Kapitel 37

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Genervt verließ ich Phils warme Brust und lief zur Tür. Auf dem Gang, als ich die Tür hinter mir angelehnt hatte, fauchte ich ihn leise an.
„Was willst du?“ Ich weiß, dass es mein Bruder meistens gut meint, aber eine Störung von ihm, an unpassenden Zeitpunkten ist nicht angebracht.
„Was soll das?“, fragte er und verschränkte die Arme vor seinem Brustkorb.
„Was soll was?“ Ich war verwirrt. Hatte ich etwa seine heißgeliebte Nussschokolade gegessen, die er immer in seinem Nachttisch versteckte? Ich dachte kurz darüber nach. Nein, soweit ich mich erinnern konnte nicht.
„Du weißt was ich meine. Phil natürlich. Was willst du von ihm? Seine Familie gilt als die schnöseligste in der ganzen Stadt. Der passt doch gar nicht zu dir.“ Er versuchte seriös zu klingen, doch schon alleine das Wort ‚schnöseligste‘ tauchte meine Gedanken in Verwirrung. Existierte das überhaupt?
Jedenfalls wollte mir mein kleiner Bruder Ratschläge über meine Beziehung geben. Ich verschränkte nun auch meine Arme vor der Brust und zog die Tür noch etwas weiter hinter mir zu.
„Spinnst du. Er ist der Richtige und nur weil seine Familie und er wissen wie man sich zu benehmen hat, heißt das nicht das sie schnöse...anders sind.“, meinte ich und fühlte mich selbst angegriffen, als würde Toni dies von mir behaupten.
„Bist du eigentlich total bescheuert. Ich fühle mich gerade echt wie in einem komischen Schnulzen Liebesfilm, in dem sich die eigentlich für einander bestimmten immer viel zu spät bekommen.“ Mein Bruder sprach heute wirklich in Rätseln. Was er meinte, begriff ich erst viel später.
Die Türklingel riss mich aus der Sortierung meiner Gedanken zu einem logischen Zusammenhang.
Ich hört wie Phil von meinem Bett im Zimmer aufstand und unten Moritz zur Tür herein gelaufen kann.
Da ich immer noch versuchte Tonis Worte zu verstehen und ihn anstarrte, als hätte er mir gerade einen verblüffenden Zaubertrick vorgeführt, kam Moritz die Treppe hochgelaufen.
Als er vor mir stand und mich grinsend begrüßte, kam Phil hinter mir aus dem Zimmer.
„Puuh.“, machte Toni und verzog sich, nachdem er seine Amre kurz dramatisch in die Höhe gerissen hatte.
Ich bemerkte erst jetzt, was für eine Situation gerade entstanden war. Mein Freund hinter mir und mein bester Freund vor mir. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich zwischen ihnen wahrscheinlich verkohlt.
„Ich wer dann mal gehen.“, sagte Phil und zog seine Jacke an. Er gab mir einen Kuss auf die Wange. „Ich schreib dir Süße.“, meinte er, lief die Treppe nach unten, verabschiedete sich von meinen Eltern und schloss die Haustüre hinter sich. Das alles passiert so schnell, dass ich nichts sagen konnte. Nicht mal wusste, ob er jetzt sauber war.
Ich zog meine  Augenbrauen hoch und sah Moritz an. Meine Amre immer noch verschränkt vor der Brust.
„Ich schreib dir Süße.“, äffte er Phil nach und lief an mir durch in mein Zimmer.
Dann lachte er und irgendwie konnte ich ihm in dem Moment nicht böse sein.
„Hey.“, meinte ich und schlug ihm spaßeshalber mit der Hand an sein Oberarm.
Ich setzte mich auf meinen Schreibtischstuhl, ein Bein zog ich an meinen Oberkörper, mit dem anderen drehte ich mich leicht in nach rechts und links.
„Ich hab mir das mit meinem Bruder nochmal durch den Kopf gehen lassen.“, meinte er prompt und lies sich auf mein Bett fallen.
Hatte Judith also mit ihm gesprochen.
„Und?“, fragte ich vorsichtig.
„Ich glaub, ich werde mit ihm reden. Vielleicht hatte das ja alles einen guten Grund, was ich zwar nicht glaube, aber…“
„..aber du versuchst es zu verstehen?“, fragte ich noch vorsichtiger.
„Ja.“, meinte er.
„Gut“, sagte ich.

Wir hatten am Abend beschlossen, am nächsten Wochenende nach München zu fahren.
Die restlichen Schultage, verliefen sehr unspektakulär. Ich traf mich ein paar Mal am Mittag mit Phil. Wir gingen spazieren, meistens mit Amelie. Er war nicht sauer auf mich, was ich ihm sehr zu schätzen wusste. Es war einfach alles so unkompliziert mit ihm.

Am Samstag um acht Uhr saßen Moritz und ich im Zug. Ich hatte meiner Mutter erzählt, was wir vorhatten, Moritz seinen Eltern nicht. Er meinte es sei erst einmal besser so. Sie würden sich nur aufregen, hatte er gesagt.
Fast drei Stunden Fahrt, mussten wir überstehen. Wir saßen nebeneinander und hörten Musik.
Ich döste und dachte über das nach, was Toni an diesem einen Abend gesagt hatte. Ich hatte schon so viel darüber nachgedacht, dass ich bald selbst nicht mehr wusste, was er von sich gegeben und was mein Hirn sich selbst daraus gesponnen hatte.
Wir redeten fast nichts. Manchmal sah ich auf Moritz Handydisplay. Er schrieb mit Judith, was wieder dieses unwohle Gefühl in mir auslöste.

In München am Bahnhof war viel los. Gefühlte tausend Leute schleppten ihre Einkaufstaschen in die Züge, Anzugträger hetzten noch in letzter Sekunden durch die Türen und Eltern krallten ängstlich ihre Kinder an sich, weil sie Angst hatte diese in dem Getümmel zu verlieren.
Moritz und ich beeilten uns zum Ausgang zu kommen. Er hatte sich die Adresse der Werkstatt auf einen kleinen Zettel geschrieben, zu der wir mit einer Straßenbahn fuhren.
Es war stickig und ich war heilfroh, als wir wieder dort wieder raus kamen.
„Ist es das?“, fragte ich, als wir fünf Minuten die Straße weiter runter gelaufen waren und schließlich vor einem großen grauen Gebäude standen. Es hatte ein blaues Garagentor, auf dem mit vergilbt-weißer Schrift etwas stand, was ich von der Entfernung nicht erkennen konnte.
„Normalerweis schon.“, meinte Moritz und lief ein Stück näher.
Mir war dieser Ort nicht geheuer, alles sah so verlassen aus. Nirgends war ein Haus, indem sich Leute aufhielten. Trotzdem folgte ich ihn bis vor das Tor.
Jetzt konnte ich auch erkennen was darauf stand. Autowerkstatt Roland.
Weiter unten stand dick und fett.
ZU VERMIETEN.
Moritz hämmerte einmal lautstark geben das Tor. Die Werkstatt war geschlossen und meine Hoffnung seinen Bruder zu finden sank drastisch.

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Was denkt ihr, wie wird es weiter gehen?

Ich wünsche euch allen einen tollen Silvesterabend und einen guten Rutsch ins neue Jahr.<3

Lysell <33

Instagram: _lysell_

Hundert WünscheWhere stories live. Discover now