Kapitel 15

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Irgendwann lief ich zitternd vor Kälte nach Hause. Es kam mir so vor als wäre es noch kälter als vorhin. Außerdem dämmerte es schon. Ich musste wohl ziemlich lange bei ihr gewesen sein. Amanda hatte sogar extra weil ich bei ihr war, den Stand auf dem Weihnachtsmarkt heute nicht geöffnet.
Ich vergrub meine Nase im Schal. Und rieb meine Hände so lange aneinander bis sie schließlich etwas wärmer waren.
Froh darüber dass ich aus dem unheimlichen Wald raus war, lief ich noch einen Umweg durch die Stadt.
In jedem Schaufenster sah man geschmückte Tannenbäume, Lichterketten und unechte Weihnachtsmänner. In ein paar Tagen war Weihnachten, doch bei mir machte sich überhaupt keine Weihnachtsstimmung breit.
Ich schaute die von den Lichterketten hellerleuchtete Straße entlang. Viele Menschen liefen dort hecktisch umher und versuchten noch irgendein Schnäppchen zum verschenken zu erhaschen.
Eine Person die auf mich zu gelaufen kam, kannte ich. Es war Phil.
Schnell versuchte ich meine Haare so hinzurichten dass sie einigermaßen okay aussahen.
Irgendwie sah er anders aus. Er hatte einen Smoking an und seine Haare lagen übertrieben ordentlich.
„Hi“, begrüßte er mich mit dem süßesten lächeln als er mich sah.
„Hallo.“Ich musste grinsen, weil der Anzug so gar nicht zu ihm passte.
“Ja ich weis, ich sehe bescheuert aus.“ er lachte ebenfalls.
„Warum hast du das an?“ Ich versuchte ernst zu bleiben, weil ich nicht wollte, dass er denkt, ich lache ihn aus.
„Mein Vater ist gerade da und er hat drei wichtige Geschäftsführer aus verschiedenen Partnerbetrieben zum Essen in so ein schicken Restaurant eingeladen. Natürlich muss da die ganze Familie mit und da wir uns von der besten Seite zeigen müssen, zwängen wir uns jedes Mal in solche Kleider.“
Ich nickte. Sein Vater war wohl ziemlich streng.
„Und was machst du dann hier?“
„Meine Mutter hat mich beauftragt eine Schachtel Pralinen für die Frau eines Geschäftspartners zu kaufen, weil sie noch länger arbeiten muss und sonst nicht pünktlich zum Essen fertig ist.“
Ich nickte wieder. Dann verabschiedete er sich von mir und wir beiden liefen in verschiedene Richtung.
Den ganzen Nachhauseweg dachte ich darüber nach, wie es wohl wäre so einen Vater zu haben. Auf  der einen Seite wäre es total toll sich alles leisten zu können und in den teuersten Restaurants zu essen, aber auf der anderen Seite, fände ich es total bescheuert sich bei so einem Abendessen verstellen zu müssen, nur damit die Familie gut da steht.

Es war schon fast dunkel als ich zu Hause ankam. Ich wollte an der Küche durchschleichen, in der Mama und Papa waren, doch sie sahen mich.
„Sarah. Kommst du mal bitte kurz.“, sagte Mama scharf.
Ich lehnte mich an den Türrahmen.
„Wo warst du denn? Es wäre nett wenn du uns Bescheid sagen würdest wenn du nach der Schule nicht nach Hause kommst.“ Sie zog eine Augenbraue hoch.
Ich musste mir jetzt schleunigst eine gute Ausrede zusammenreimen. Das ich nicht in der Schule war konnte ich schlecht erzählen.
„Ähm…ja ich war noch bei Moritz.“ Log ich und wollte gerade gehen, doch Mama hielt mich fest.
„Wenn du schlechte Laune hast, musst du das nicht immer hier auslassen. Bald ist Weihnachten. Das Fest der Liebe. Doch von dem merke ich recht wenig.“, fauchte sie gereizt.
„Ich kann so viel schlechte Laune haben wie ich will“, ich riss mich von ihr los, „und wenn du ehrlich bist interessiert es dich ja sowieso nicht.“
Bevor Mama antworten konnte lief ich in mein Zimmer.
Im Moment fühlte ich mich so alleine, so unverstanden, von allen.
Normalerweise ist Mama nicht so.
‚Das sind bestimmt die Hormone‘, hatte Tante Amanda heute gesagt. Ich versuchte es zu glauben, doch aus irgendeinem Grund gelang es mir nicht.

Am nächsten Morgen war ich genauso unmotiviert wie am Tag zuvor. Ich wollte nicht zur Schule. Dort stand ich sowieso nur alleine irgendwo herum und musste mir eigestehen das ich niemand hatte. Außer Phil. Aber sind wir mal ehrlich, er ist immer mit seinen aufgetakelten Mädchen und ein paar Kumpels die allesamt fast zwei Meter groß sind auf dem Pausenhof. Da pass ich nicht dazu.  
Diese Erkenntnis lies mich traurig werden. Mochte er mich überhaupt? Ja schön, er hat etwas mit mir unternommen, aber tut er das nicht mit jedem Mädchen?
Ich lies meinen Kopf langsam gegen den Schrank fallen. Nochmal und nochmal. Dieses Thema sollte heute meine Laune nicht noch schlechter machen als sie ohnehin schon ist.
Dann lauschte ich an der Tür. Nichts zu hören.
Es war wohl niemand zu Hause.
Ein Blick auf die Uhr, sagte mir dass der Unterricht in fünf Minuten beginnen würde und ich beschloss nicht hin zu gehen.
Dann lief ich runter, schmierte mir ein Nutellabrot und setzte mich vor den Fernseher.
Es kam nichts wirklich Gutes. Ein paar Morgenmagazine und eine Sendung in der irgendwelche nullachtfünfzehn Stars komisches Zeug machen nur damit sie ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bekommen.
Ich starrte einfach nur auf den Bildschirm ohne die Sendung wirklich zu verfolgen.
Irgendwann kurz vor Mittag zog ich mich um, damit Mama wenn sie nach Hause kommt, denkt ich wäre in der Schule gewesen.
Eine halbe Stunde später kam sie mit Papa, der eine Tüte voller Babykleidung in der Hand hielt, zur Tür herein.
Sie schaltete das Radio an. Es kam gerade der Wetterbericht, der heftige Schneestürme für heute Abend vorgesagte. Ich hörte nur halbwegs zu und ging, nachdem ich mir einen Apfel geschnitten hatte in mein Zimmer. Das war der einzige Ort hier im Haus in dem ich vollkommend meine Ruhe hatte.

Hundert WünscheWhere stories live. Discover now