32.Abschnitt (2.12.9,5; Aus der Sicht von Luci)

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Noch nie hatte ich mich so verloren gefühlt. Mama war weg. Aber ich konnte mich nicht darum kümmern, nicht jetzt. Lintu brauchte mich. Es war ein komisches Gefühl, so als hätte ich sie schon immer gekannt, ich hatte es nur nicht gewusst. Sie war meine kleine Schwester.

Lintu war noch viel verlorener als ich. Ich musste sie von hier wegbringen, irgendwohin wo es sicher war, erst danach würde ich Mama wieder her holen. Gab es einen Ort an dem ich sicher vor Leviathan sein würde? Es war schwer zu glauben Leviathan könnte mir weh tuen wollen, mein ganzes Leben war er freundlich und offen zu mir gewesen. Aber die Ratte hatte Recht gehabt. Wenn Leviathan mich nicht gejagt hätte weil ich die Ratte getötet hatte, dann sicher als Rache für meinen Mord an Ihminen. Wie konnte ich nur? Ich hatte meine Familie verraten. Alles was in den letzten zwei Stunden passiert war schien für mich immer noch unwirklich und nicht begreiflich.

Jetzt war ich hier mit Lintu. Ich führte sie durch die Stadt, war noch nicht sicher wohin wir gingen. Alles hatte sich verändert. Für mich gab es kein Zuhause mehr. Wenigstens hatte ich Lintu retten können. Ich musste die Glaskugel nur zum Körper meiner Mutter bringen, jedenfalls hoffte ich das. Aber vorher musste ich Lintu in Sicherheit bringen, an einen Ort wo niemand sie verletzen könnte. Niemand aus Samjiva dürfte sie jemals zu Gesicht bekommen, sie war so wie ich und das machte sie interessant für... meine Familie.

Wir standen vor der Kirche. Der Pater wusste einen Weg hier raus. Ich musste mit ihm reden. Er kniete vor dem Altar und betete als wir die Kirche betraten. "Hallo.", sagte ich laut. Lintu neben mir war sehr nervös. Ich wünschte ich könnte sie beruhigen. Das spührte sie und reagierte mit einem unsicheren Lächeln. Der Pater erhob sich und drehte sich zu uns um: "Hallo. Lintu? Was machst du denn hier? Und du? Wie habt ihr beide euch denn kennen gelernt?"

Lintu wollte nicht antworten also sprach ich schnell: "Wir haben nicht viel Zeit. Wir müssen fliehen." Wahrscheinlich hatte er, wie der Rest der Stadt auch, noch nie von Leviathan gehört. Je weniger er wusste, desto besser waren seine Chancen zu überleben nachdem wir weg waren. Eilig drehte sich der Pater nach links: "Ok, folgt mir. Ihr müsst..", er blieb mitten im Satz stehen, bewegte sich nicht mehr. Wie war das zu erklären? Lintu neben mir stand ebenfalls still.

"Mein Engel.", schallte eine Stimme durch die Kirche. War das? War das möglich? Sie kam mir bekannt vor aber ich brauchte einen Moment um mich daran zu erinnern. War das die Stimme aus meinem Traum?

"Du hast keinen Grund zu gehen. Ich bin hier und bei mir bist du sicher."

Benommenheit überfiel mich, verwirrte mich, brachte mich aus der Fassung. Als ich mich wieder gefangen hatte fragte ich: "Woher weiss ich dass ich dir vertrauen kann?"

Dieses Gefühl drückte mich, erdrückte mich, verdrängte mich fast. "Ich bin dein Gott. Das weisst du."

Es kostete mich eine Menge Kraft aber ich konnte mich gegen ihn wehren. "Wir hatten dieses Gespräch schon mal."

"Und?"

"Und ich bin nicht dein Engel und du nicht mein Gott."

Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich voll darauf gegen dieses Gefühl zu kämpfen und mich nicht von ihm beherrschen zu lassen. Plötzlich liess es nach und ich öffnete meine Augen wieder. Vor mir stand ein junger Mann, vielleicht ein paar Jahre älter als ich. Er sah gut aus: Kurze, hellblonde Haare und hellblaue Augen. Eine schmale Nase. Volle, rote Lippen, ein breites Lächeln. Er trug ein orangenes Muskelshirt das seinen trainierten, sonnengebräunten Oberkörper betonte. Das war er. Er hatte eine feste Erscheinungsform angenommen.

"Du bist das schönste, was ich jemals gesehen habe."

"Was willst du?"

"Deine Liebe."

NamenlosOnde histórias criam vida. Descubra agora