27. Warten auf Sternschnuppen

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Siebenundtwanzigstes Kapitel
Warten auf Sternschnuppen

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Oliver

"Ich denke nicht, dass wir hier hoch dürfen," sage ich, obwohl ich weiß, dass meine Worte nutzlos sind. Marylins lässt mir keine andere Wahl.

"Wenn du aufhörst dich zu beschweren wird uns niemand bemerken." Sie schiebt eine alte Kiste beiseite, die in der Abstellkammer in die sie mich geführt hat, auf dem Boden steht und tritt an eines der Dachfenster heran.

"Nein," sage ich entgeistert als sie Anstalten macht das Fenster zu öffnen. Das Dach ist hier recht flach und ich kann mir vorstellen was sie vorhat.

"Doch," antwortet Marylin, öffnet kurzerhand das Fenster und schwingt ein Bein über den Fensterrahmen. Sie streckt abwartend eine Hand aus. "Hilfst du mir?"

"Marylin, wir sind hier im fünften Stock. Ich helfe dir ganz bestimmt nicht aus dem Fenster zu klettern."

"Du bist so eine Spaßbremse Oliver," meint sie und greift nach meiner Hand, zieht mich zu sich heran und stützt sich auf meiner Schulter ab, sodass sie auch ihr anderes Bein auf das Dach schwingen kann. Ich umklammere ihre Hand, doch sie scheint keine Angst zu haben, die knappen zwei Meter Dach vor ihr hinunter zu rutschen und in die Tiefe zu stürzen. "Außerdem sind wir im sechsten Stock. Das Erdgeschoss zählt nicht als erste Etage."

Sie dreht sich zu mir um und blickt mich abwartend an. Ich seufze, weiß aber schon, dass ich ihr folgen werde. Nach dem Gespräch mit Gia eben ist mitten in der Nacht auf ein Dach klettern ein Kinderspiel. Marylin zieht mich durch das Fenster. Ich bleibe mit meinem Fuß kurz hängen doch sie zieht mich zu sich heran. Kurz bin ich so abgelenkt davon, wie sich ihr Körper gegen meinen presst, dass ich die Aussicht übersehe.

"Wow," bringe ich heraus und Mary neben mir nickt.

Der sechste Stock zahlt sicht definitiv aus. Wir können über das kleine Wäldchen neben der Herberge hinunter in die Stadt blicken die am Fuß des kleinen Berges liegt. Im Osten ist die Sonne untergegangen und nur ein sanfter, orangener Streifen zieht sich den Horizont entlang und neben den Lichtern der Stadt sieht man auch einige Sterne über unseren Köpfen.

"Schön, oder?," fragt Marylin, die mich beobachtet hat. Ich nicke und lege den Kopf in den Nacken. Ich kann ein paar Sternenbilder erkennen, die wenigen, die Alejandro mir vor einigen Jahren im Sommercamp beigebracht hat.

"Warst du etwa schon hier oben?," will ich wissen und löse meinen Blick von den Sternen um mich Marylin zu zuwenden. Sie blickt auf die Stadt hinunter und sagt: "Nein, aber Chris hat davon erzählt. Sie war mit irgendeinem Typen aus dem Tanzkurs hier oben. Das Dach ist an dieser Stelle recht flach und man kann sich hin  setzen. Chris meinte sie sind noch etwas höher geklettert."

"Chris hat definitiv keine Höhenangst."

Marylin blickt zu mir: "Stimmt, du stehst nicht so auf Höhe, oder?"

"Nicht wirklich."

"Wollen wir wieder rein gehen?"

"Nein," antworte ich. "Nein, es ist schön hier." Ich hocke mich vorsichtig hin, den Rücken an den Fensterrahmen gelehnt. Mir fällt auf, dass ich Marylins Hand immer noch fest halte, doch statt mich loszulassen, setzt sie sich neben mich und blickt hinauf in den Himmel.

Ich folge ihrem Blick und für ein paar Minuten sitzen wir nur nebeneinander und beobachten die Aussicht.

"Wie war das für dich, als du mit dem Studium angefangen hast," fragt Marylin plötzlich in die Stille hinein. Ich blicke kurz zur Seite, doch sie sieht mich nicht an. "Was war mit deinen anderen Freunden? Sind die alle mit dir auf die Hochschule gegangen?"

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⏰ Last updated: Aug 24, 2021 ⏰

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Mary - Eine Geschichte in Lila und GrünWhere stories live. Discover now