26. Noch ein Gespräch

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Sechsundzwanzigstes Kapiel
Noch ein Gespräch

Mary
(Eine knappe Stunde zuvor)

Kaum dass Jamie meinen Anruf annimmt und ich ihre Stimme höre, weiß ich, dass etwas nicht stimmt.

"Mary?," fragt sie. Ich habe ihre Stimme noch nie so klingen hören.

Ich schließe mit einer Hand die Tür zu meinen Zimmer auf und frage besorgt: "Jamie, was ist passiert? Geht es dir gut? Ist etwas mit Arthur passiert?"

"Nein," ihre Stimme so brüchig, dass sie es nochmal wiederholt, als müsse sie noch austesten, ob sie sprechen kann. "Nein, Arthur geht es gut. Er kann nur nicht hier sein. Er hatte letzte Woche schon Stress mit seiner Ausbilderin weil er nicht rechtzeitig in der Küche war und ich will ihn nicht in Schwierigkeiten bringen und Vanna geht nichts ans Telefon und Mary, ich wusste nicht...ich wollte mit jemandem reden-"

"Jamie, es ist okay. Ich bin da," versuche ich sie beruhigen. Ihre Atmung rauscht hektisch und laut aus meinem Lautsprecher. "Jetzt atme erstmal ein paar mal tief ein und wieder aus. Kannst du dich hinsetzen?"

"Ich sitze schon," sagt Jamie, beginnt aber dann mit tiefen Atemzügen. Ich setzte mich ebenfalls auf mein Bett und warte, bis Jamie etwas zur Ruhe gekommen ist.

"Wo bist du gerade?," will ich wissen und Jamie antwortet: "Im Krankenhaus, bei meinem Vater."

"Was ist passiert?," frage ich, auch wenn ich eine Ahnung habe, was Jamie sagen wird.

"Er hat wieder etwas am Herz," sagt sie und ihre Stimme zittert. "Sie sagen, er hat eine Entzündung am Herzmuskel und wegen diesem Stromschlag vor Jahren-" Sie bricht ab, aber ich kann mir den Rest denken.

Jamies Vater hatte vor Jahren einen starken Stromschlag bekommen und seitdem immer Probleme mit seinem Herzen gehabt. Im letzten Jahr hatte er mehrmals Herzschmerzen gehabt, weshalb Jamie nicht in einer anderen Stadt studiert hat, sondern bei ihren Eltern zu Hause bleiben wollte. In den Wochen bevor ich zur Hochschule gefahren bin, hatte sie erzählt, dass es ihm gut ging. Auch bei unseren Telefonaten hatte Jamie ihren Vater kaum erwähnt und ich war davon ausgegangen, dass es ihm besser geht.

"Er hat Fieber bekommen und Atemnot, meine Mutter hat den Notarzt gerufen." Erklärt Jamie nun.

"Oh, Jamie," bringe ich hervor. "Das tut mir so Leid. Ist deine Mutter bei dir? Wie geht es deinem Vater jetzt?"

"Meine Mutter ist bei ihm, darum sitze ich hier alleine. Ich wollte nur mit jemandem reden. Ich - ich weiß nicht, wie es ihm geht. Er sah so krank aus, als sie ihn abgeholt haben. Eben meinte eine Ärztin, seine Lage würde sich verbessern, aber was ist wenn nicht, Mary?"

Ich zögere kurz. Ich kenne mich nicht mit Herzmuskelentzündungen aus.

"Es wird alles gut werden, Jamie. Ihr habt ja schnell reagiert und ihm ging es doch ansonsten besser in letzter Zeit, oder? Meine Tante hatte vor ein paar Jahren ähnliche Symptome aber im Endeffekt war es etwas anderes."

"Es ging ihm nicht wirklich besser, Mary," sagt Jamie. Ihre Stimme klingt immernoch brüchig, sie muss bis eben noch geweint haben, doch jetzt spricht sie etwas klarer. "Als du an Weihnachten bei uns warst, hatte er schon wieder diese Schmerzen."

Ich bin leicht irritiert und frage: "Warum hast du das denn nicht erwähnt, Jamie?"

"Ich soll an unserem Weihnachtsessen so etwas auf den Tisch bringen?," sie schnaubt und ich kann förmlich hören, wie sie die Augen rollt. "Während Vanna gerade zurück gekommen ist und ihr zwei von euren tollen Erlebnissen erzählt und du zwischendurch rausgehst, weil dich dieser Oliver anruft? Ja, das wäre natürlichder perfekte Zeitpunkt gewesen zu erzählen, dass ich Angst habe, dass mein Vater stirbt."

Mary - Eine Geschichte in Lila und GrünWhere stories live. Discover now