25.Abschnitt (12.11.8,5; Aus der Sicht Luci)

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Die Dachziegel auf denen ich saß waren kalt und hart. Unruhig rutschte ich hin und her, fand aber keine angenehmere Sitzposition. Die Ratte war jetzt wohl bei Hanna. Er hatte nicht gesagt, von wem er sich noch so unbedingt veabschieden wollte, trotzdem wusste ich, dass sie es war. An jedem anderen Abend wäre ich ein bisschen eifersüchtig gewesen. Warum sie und nicht ich? Eine Frage, die ich der Ratte nie hätte stellen können, in all diesen Jahren. Ich war wie eine kleine Schwester für Nico. Und ein bisschen war er auch wie mein größerer Bruder, glaube ich.

Heute Abend wollte ich zum ersten mal nicht mit Hanna tauschen, denn sie würde ihn verlieren. Das musste schwer für sie sein. Sie liebte ihn doch auch. Nicht so sehr wie ich, aber auf eine andere weise. Eigentlich hatte ich nichts dagegen, wenn die Ratte mich wie seine kleine Schwester behandelte. Wir standen uns viel näher, als es ein Liebespaar es je hätte seien können. Das war gut so. Mama hatte mir einiges über Liebe erzählt. Sie hat mir gesagt, Liebe würde mich nur von dem ablenken, was ich tuen soll und so etwas sollte ich niemals zulassen. Außerdem war Liebe, oder das was die Menschen meinten, wenn sie davon sprachen, erstrangig der Entschluss zur Fortpflanzung, die mir sowieso verwährt bliebe. Denn ich war kein Mensch und mich mit einem Mann zu paaren, der nicht meiner Spezies angehörte, wäre anstößig und falsch. Bis jetzt hatten weder sie noch Leviathan, der wirklich alles sah, jemals einen anderen gesehen, der so war wie ich.

Das machte mich traurig, nicht weil ich mir einen Mann gewünscht hätte. Ganz im Gegenteil, seit ich denken konnte, hatte ich mir nie so eine Bindung gewünscht. Es betrübte mich nur, die einzige meiner Art zu sein. Niemand wusste etwas über meine leiblichen Eltern, falls ich überhaupt welche hatte. Meine Mutter hatte sich zwar immer um mich gekümmert, aber es gab viele Dinge, die sie nicht verstand.

Sie experimentierte häufig mit mir, testete meine Reaktionen auf verschiedene Formen schwarzer Magie und meine Fähigkeiten. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn ein erwachsener Engel hier gewesen wäre um ihr und mir alles über meine Spezies zu erzählen. Er oder sie hätte mir auch zeigen können, wie man fliegt, falls wir so etwas können. Vor allem wäre ich nicht mehr die einzige gewesen.

Isegrimm war ebenfalls von allen anderen seiner Art getrennt. Wir hatten nie wirklich darüber geredet, aber ich glaube, er fühlte sich genauso wie ich.

Mama würde mir noch mehr fehlen als er. Sie würden mir beide fehlen. Selbst die Mitglieder von Samjiva, die ich noch nicht namentlich kennen gelernt hatte und sogar Leviathan würde mir fehlen. Mama, die Ratte und Isegrimm hatten Angst vor Leviathan. Ich konnte es in ihnen ansehen, immer wenn er da war. So war es schon immer gewesen, aber ich verstand immer noch nicht warum. Mama hatte mir zwar erzählt, er seie sehr mächtig, aber er war zu jedem von uns immer nur freundlich gewesen. Jedenfalls hatte ich nie etwas anderes gesehen und Mama hatte mir nichts anderes erzählt. Die Ratte sagte oft, er wäre böse.

Wie würde mein Leben sein ohne meine Familie?

NamenlosWhere stories live. Discover now