Ich nahm mir kurz Zeit mich in die Melodie und den Rhythmus des Songs einzufühlen und begann dann mit einfachen Aufwärmübungen, deren Schwierigkeitsgrad ich immer weiter steigerte. Schon nach kürzester Zeit standen mir dicke Schweißtropfen auf der Stirn, doch ich wischte sie verbissen weg und machte mich dann einfach daran meine Arme und Beine zu dehnen. Dabei zogen meine Muskeln ein wenig schmerzhaft und ich merkte deutlich, dass mir die letzten Wochen Training gefehlt hatten. Doch der Schmerz vertrieb meine sonst so düsteren Gedanken und so lehnte ich mich sogar noch ein Stück weiter vor, genoss das heiße Ziehen der Muskelstränge in meinem Körper. 

Bald schon verklang das Lied und ein anderes folgte. Ich gab meine sitzende Position auf und versuchte stattdessen der weichen Melodie mit fließenden Bewegungen zu folgen. Ich spürte wie ich vollends in der Musik versank und schloss genießend die Augen, folgte den Klängen zu einem ruhigen Ort, wo nichts außer meiner Leidenschaft für den Tanz existierte.

Doch auch dieser Zustand war nicht von Dauer und als das Lied urplötzlich durch Jihes Hand erstarb, kehrte ich beinahe ruckartig in den Tanzsaal zurück, in dem nun reges Treiben herrschte, da jeder seinen Platz im vorderen Teil einnahm, damit Jihe ihren Unterricht beginnen konnte. Auch ich gab meine Position in einer der ruhigeren Ecken auf und suchte mir dann einfach eine freie Stelle, wo ich einen guten Blick auf Jihe und den riesigen Spiegel vor mir hatte.

„So Leute, ich hoffe ihr seid richtig warm." Es folgte allgemeine Zustimmung, woraufhin sie zufrieden lächelte. „Gut. Heute haben wir ein straffes Programm. In der letzten Woche hatte ich Kontakt zu einem sehr begabten Choreografen und wir haben uns zusammengesetzt, um etwas für euch auszuarbeiten. Habt ihr Bock?", rief sie begeistert und erfreute sich an der positiven Reaktion der Gruppe. „Gut, dann lasst uns mal anfangen!", damit nahm sie wie wir ihre Position vor dem großen Spiegel ein und begann mit ihrem Unterricht.

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Ich folgte Jihes Bewegungen so gut ich konnte, merkte aber schnell, dass mein Körper sich deutlich dagegen wehrte. Immer wieder besetzten schwirrende schwarze Punkte meine Sicht und verhinderten, dass ich ihr konzentriert folgen konnte. Es nervte mich, dass ich scheinbar nicht in der Lage war ordentlich mitzumachen und fühlte mich wie ein kaputtes Zahnrad, das das ganze System blockierte. Verbissen biss ich die Zähne zusammen, zwang meinen Körper die schwebenden Bewegungsabläufe nachzuempfinden und ignorierte die Bäche aus Schweiß, die meine Haut hinunterliefen und das dünne Shirt fast zu einem Teil meines Körpers machten.

Ein letztes Mal drang Jihes enthusiastischer Ruf durch den Saal, dass wir nochmal alles geben sollten, bevor sie die Musik von vorne startete und begann die Schritte zu tanzen, die sie uns bis eben noch beigebracht hatte. Ich fokussierte meinen Blick genau auf ihren Körper, analysierte ihre zarten Bewegungen und imitierte sie. Und dennoch hing ich immer einen Beat hinterher, verpatzte sogar ganze Stellen der Choreografie. Ich endete zwei Sekunden später als die anderen und das ließ Ärger in mir aufwallen. Ärger über mich selbst und dass ich anscheinend innerhalb von wenigen Wochen so sehr nachgelassen hatte.

Während die Wut mich regierte, hatte Jihe ein fröhliches Lachen auf den Lippen, während sie ihren keuchenden Schülern begeistert applaudierte. „Gut gemacht, Leute! Ich bin richtig erstaunt von euch, macht weiter so! Das wars dann auch schon für heute. Kommt gut nach Hause und vergesst nicht ordentlich zu trinken." Die Gruppe nickte zustimmend, während sich die Reihen bereits auflösten und jeder sich seine Sachen schnappte, um zu den erlösenden Duschen zu gehen. Ich war der einzige, der genauso stehen blieb, wo er war und beinahe enttäuscht auf das Spiegelbild vor mir blickte. Das Shirt klebte mir am Oberkörper und meine Haut glänzte vor Schweiß, doch es machte mich fertig schlechter als die anderen gewesen zu sein. Dabei war es mir noch nicht mal wichtig der Beste zu sehen, nur fühlte ich mich als würde ich die Harmonie der Gruppe beeinträchtigen, nur weil ich heute nicht hinterherkam. 

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Where stories live. Discover now