Neujahr und neue Erkenntnisse

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"Naava, Neujahr ist heute", hörte sie Revalis Stimme am Eingang Vah Monahs. Sie seufzte leise und wirbelte zu ihm herum, mit dem Dolch in ihrer Hand. Sie war gerade im Training gewesen und hatte ihn nicht hereinkommen gehört. Anscheinend hätte sie auch Neujahr verpasst, wenn er nicht hier wäre. Dann dachte sie, wenn sie heute ins Schloss ginge, schaffte sie es vielleicht, erneut mit Mipha zu reden, ohne unterbrochen zu werden. Das war zumindest das, was sie sich in dem Fall für den Tag vornahm. Sie nickte Revali zu und flog, ohne ein Wort zu sagen, von Vah Monah zu Schloss Hyrule. Hinter ihr konnte Naava den Orni hören, aber sie drehte sich nicht um.

Zumindest hatte er sich daran gehalten, dass sie ihn bis Neujahr nicht sehen wollte, das musste sie ihm lassen. Vor der Reise hätte er sich nicht darum gekümmert, ob sie ihn sehen wollte oder nicht. Er hätte einfach getan was er wollte und wenn sie ehrlich war, dann war sie nicht besser. Und es interessierte sie auch nicht sonderlich. Wieso auch? Nachdem sie sowieso wusste, dass die Welt in fünf Monaten untergehen sollte, konnte sie auch genauso gut sie selbst sein, ohne sich um die Meinung anderer zu kümmern. Was sie vorher sowieso nicht getan hatte. Naava schüttelte den Kopf und versuchte, an nichts mehr zu denken, bis sie das Schloss erreichte.

Sie landete vor dem großen Eingangstor und die Wachen ließen sowohl sie, als auch kurz nach ihr Revali, herein. Mipha stand mit Link einige Meter weiter vorne und soweit Naava es beurteilen konnte, waren sie in ein recht wichtiges Gespräch vertieft, woraufhin sie seufzte. Sie wollte doch einfach nur kurz mit der kleinen Zora reden. Da das aber gerade nicht funktionierte, blickte sie sich um und versuchte herauszufinden, was sie jetzt machen sollte. Ihr Blick fiel auf ein Schild, das in den Gang rechts von ihr zeigte. Naava ging darauf zu und las "Königliche Bibliothek" darauf. Dabei dachte sie sich, dass sie sich ein wenig über ihre Fähigkeit informieren könnte und wie sie sie einsetzte. Kurz blickte sie zurück zu Link und Mipha, ehe sie den Gang zur Bibliothek entlang ging.

Sie stieß die großen Türen auf und betrachtete die etlichen Regale voller Bücher. Andere wären vermutlich beeindruckt, aber für Naava bedeuteten die Regale eine lange und anstrengende Suche. Daher beschloss sie, erstmal bei den Informationen über die königliche Familie zu schauen. Dort wurde nämlich immer auch die Fähigkeit der Siegelkraft erwähnt, welche Zelda besitzen sollte und Naava hoffte einen Hinweis auf Energiebälle oder ähnliches zu finden.

Zu ihrem Leidwesen stand dort immer nur etwas über das Masterschwert, die Seele des Helden, die Siegelkraft, die verschiedenen Zeldas der vergangenen Jahrtausenden und die Königsfamilie an sich drin. Hier hatte sie also kein Glück und sie war kurz ratlos, aber dann fiel Naavas Blick auf die Buchkategorie "Göttliche Fähigkeiten, Waffen und Artefakte". Sie bezweifelte zwar, dass ihre Fähigkeit 'göttlich' war, aber sie konnte es ja zumindest versuchen. Immerhin war sie nicht mit dieser geboren worden, anders als Mipha, Urbosa und Daruk. Naava musste sich, wie Revali, ihre Fähigkeit erst erarbeiten und darin war sie noch nicht besonders gut.

Nachdem sie an die zwölf Bücher durchgelesen hatte, war sie auf einen interessanten Artikel gestoßen. "Fähigkeiten, die die Göttinnen selbst verliehen", murmelte sie vor sich hin und las die aufgelisteten Fähigkeiten durch. Ihr Blick blieb bei einer der Beschreibungen hängen. "Einmal in zehntausend Jahren steigt eine der vier Göttinnen, Farore, Nayru, Din oder Hylia auf die Erde herab und segnet ein, von ihnen auserwähltes, Kind mit einer besonderen Fähigkeit. Diese besteht darin, dass die Person, die sie in sich trägt, ihrem Körper Energie zuführen kann und diese im Zustand eines Balls bändigen und von sich weg schießen kann. Die Person spürt die Fähigkeit nicht von Geburt an und braucht eine lange Zeit, um sie kontrollieren und einsetzen zu können", las Naava mehr oder weniger laut mit, stockte aber bei dem Teil, in dem beschrieben, was die Fähigkeit war. "Die letzte Person, die diese Fähigkeit besaß war die große Königin Ązura, welche ihre Tochter Zelda im Kampf gegen Ganon unterstützte und das Volk Hyrules in dieser düsteren Zeit anführte."

Naava versank förmlich in ihrem Stuhl. Farore hatte sie Auserwählte genannt. Sie hatte Naava diese Kraft verliehen und sie als Recke gewählt. Die Elfe war das erste Mal in ihrem Leben wirklich so sprachlos, dass sie sich unsicher war, ob sie je wieder wirklich reden könnte. Ihr wurde gerade bewusst, dass sie tatsächlich ein Schützling der Göttinnen war und sie wusste nicht was sie davon halten sollte. Dass sie das jetzt herausgefunden hatte, änderte nichts daran, dass ihr Hindernisse über Hindernisse in den Weg gestellt worden waren. Dass sie mehr bestraft als belohnt wurde. Sie beschwerte sich nicht darüber, sie versuchte nur, den Zusammenhang zu sehen, aber es ging nicht. Ihre einzige Vermutung war, dass all das geschehen ist, um sie auf ihrem Weg als Recke vorzubereiten. Sie schüttelte seufzend den Kopf, klappte das Buch zu und stand auf, um es in das Regal zurück zu stellen.

Als sie wieder draußen im Gang stand, hörte sie die königlichen Trompeten, die das Abendmahl verkündeten. Sie lief Richtung Speisesaal und begegnete auf halbem Weg Urbosa und Daruk. "Guten Abend, Naava", sagte Daruk fröhlich und Naava nickte halbherzig lächelnd zu. "Alles okay?", wollte Urbosa wissen und musterte sie kurz von der Seite. Die Elfe nickte nur, den Blick unverwandt geradeaus gerichtet. Die Gerudo machte ein zweifelndes Geräusch, sagte aber nichts weiter dazu, was Naava ganz recht war. Sie wollte nicht von den Göttinnen auserwählt worden sein und schon gar nicht wollte sie darüber reden.

Im Speisesaal setzte sie sich zu Revali, gegenüber von Ruža. Diese musterte Naava mit ihren braun-goldenen Augen und nickte dann verständlich, als würde sie wissen, was Naava gerade durch den Kopf ging und wie sie sich dabei fühlte. Und Naava fand das gar nicht mal so abwegig. Sie hatte sowieso das Gefühl, dass Ruža neben ihrer Gabe, in die Zukunft sehen zu können, auch Gedanken las.

Dabei ging ihr etwas durch den Kopf und sie fragte die junge Frau: "Du besitzt doch auch eine Fähigkeit. Eine seltene, die nur in der Königsfamilie vorkommt. Wieso bin ich Recke und nicht du?" Revali drehte sich verwirrt zu den beiden und Ružas Blick verhärtete sich. "Es ist mir angeboten worden", antwortete sie kalt "Aber Schuld sein wenn Hyrule untergeht? Nein danke. Außerdem bedeutet mir all das hier nichts. Wenn die Verheerung vorüber ist, gehe ich weg von hier. Raus aus Hyrule. Das habe ich meiner Schwester, Sina, geschworen. Ich bin sowieso nur hier, weil ich unserem Prinzesschen und dem König etwas schulde."

Naava war recht verwundert. Diese Frau hatte eine komplexere Geschichte, als sie gedacht hatte. Und sie hatte auch nie darüber nachgedacht, dass es nach Hyrule noch etwas geben könnte. Es war logisch, klar, aber es hatte sie nie wirklich interessiert, da sie ganz zufrieden hier war. Ruža schien es nicht so zu gehen. Und was schuldete sie den beiden, das sie hierbleiben ließ? Die Wahrsagerin schien wie jemand, der sich normalerweise nichts aus den Befehlen anderer machte und dass sie einfach tat was sie wollte, ohne sich darum zu kümmern, wer das befürwortet oder nicht. Eigenwillig war das richtige Wort dafür. Die Elfe schüttelte den Kopf und wandte sich König Rhoam zu, der gerade zu seiner Rede ansetzte.

Nach dem Essen war es gerade mal 20 Uhr und es würde noch 4 Stunden bis Neujahr dauern und Naava war sich erneut unschlüssig, was sie tun sollte. Ihr Blick fiel auf Mipha, welche gerade recht nachdenklich, aber alleine den Gang entlanglief, weswegen sie schnell auf sie zuging und die Zora anhielt. "Oh, hallo, Naava", sagte Mipha leicht überrumpelt. "Verzeih, Mipha, aber wir wurden beim letzten Mal unterbrochen, als ich mit dir reden wollte. Macht es dit etwas aus, das jetzt nachzuholen?", sagte Naava, auch wenn es ihr mehr oder weniger egal war, ob die Zora-Prinzessin etwas dagegen hatte. "Nein, nein, macht nichts", antwortete diese lächelnd "Also, worum ging's nochmal?" "Gefühlsberatung", antwortete Naava. "Ach richtig", murmelte Mipha und dachte ein wenig nach.

Leider kamen sie zu keinem wirklichen Ergebnis, als Urbosa sich zu ihnen gesellte und sie machte bereits den Eindruck, als wäre sie leicht angetrunken, dabei war es gerade einmal halb elf. "Auch hallo, Urbosa", begrüßte Naava die Gerudo kopfschüttelnd. "Eh, wenn du mich entschuldigen würdest, Naava, aber ich, uhm, muss noch was machen", verabschiedete sich Mipha hastig, lief den Gang hinunter und bog irgendwann nach rechts. "Tschüss, Mipha", murmelte Naava der kleinen Zora hinterher und ließ sich dann von Urbosa zur Bar begleiten. Sie war immerhin alt genug, Alkohol trinken zu dürfen und heute war ein besonderer Tag, also warum nicht?

Als Zelda die Recken kurz vor Mitternacht zu sich, auf den Balkon, rief, hatte Naava schon an die drei Cocktails geleert, spürte aber noch fast gar nichts. Elfen waren recht immun gegen Alkohol, weswegen es schon etliche Geschichten über Wettrinken zwischen den Elfen und den Gerudo gab. Das Ergebnis war nie eindeutig. Auf dem Balkon stellte sie sich zwischen Mipha und Revali und er musterte sie. "Hast du was getrunken?", fragte er leise. Sie nickte ihm nur zu, immerhin hatte es ihn eigentlich nichts anzugehen, was sie tat und was nicht. Ihre Aufmerksamkeit wurde von Zelda auf sich gelenkt, welche begonnen hatte zu reden. Naava wusste, dass es sich um eine Rede handelte, in der sie die Recken ermutigte, im kommenden Jahr tapfer und mutig gegen Ganon zu stehen und so weiter und sofort, deswegen hörte sie der Prinzessin auch nicht zu.

Kurz nachdem sie fertig war, wurde das Schloss in die verschiedensten Farben getaucht und es waren überall die Explosionen von Feuerwerk zu hören. Revali legte einen Flügel um Naava und diese ließ es ausnahmsweise zu. Wie gesagt, heute war ein besonderer Tag und sie war recht froh über seine Anwesenheit. Und mehr oder weniger freiwillig lehnte sie sich an ihn und beobachtete gemeinsam mit ihm das Feuerwerk. "Unglaublich, wie weit wir es geschafft haben", sagte Revali leise zu der Elfe und sie nickte zustimmend. "Und das obwohl wir uns eigentlich gehasst hatten", entgegnete Naava genauso leise. "Schätze mal, die Götter haben ein anderes Schicksal für uns vorgesehen", murmelte der Orni und blickte sie aus dem Augenwinkel an. Seine Stimme war sanft und als Naava zu ihm hochsah, lächelte er. Und dieses Lächeln hatte etwas... Hoffnungsvolles an sich.

Nachdem das Feuerwerk vorbei war und sich die Recken voneinander verabschiedet haben, erkundigte sich Naava bei Zelda, ob sie über Nacht bleiben dürfe. Diese bejahte es und Naava ging daraufhin in das Gästezimmer, in dem sie Monate zuvor schon verweilt war. Jetzt legte sie sich ins Bett und dachte darüber nach, wie schnell sich von dort, bis zu diesem Zeitpunkt, ihr Schicksal geändert hatte, wo sie damals gewesen und wo sie heute war. Es war unbeschreiblich seltsam, daran zu denken, deswegen dachte sie auch nicht weiter darüber nach und schloss die Augen.

Am nächsten Morgen, beziehungsweise Mittag ging sie rasch aus dem Zimmer hinaus und flog zurück zu Vah Monah, wobei sie hoffte, dass sie niemandem über den Weg lief oder flog. Sie schaffte es auch tatsächlich unbemerkt zurück und dort aß sie etwas aus ihrem improvisierten Proviantlager, da sie keine Lust hatte, jagen zu gehen. Danach wollte sie mit Monah sprechen, also eigentlich wollte sie versuchen durch Monah an Farore zu kommen, aber sie entschied sich schlussendlich dagegen. Stattdessen setzte sie sich an die Steuerungseinheit und versank in Gedanken.

An old Legend gets toldWhere stories live. Discover now