15. Vanillekipferl und unangenehme Gespräche

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Fünfzehntes Kapitel
Vanillekipferl und unangenehme Gespräche

Oliver

Ich weiß schon nach wenigen Minuten, dass ich wenigstens das Radio hätte anschalten sollen. Obwohl meine Eltern Alejandro seit einem Jahr nicht gesehen haben und es darum genug Themen geben würde, um einen ganzen Abend mit interessanten und gleichzeitig ungefährlichen Gesprächen zu füllen, ist das Einzige was die Geräuschkulisse ausfüllt, das Kratzen von Metall auf Porzellan.

Mein Vater, der das Essen gemacht hat, hat kurz von seinen heutigen Vorlesungen erzählt und ist dann in Schweigen verfallen. Sein Laptop steht neben seinem Teller und es ist ein Wunder, dass die Tastatur noch keine roten Sprenkel von Chili Con Carne aufweist.

Wäre Mai hier, wäre es nicht so still.

Aber meine Schwester ist krank (eventuell, weil sie nicht nur Samstag beim Lasertag ihre Jacke vergessen hatte!) und verbringt die Woche und den ersten Advent bei meinen Großeltern. Meine Mutter und mein Vater sind zu beschäftigt mit Vorbereitungen für die Zwischenprüfungen, als dass sie sich um ihre kranke Tochter kümmern könnten.

Wenigstens hat Mais Krankheit den Vorschlag meines Vaters, ich könne sie ja zum Weihnachtsdreh mitnehmen, da er und meine Mutter ja so beschäftigt wären und Billy so hart arbeitet in den Wind geschlagen. Sie wird zwar in zwei Wochen, wenn wir nach Frankreich fahren, nicht mehr krank sein, aber bestimmt nicht gesund genug, um mich zu begleiten. Außerdem kann ich sie auch schlecht für die Woche von der Schule befreien, wenn sie jetzt schon so viel verpasst.

Wir werden wohl ohne unser Maskottchen auskommen müssen.

Trotzdem vertieft sich die Falte in der Stirn meines Vaters jedes Mal, wenn ich den Dreh erwähne.

"Das Chili ist sehr gut geworden, " merkt Alejandro gerade an, der die Stille noch nicht akzeptiert zu haben scheint wie ich.

Meine Mutter blickt von ihrer Zeitung auf.

Normalerweise liest sie nicht während wir Gäste haben. Aber Alejandro gehört so gut wie zur Familie.

"Das Pulver haben wir von dem netten Herren unter uns," erklärt sie und lächelte verschwörerisch, als wäre die rote Tüte, die uns Herr Johger aus dem zweiten Stock gegeben hat, eine unglaublich geheime Rezeptur und nicht das heruntergesetzte Pulver aus dem Amerikanischen Supermarkt die Straße runter.

"Meine Abuela würde es lieben," schwört Alejandro und grinst breit.

"Ach, bestimmt würde es sie langweilen," beschwichtigt meine Mutter ihn und lacht. Sie ist an Alejandros Charme gewöhnt. Manchmal ist es ist, als würde er vor Charisma überlaufen. "Wie geht es deiner Großmutter denn?"

Ich bin dankbar, dass meine Mutter den Faden aufgreift um ein Gespräch einzufädeln, darum weise ich sie nicht darauf hin, dass ich ihr schon als Alejandro noch in Spanien war, über seine Familie, insbesondere seine Großmutter, auf dem Laufenden gehalten habe.

Vor zwei Jahren hat Alejandros Abuela ihn in Deutschland besucht und meine Mutter und sie haben sich bei einem Besuch sehr lange unterhalten. Seitdem erzählt sie bei jeder nächstbesten Gelegenheit davon, dass sie eine international bekannte Tänzerin spanischer Volkstänze kennt. Nicht, dass die Großmutter meines Freundes noch viel tanzen könnte.

"Es geht ihr besser, seit wir sie in dem Pflegeheim untergebracht haben," berichtet er und nimmt einen Schluck von seinem Lassi. Auch ich muss den Chili Geschmack in meinem Mund abschwächen und greife nach meinem Glas. "Aber sie kann sich nicht mehr so gut bewegen und ihr Herz macht viele der Tänze nicht mehr mit. Was sie nicht davon abhält zumindest jeder Tanzstunde die sie in dem Heim anbieten nur zu zusehen."

Mary - Eine Geschichte in Lila und GrünWo Geschichten leben. Entdecke jetzt