14. Abschnitt (23.8.7,5; Aus der Sicht von Luci )

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In dieser Nacht traf ich mich mit Mama um an meiner Magie zu arbeiten. Mit einem tadelnden Kopfschütteln begrüsste sie mich ohne etwas zu sagen. "Hallo Mami" sagte ich in der Hoffnung sie habe nicht gemerkt wo ich und die Ratte heute gewesen waren. Wohlahnend, dass sie es wissen könnte.

"Du weisst, dass du nicht in die Stadt gehen sollst." Betroffen wich ich ihrem Blick aus und trat vom einen Fuß auf den anderen. "Du glaubtest wirklich wir würden es nicht merken." Pause. Wir. Sie war wieder bei Leviathan. Leviathan weiss alles. Er musste es ihr erzählt haben.

"Hast du ein paar Menschen getroffen?"

"Ja."

"Und wie fandest du das?"

"Interessant. Sie schienen eigentlich gar nicht so schlimm zu sein."

Mutter zischte verächtlich.

"Du solltest nur in die Stadt gehen, wenn du vor hast jemanden zu töten."

"In Ordnung."

"Habe ich mich klar ausgedrückt?"

"Ja, Mama. Das wird nicht nochmal passieren. Versprochen." ich redete schnell weil ich nervös war. Es war mir wichtig, dass sie mir glaubte. Es war mir wichtig dass ich immer ihre gute Tochter bleiben würde.

Sie musterte mich lange und prüfend. Dann nickte sie.

Wir übten ein paar Stunden bevor ich schlafen ging. Mama drehte sich immer weg wenn ich es schaffte, meine Energie für einen Moment zu bündeln. Sie hielt das Licht nicht aus.

Von nun an ging die Ratte nur noch alleine in die Stadt. Ich fand es schön, wenn auch er mir von dort erzählte. Andere Geschichten. Schönere Geschichten. So wie die von dem Mädchen, dessen Haarband vom Wind in einen Baum geweht worden war. Dann war die Ratte auf den Baum geklettert um ihr das Haarband wieder zu holen. Ihr Name war Hanna und sie wohnte in der weissen Villa. Die Ratte redete viel über sie.

Oder die vom Pater, als er die Ratte zum ersten mal auf dem Kirchendach erwischt hatte. Die Ratte hatte erst unglaubliche Angst gehabt, er würde ihn bestrafen. Aber stattdessen hatte der Pater gelacht und ihn zu einer heissen Tasse Tee eingeladen. So waren die beide Freunde geworden. Sie tranken auch heute noch ab und zu ein paar Tassen Tee miteinander.

Am besten fand ich aber die vom Baby, dass die Ehefrau von Ihminen vor 13 Jahren adoptiert hatte. Man sagte, sie habe es im Park gefunden. Das behaupteten jedenfalls Ihminen und Puoliso (Seine Frau). Es gab aber auch andere Gerüchte: Manche behaupteten Ihminen habe es mit schwarzer Magie herbeigezaubert. Denn trotz des unglaublichen Glückes zu Ihminens Familie zu gehören wodurch sie Previlegien in der ganzen Stadt genoss, sie konnte alles haben was sie wollte, schien sie fast immer unglücklich. Viele regten sich darüber auf und schimpften sie seie undankbar.

Die meisten glaubten, dass Lintu (so hiess sie) die Tochter einer Hure war, die Ihminen aus Versehen geschwängert hatte. Sie sah ihm zwar nicht besonders ähnlich, ganz im Gegenteil, aber es schien unwahrscheinlich dass Ihminen aus reiner Nächstenliebe ein verwaistes Baby aufgenommen habe. Ausserdem munkelte man, er triebe sich häufig Rotlichtmilleau herum.

Mir gefiel die Vorstellung dass das Mädchen, das Puoliso und Ihminen adoptert hatten genau wie ich, einfach aus dem Nichts gekommen war. Sie hatte aber keine Flügel. So etwas hätte man nicht geheim halten können, nicht wenn man in der Stadt wohnt, jedenfalls nicht wenn sie auch nur halb so gross waren wie meine. Ich versteckte sie meist unter einer lockeren Robe aus schwarzen Tüchern. Aber selbst dass klappte nicht immer, denn es war schwer sie immer still zu halten. Wenn ich mich besonders freute zitterten sie und rutschten aus den Tüchern, auch wenn ich wütend war oder aufgeregt.

In der nächsten Nacht machten Isegrimm, die Ratte und ich gemeinsam ein Lagerfeuer. Das machten wir oft um die Zeit zu vertreiben. Dort sassen wir dann vor dem Feuer und redeten. Ich nagte an einem Kaninchenknochen, den wir über dem Feuer gebraten hatten, als Isegrimm anfing uns eine Geschichte zu erzählen. Seine brummige Stimme passte zu der Nacht und dem Lagerfeuer. Das alles schien zusammen zu gehören, unzertrennlich und wunderschön. Wenn Mama hier gewesen wäre, wäre meine Familie komplett gewesen.

"Bevor Samjiva sich hier niederliess lebten andere Wesen im Wald. Ein ganzes Volk hat Leviathan mit seinen Dämonen ausgerottet, um Samjiva gründen zu können."

"Mama hat mir nie von so etwas erzählt."

Die Ratte blickte verletzt zur Seite, als ich meine Mutter erwähnte. So reagierte er oft, wenn ich über sie sprach. Er wollte aber nicht, dass ich es merkte.

"Uns ist eigentlich verboten darüber zu sprechen. Die Namenlose ist mit ihrer Seele an Leviathans Mächte gebunden, deshalb muss sie tuen, was er will."

"Aber du bist nicht an Leviathan gebunden?", fragte die Ratte.

"Ich bin einer der wenigen die ihm folgen, obwohl sie ihren freien Willen behalten haben. Leviathans Gesetz gilt nicht für mich."

"Stört ihn das nicht?"

"Ein bisschen schon. aber so lange ich ihm gehorche, wenn er mir Befehle gibt, ist er zufrieden mit mir."

"Erzähl uns mehr über das Volk" mischte ich mich ein.

Isegrimm räusperte sich laut. Es war nicht nur ein Räuspern, sondern auch ein unbeabsichtigtes Grirren.

"Sie waren die Ureinwohner des Waldes und lebten hier äusserst friedlich, besonders gegenüber den Menschen in der Stadt. Sie sprachen eine andere Sprache als sie. Eine magische Sprache. Häufig nutzten sie ihre Magie um den Menschen zu helfen. Ein paar lernten sogar die Sprache der Menschen, um sie besser verstehen zu können."

"Und lernten die Menschen auch ihre Sprache?" unterbrach ich ihn.

Er räusperte sich noch mal. Diesmal war es mehr ein Grirren als ein Räuspern. Beabsichtigt. Er mochte es nicht, wenn man ihn unterbrach.

"Niemand ausser den Ureinwohnern konnte diese Sprache sprechen."

Einen Moment verzog er seinen Mund zu einem Schmollmund. Das passte nicht zu ihm, die Ratte und ich mussten lachen, weil es so albern aussah.

Das Feuer knisterte und das verbrennende Holz knackte vergnüglich.

Isegrimm versuchte wütend zu tuen aber es gelang ihm nicht. Er musste auch lachen bevor er weiter erzählte:

"Einige glauben, dass die Ureinwohner wieder kommen würden, wenn man ihre Namen sagen würde. Aber weil niemand sie richtig aussprechen kann, sind sie mit der Zeit in Vergessenheit geraten."

"Man nennt sie auch das vergessene Volk" fügte die Ratte hinzu.

"Vielleicht wären sie ja nicht ausgerottet worden, wenn die Menschen ihnen geholfen hätten." sagte ich. Mama wäre stolz auf mich gewesen. Isegrimm nickte nur. Er würde seine ehrliche Meinung über Samjiva und die Stadt wie immer für sich behalten.

Bis die Sonne aufging hielten wir das Feuer am Leben. Es war nicht nur wegen der Kälte sondern auch weil wir uns wohler fühlten, wenn es nicht so dunkel war. Vor allem die Ratte und ich. Aber als die Sonne aufging gingen wir beide brav ins Bett, wie Mama es von uns erwartet hätte. Isegrimm folgte uns durch die unterirdischen Gänge zu unseren Zimmern. Mit den Worten: "Schlaft gut." verabschiedete er sich und ging. Wir wussten nicht wohin er ging. Wahrscheinlich zu einem der vielen anderen unterirdischen Räume. Obwohl ich mein ganzes Leben unter der Erde gewohnt hatte, hatte ich nie alle Gänge und Räume erkunden können. Es waren zu viele, alle endlos und leer und sie führten wirr durcheinander, zu Treppen und zu noch mehr Gängen und Fluren und dann zu noch mehr Räumen. Ein paar mal hatten ich und die Ratte sich schon verlaufen, weil wir den Untergrund hatten erkunden wollen. "Gute Nacht Ratte" sagte ich.

"Nacht Luci." schallte es durch die Wand.

NamenlosWhere stories live. Discover now