Kapitel 13

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An diesem Tag schlief ich aus. Es war Sonntag und ich hatte heute sowieso nichts mehr zu tun als meine Tante auf dem Markt zu besuchen und mit Moritz zu reden.
Wiederwillig quälte ich mich aus dem Bett, als meine Mutter mich zum Mittagessen rief. Ich wunderte mich, denn es hatte schon ewig nichts mehr Warmes mittags gegeben. Papa war fast nie da, weil er sonntags oft irgendwelche Interviews mit nullachtfünfzehn Promis hatte und Mama hatte eine Verordnung von ihm sich nicht körperlich anzustrengen.
Die Treppenstufen knarrten unter mir während ich Mamas Rufen befolgte.
Ich setzte mich an den Tisch. Keiner redeten.
Ausnahmsweise waren heute alle da. Mama bemerkte das etwas mit mir nicht in Ordnung war und ich glaube sie vermutete das es an ihr und Papa lag. Ich brummte nur irgendetwas vor mich hin als sie mich darauf ansprach.
Die restliche Zeit redeten Toni und Papa über irgendein verschossenes Elfmeter eines angeblich guten Fußballers.
Als ich die letzten Reste von meinem Teller gekratzt hatte ging ich mit einer Jacke aus dem Haus. Es war zwar immer noch kalt aber die Wiesen waren nun nicht mehr weiß sondern grün wie sonst auch immer nur an ein paar Stellen lag noch weiße Matschpampe.
Ich lief in die Stadt zu einem Fotoautomaten und war gerade dabei das Bild von der Spinne auf meiner Hand für Bellas Grab zu drucken, als ich von weitem Phils Stimme hörte.
Ein paar Sekunden später konnte ich ihn näher kommen sehen.
Neben ihm liefen zwei blondhaarige, dünne, große Mädchen. Sie lachte gekünstelt und die eine hatte sich bei ihm eingehackt. Ich wollte wegsehen, weil ich wusste es würde mich verletzten ihn mit zwei anderen Mädchen zu sehen, doch ich konnte nicht.
Sie liefen zum Ausgang des Drogeriemarktes. Alle lachten.
Langsam machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit. Ich wusste dass er sehr beliebt war und eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass die größere Hälfte seiner Freunde weiblich war.
Schnell dachte ich an gestern. Ich war jetzt ja schließlich auch eine seiner Freundinnen und wer weis vielleicht auch bald mehr als nur eine Freundin.
Ich musste übe den schwachsinnigen Gedanken lachen, obwohl er mir zu diesem Zeitpunkt gar nicht so absurd vorkam.
Ich entnahm das Bild aus dem Automaten und lief nachdem ich gezahlt hatte raus.
Alle liefen hecktisch umher. Die letzten zwei Wochen vor Weihnachten hatten alle Läden auch sonntags auf. Zur Freude der Leute die noch Geschenke einkaufen müssen.
Mit schnellen Schritten, weil es begann ein paar Tropfen vom Himmel zu regnen, lief ich in Richtung Friedhof.
Bellas grab war auch vom Schnee befreit und ich kam nun besser an die Holzkiste ran. Schnell öffnete ich sie und legte das neue Bild hinein.
Heute redete ich mit ihr, weil sonst niemand auf dem Friedhof zu sehen war.
Im Sommer ging ich oft abends hier hin, niemand war um diese Zeit dort und ich konnte sicher gehen dass keiner mich hören konnte. Bella liebte warme Sommerabende. Früher saßen wir oft an solchen Tagen draußen oder lagen in ihrer riesigen Hängematte und redeten Stunden lang.
Ich erinnere mich gerne an solche Sommertage zurück. Sie waren so unbeschwert. So sorgenlos. So wunderschön.
Es war befreiend ihr alles zu erzählen, auch heute. Ich hatte keine Ahnung wie lang ich dort war. Als es dämmerte ging ich.
Mit langsamen Schritten trottete ich zu Moritz. Aus irgendeinem Grund hatte ich total Angst vor dem Gespräch mit ihm. Bei dem Gedanken daran lief ich noch langsamer. Das machte alles dieser Traum. Seit dem bin ich total verwirrt was Moritz angeht.
Es war schon dunkel als ich bei Moritz ankam. Laut pustete ich die eingeatmete Luft aus und klingelte.
Es dauerte ein wenig als mir Moritz Mutter lächelnd die Tür öffnete.
„Er ist oben“, sagte sie mit ihrer leisen und beruhigenden Stimme.
„Danke.“ Ich nickte kurz und lief dann an ihr vorbei hoch. Vor der Zimmertür blieb ich kurz stehen und klopfte. Ein leises Brummen ertönte von drinnen und ich öffnete die Tür.
Er saß mit seinem Handy auf dem Bett. Kurz schaute er mich an, dann wieder ausdruckslos auf sein Smartphone.
Ich machte meine Jacke ein Stück auf und stellte meine Tasche hin. Mein Herz klopfte schon wieder so heftig und ich hatte keine Ahnung warum.
„Ich muss mit dir reden.“, sagte ich und blieb vor seinem Bett stehen.
Er legte sein Handy bei Seite und schaute mich immer noch böse an. Ein Augenbraue zog er kurz hoch.
„Ich weis gar nicht was dein Problem ist. Du bist grundlos sauer und redest kein Wort mehr mit mir.“ Meine Stimme wurde lauter und mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb.
„Wenn du denkst das dieser Phil kein Grund ist, na dann bitte.“ Er stand auf und legte sein Handy auf den Schreibtisch.
„Was hast du denn gegen ihn?“
„Was ich gegen ihn habe? Phil ist ein Arschloch. Er verarscht jedes Mädchen. Er spielt mit ihnen, damit er seinen Spaß hat. Er ist nicht gut für dich, aber du bist auch noch so naiv und fällst gnadenlos auf ihn rein.“ Er schrie.
„Und wenn es so wäre. Eigentlich kann es dir egal sein. Du führst dich auf wie meine Mutter. Ich bin alt genug um zu entscheiden was gut und was schlecht für mich ist.“
„Sarah. Ich bin dein Freund. Denkst du ich will dass du verarscht wirst? Aber gut du hast Recht. Deine Entscheidung. Du kannst dich Treffen mit wem du willst und ich genauso. Aber ich hab dich gewarnt komm bloß nicht danach zu mir gekrochen. Dein Leben deine Entscheidungen.“ Seine Stimme war nicht mehr so laut. 
Wütend und traurig zu gleich stürmte ich aus dem Haus. Eigentlich wollte ich mich wieder mit ihm vertragen aber jetzt habe ich alles nur noch schlimmer gemacht. Irgendetwas hat sich verändert zwischen uns. Ich meine, als Bella mit Bruno zusammengekommen ist, wüsste er auch dass Bruno gerne Frauen verarscht und er hat sich trotzdem nicht aufgeführt als wäre er der alleinige Bestimmer. Ich verstand ihn einfach nicht.
Zu Hause lief ich direkt in mein Zimmer. Im Augenwinkel konnte ich Bellas Buch sehen. Was würde wohl jetzt aus dem Wünschen werden? Wir mussten sie auch trotz unseres Streits erfüllen. Bellas zu Liebe.

Diese Nacht schlief ich nicht gut. Aber ich hatte auch komischerweise nicht den Albtraum, den ich sonst immer hatte wenn es mir gerade schlecht ging.
Die ganzen Stunden in der Schule musste ich über Phil und den Streit mit Moritz nachdenken. Warum musste das alles so kompliziert und verwirrend sein?
Als dieser ewigdauernde Schultag endlich vorbei war, wollte ich mich gerade zum Ausgang begeben als ich Moritz mit einem Mädchen aus meiner Parallelklasse, deren Name Judith war, dort stehen sah.
Ich war wie immer spät dran und deshalb stand niemand mehr in den Gängen aus mir und ihnen. Sie bemerkten mich nicht, weil ich mich hinter der großen Säule Mitten in der Eingangshalle versteckt hatte. Auch wenn ich sie so nicht mehr sah, konnte ich sie deutlich reden hören.   
„Also heute Mittag um halb drei am Eingang des Weihnachtsmarktes?“, fragte sie ein wenig schüchtern.
„Ja genau. Danach können wir auch noch zu mir.“ Seine Stimme klang wie immer.          
 Sie willigte ein, dann sah ich wie sie beide das Gebäude verließen.
Draußen umarmte er sie und ich konnte an ihrem Gesichtsausdruck, der zu mir gewendet war, erkennen dass sie ihn mehr mochte als nur ein guter Freund.
Dann liefen beide in verschiedene Richtungen.
Ein komisches Gefühl machte sich in mir breit und ich konnte diese Mädchen sofort nicht mehr leiden, obwohl ich sie früher immer als total nett empfand.
Ich fragte mich warum ich auf einmal so schlecht gelaunt war. Das Gefühl welches auftauchte konnte ich nicht genau beschreiben. Ich wollte es mir nicht eingestehen, doch trotzdem wusste ich das es Eifersucht war.

Den ganzen Nachmittag lag ich nur zu Hause auf der Couch und starrte mit einem leeren Blick auf den Fernseher, der nur lief damit es nicht ganz so still war.
Ich wusste gar nichts mehr, aber eigentlich doch ganz schön viel.
Zum einen war ich mir todsicher, das ich Phil liebte. Er war der Junge der mein Herz höher schlagen lies. Aber zum anderen tat dass Moritz Anwesenheit seit den letzten Tagen auch. Zwar nicht so stark aber es war definitiv etwas anders zwischen uns.
Vielleicht lag es auch nur daran dass ich mich so über in aufregte, versuchte ich mir einzureden.
Ich wälze mich hin und her. Ständig musste ich daran denken wie er mit dieser Judith fröhlich auf dem Weihnachtsmarkt rumturtelte. Hatte Moritz das gleiche Gefühl, wenn ich mich mit Phil treffe?
Diese Frage konnte ich mir nicht mehr beantworten, denn Toni schmiss sich zu mir aufs Sofa und schaltete meine Lieblingssendung weg. Ich sagte nichts.
„Bist du krank? Du meckerst gar nicht wenn ich umschalte?“ Er schaute mich verwirrt an.  
Ich schüttelte nur kurz den Kopf und lief dann ins Badezimmer.
Ich hoffte nur noch eine warme Dusche würde mir wieder klare Sicht zwischen den Dingen verschaffen.  

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Sry das ich gestern kein Kapitel mehr hochgeladen habe. Dafür heute. :-)
Wer will kann gerne für mein Buch bei 'Watty Awards 2014' für Kapitel 57 voten. Würd mich super freuen :-)
Freu mich über jedes Kommentar und Vote! <3

Lysell <33   

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