des Restaurants. Es war atemberaubend. So etwas habe ich zuvor noch nie gesehen.
"Es ist mein Lieblingsrestaurant. Die haben da das beste Hühnchen.", erklärte Hyunjin. "Klingt gut. Dann lass uns da essen." Ich hielt meine Stimme weiterhin gesenkt. Einfach, weil ich das ich Gefühl hatte, verfolgt zu werden.
Hyunjin ging voraus und hielt mir die Tür auf. Der Geruch von frischem Fisch, Reis, Gewürzen und Hühnchen stieg mir in die Nase. "Du scheinst tatsächlich Hunger zu haben.", lachte Hyunjin. "Das habe ich auch." "Komm. Wir setzen uns da vorne ans Fenster." Hyunjin deutete auf einen Tisch mit roter Decke. "Gut."
Wir setzten uns und bestellten unsere Getränke. Es war nicht viel los. Gut so, denn etwas Ruhe tat mir gerade ganz gut.
"Also, Hyunjin. Was machst du beruflich?", fing ich an, um die Stille zwischen uns zu stoppen. Er sah zu mir auf. "Ich suche momentan noch nach einem Job. Aktuell versuche ich mit Hundesitting und Zeitung austragen über die Runden zu kommen. Es ist nicht gerade viel, doch solange ich noch keine eigene Wohnung habe reicht es für mich. Ich wohne noch bei meiner Mom." "Okay." "Hast du auch Familie, Felix?" Ein dicker Kloß hinderte mich daran, ihm zu antworten. Ich konnte mich erinnern, dass ich eine Familie habe.
"Ich weiß nicht, ob ich eine Familie habe.", murmelte ich. Hyunjin schaute mich unglaubwürdig an. "Jeder Mensch hat eine Familie. Wie kann es denn sein, dass du dich nicht daran erinnerst? Weißt du denn auch nicht, wo du herkommst?" Ich wollte zu einer Antwort ansetzen, doch ich kam nicht dazu. Stattdessen starrte ich nach unten auf meinen Kakao, welcher uns gerade auf den Tisch serviert wurde, und rührte verträumt darin herum. Ich fühlte mich auf einmal so klein, verloren und ohne Bedeutung. Es musste doch einen Grund geben, warum ich hier wach geworden bin.
"Nein. Ich weiß wirklich gar nichts mehr. Tut mir leid.", erwiderte ich. Hyunjin lächelte mich an. "Entschuldige dich nicht für etwas, was nicht deine Schuld ist. Wenn du willst, kann ich dir helfen, dies herauszufinden. Und solange du kein Zuhause hast, kannst du bei mir unterkommen. Ich hab noch ein Zimmer in meiner Wohnung frei und ich helfe dir, einen Job zu finden. Was hälst du davon?" "Aber du kennst mich doch gar nicht, Hyunjin." Er lachte wieder. "Was ist daran so lustig?" "Dann kann ich dich ja jetzt kennenlernen." "Ohne Erinnerungen gibt es nicht viel über mich zu wissen." "Du hast es doch noch gar nicht versucht." Hyunjin überlegte kurz. Dann fragte er: "Was ist deine Lieblingsfarbe?" "Das ist nun wirklich lächerlich." "Na komm. Sag schon. Es wäre immerhin eim Anfang." "Schwarz. Und deine?" "Schwarz und weiß." "Wie bei einem Pinguin?" Wir lachten über meinen dumme Witz. "Ja. Wie bei einem Pinguin.", sagte Hyunjin. Es war so schön sich mit ihm zu unterhalten.
Unser Gespräch dauerte noch ewig, bis ich Hyunjin dann nach der Zeit fragte. "Wie spät ist es eigentlich?" Er sah auf sein Handy. "Schon fünf Uhr nachmittags. Ich sollte langsam nach Hause. Ich muss morgen wieder zum Hundesitting." Er bezahlte unsere Bestellungen und wir gingen aus dem Cafe. "Weißt du, wo du über die Nacht hin kannst?" "Ähm ...." Ich ahnte, dass er mich das fragen würde. Doch ich konnte ihn nicht darum bitten, bei ihm unter zu kommen. Ich hatte ja nicht mal einen Job oder so. Doch Hyunjin lächelte wieder und griff nach meiner Hand. "Komm. Du übernachtest erst einmal bei mir." "Was? Nein. Das kann ich nicht machen." "Keine Widerrede. Du bleibst erst mal so lange wie nötig bei mir. Vielleicht schaffe ich es bei der Hundepension eine Stelle für dich klar zu machen. Dann hast du immerhin schon mal einen Job und eine Bleibe."
Wie kann Hyunjin mich so einfach bei sich aufnehmen? Ich kam mir gerade vor wie ein adoptiertes Kind. Doch mir blieb keine andere Alternative. Auf der Straße zu wohnen wäre fatal. Und mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich Hyunjin vertrauen konnte.
"Gut. Dann machen wir es so." Hyunjin lächelte wieder. Sein Lächeln war für mich so, als würde ein Licht aufgehen und Rosen auf einem Feld erblühen lassen. Er war kein schlechter Mensch. Das habe ich bereits verstanden und realisiert. Doch ich musste mir zu hundert Prozent sicher sein, dass ich ihm vertrauen konnte.

Die Sonne ging langsam hinter den Gebäuden der Stadt unter. Lampen in den Straßen entfachten ihr Licht und die Stadt wirkte nun wie ein schweigendes Lichtermeer. Die ganze Zeit versuchte ich mich an das zu erinnern, was vor meiner Ankunft in dieser Stadt passiert ist, doch dies gelang mir nicht. Meine Erinnerungen waren verschwommen und unklar. Als würde mein Verstand darin ertrinken. "Über was denkst du nach, Felix? Du bist so in dich selbst vertieft.", fragte Hyunjin. Ich schaute zu ihm. "Nichts. Ist schon in Ordnung. Mir geht es gut." "Du siehst aber nicht so aus." Sollte ich es ihm sagen? Nein. Dafür war es noch zu früh. "Schon gut. Ist nicht so wichtig. Aber nett, dass du fragst." Wieder trat Schweigen ein. Klar wäre es besser, mit jemandem über seine Gefühle zu reden, doch wenn ich nicht einmal wusste, wie ich meine Gedanken ordnen sollte, konnte ich auch nicht darüber sprechen. Es würde nur zu noch mehr Verwirrung in meinem Kopf sorgen.
Schließlich waren wir bei Hyunjin's Wohnung angekommen. Er wohnte in einem Hochhaus. Was hat sich nur verändert? Ich wusste, dass ich in einer anderen Welt war, doch wusste nicht, von wo ich herkam. Es war praktisch so, als hätte ich kein Zuhause. Auch fühlte es sich für mich so an, as würde ich Hyunjin zur Last fallen. Er kannte mich kaum und gab mir eine Unterkunft bei sich zu Hause. Warum war er so nett zu mir? Konnte ich ihm überhaupt vertrauen? Vielleicht wollte er mich auch nur austricksen. Ja, ich war sehr misstrauisch, ihm gegenüber. Woher dies kam, wusste ich nicht.
"Na komm. Du kannst ruhig mein Zimmer haben und ich schlafe im Wohnzimmer." Jetzt war ich völlig überfordert. "Nein. Nein. Ich kann doch nicht in deinem Zimmer schlafen. Ich schlafe im Wohnzimmer. Das ist kein Problem. Wirklich." Doch Hyunjin ließ nicht locker. "Keine Widerrede. Du bist mein Gast und das ist das Mindeste, was ich tun kann. Also. Ich schlafe im Wohnzimmer. Punkt." Ich seufzte. Hyunjin war wirklich schwer umzustimmen. Aber ich war dankbar, dass er mich bei sich unterkommen ließ.

Nachdem wir zu Abend gegessen haben, saßen wir vor dem Fernseher und schauten einen Film. Doch die meiste Zeit unterhielten wir uns. Hyunjin erzählte mir von seinen Hobbies und Vorlieben. Ich fand es schön, dass er sich für so etwas Tolles wie Tanzen interessierte. Hyunjin tanzte schon, seit er zehn Jahre alt war. Und jetzt war er achtzehn.
"Hast du es dir selbst beigebracht?", fragte ich. "Nein. Erst habe ich Unterricht genommen und dann trainierte ich privat weiter. Ich habe sogar an ein paar Competitions teilgenommen und drei gewonnen. Doch ich war seit einer geraumer Zeit nicht mehr bei einem Auftritt. Man kan sagen, dass ich aus dem Showbusiness ausgestiegen bin." "Willst du nicht mehr mitmachen oder kannst du nicht?" Vielleicht habe ich etwas zu direkt gefragt, doch ich war so von meiner Neugier übermannt, dass ich einfach fragen musste. Hyunjin antwortete: "Vor ein paar Jahren hatte ich einen Auftritt und aus heiterem Himmel ist eine der Requisiten von der Decke auf mich hinunter gerast. Ich konnte gerade noch so ausweichen, doch dieses Trauma ist geblieben. Wenn ich auch nur bei einer Theateraufführung im Publikum sitze, bekomme ich akute Schweißausbrüche und ich kann nicht mehr richtig atmen. Ich habe es auch schon mit psychologischer Hilfe versucht, doch es hat nichts gebracht." "Oh. Das muss furchtbar gewesen sein." "War es auch. Wenn ich aber auf der Straße tanze, habe ich keine Probleme damit."
Hyunjin weckte mein Interesse für ihn immer mehr. Schließlich fragte er mich: "Kannst du dich eigentlich an deine Familie erinnern?" Es war mit sehr unangenehm über meine Gedächtnisverlust zu sprechen, doch bei Hyunjin musste ich mich nicht verstellen. Mein Gewissen sagte mir, dass ich ihm vertrauen konnte. "Nein. Ich erinnere mich an nichts. Weder wie sie aussahen, noch an ihre Namen. Ich weiß nicht einmal, ob ich welche habe. Aber das ist auch nicht von großer Bedeutung. Doch jetzt habe ich mal eine Frage. Wieso lässt du mich einfach so bei dir übernachten? Du kennst mich erst seit ein paar Stunden." Hyunjin sah mich an und dann wieder auf den Wohnzimmertisch. "Du machst für mich den Eindruck, als bräuchtest du Hilfe. Ich mag es, Menschen zu helfen und sie zu unterstützen. Außerdem siehst du nicht aus, als wärst du gefährlich. Wenn du über etwas reden willst, dann sag das ruhig. Ich höre dir zu." Es gab mir ein mulmiges Gefühl, so lieb von Hyunjin behandelt zu werden. Ich meine, er ließ mich sogar bei sich übernachten. Konnte ich ihm tatsächlich vertrauen?
"Wo ist denn die Toilette?", fragte ich. Hyunjin deutete in Richtung Flur. "Um die Ecke und am Ende auf der linken Seite." Ich stand auf und ging aus dem Wohnzimmer. Doch bis zur Tür kam ich nicht. Auf einmal wurde mir schwindelig und meine wurden schwach. Ich fühlte mich so, als würde ich jeden Moment in Ohnmacht fallen. "Hey. Felix, alles okay? Du siehst irgendwie blass aus." Ich wollte ihm antworten, doch die Sicht vor meinen Augen verschwamm immer mehr. Schließlich wurde alles schwarz um mich herum.

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Deadly Destiny {HyunLix}Where stories live. Discover now