24. Es gibt leider keine Kennenlernspiele

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Vierundzwanzigstes Kapitel
Es gibt leider keine Kennenlernspiele

Mary

Die Autofahrt verläuft um einiges entspannter als ich erwartete hatte. Ich schaffe es sogar noch etwas mehr über Klara in Erfahrung zu bringen, auch wenn wir Gia mit keinem Wort erwähnen.

Wir kommen bei einer Herberge an und sofort kommen in mir Erinnerungen an Klassenfahrten hoch, an jeden Morgen die gleichen Brötchen, Namensspiele und nächtliche Expedtionen in die Schlafzimmer der Jungen. Als ich mich zu Oliver umdrehen, um ihn zu fragen, ob er ähnliche Erfahrungen hat, sehe ich jemanden von hinten auf uns zu kommen.

Sie hätte auch ruhig etwas warten können.

"Hey, ihr seid auch für das Musikvideo Projekt von Mr. Reynolds hier?" Gia hat ihre Haare hochgesteckt und trägt einen Blazer und anders als die Gia, die ich im Club gesehen habe, wirkt sie wach und entspannt. Zumindest bis sie Oliver und mich erkennt.

Ihr Mund formt einen perfekten Kreis, sie zieht eine Augenbraue hoch als ihr Blick zwischen mir und Oliver hin und her wandert und dann setzt sie ein breites Grinsen auf. "Olli, Mary! Ich hatte mich schon gefragt, wann ihr kommt. Ihr seid die letzten, aber es sind noch Zimmer frei." Sie hält Oliver kurzerhand einen Schlüssel hin, an dem eine Holzplakette mit der Nunmer 40 steht.

Ich weiß, dass es Oliver mehr beschäftigt als er zugeben will, dass Gia hier ist. Als ich ihm die Situation geschildert habe, hat er zunächst eine Minute lang nichts gesagt, und dann genickt und gesagt, dass ich nicht so entschuldigend dreinschauen soll. Und er hat recht, es kann gut sein, dass Gia sich schon angemeldet hatte, bevor sie gehört hat, wie ich davon erzählt habe. Trotzdem mustere ich ihn leicht besorgt, als er Gia den Schlüssel abnimmt und seine Tasche schultert.

"Bekomme ich auch einen?," will ich wissen als Gia mir nicht ebenfalls einen Schlüssel gibt, sondern auf meine Hände starrt, in denen ich Olivers Videokamera halte.

"Doch klar. Du kannst gleich mit mir kommen, ich dachte wir teilen uns ein Zimmer, da wir uns ja schon kennen. Okay?"

Das wird ja immer besser. Aber ich nicke und Gia dreht sich um und bedeutet uns, ihr zu folgen. Ich drücke Olivers Arm kurz und greife dann nach meiner Tasche.

Die Zimmer sind genauso wie ich Jugendherbergen Zimmer in Erinnerung habe. Vielleicht sogar noch kleiner, aber das liegt vielleicht daran, dass ich das letzte Mal in einem war, als ich vierzehn und zwanzig Zentimeter kleiner war. Es ist ein Doppelzimmer jedoch ohne Hochbett, was uns die Frage erspart, wer oben schlafen will.

"Wir treffen uns in zehn Minuten alle im großen Versammlungsraum und danach gibt es Abendessen. Abends ist die erste Planungsrunde in der Tanzgruppe. Du bist glaube ich bei Marleen. Ich habe gehört, sie soll die Teilnehmer ziemlich hart angehen, also bereite dich auf Muskelkater vor," rattert Gia hinunter und ihre betont beiläufige Stimme bringt mich zu der Annahme, dass auch sie die Angespannte Stimmung merkt.

"Das ist fast wie bei Klassenfahren früher. Gemeinsames Abendessen und alles. Gibt es auch Kennenlernen Spiele?," frage ich und lasse mich auf mein Bett fallen.

Gia blickt mich irritiert an und ich winke ab. Sie und Oliver sind schließlich etwa drei Jahre älter als ich und können sich vermutlich an keine peinlichen Namensspiele erinnern.

"Dann gehe ich schon mal," meint Gia und verlässt unser Zimmer, dass auch ohne ihre Anwesenheit sehr eng wirkt. Es wird unmöglich sein, ihr aus dem Weg zu gehen. Doch ein Teil von mir hofft, vielleicht etwas mehr über sie und Oliver in Erfahrung zu bringen. Ich lasse meinen Kopf in die Kissen sinken und schließe die Augen.

Mary - Eine Geschichte in Lila und GrünWhere stories live. Discover now