Vorgeschichte (Aus der Sicht von Darius Keno Schmidt; in der goldenen Ära)

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In der Pause machte ich mich direkt auf dem Weg zur Bibliothek. In den ersten paar Quartalen unserer Schulzeit war Marko immer mit gekommen, aber jetzt traf ich mich dort immer häufiger allein mit Gregor. Wir setzten uns an einen der Tische und studierten Seite an Seite verschiedene Bücher. Er studierte ein Buch aus der Biologie-Abteilung (Gregor hatte schon immer eine merkwürdige Faszination für Schmetterlinge gehabt) und ich studierte eine Zusammentragung philosophischer Werke, geschrieben von einem unbekannten Autor. Bekannt war dass er das Buch mit dem Titel (in deutscher Sprache) „Woher es kam.." gemeinsam mit einem der Ureinwohner geschrieben hatte.

Auf dem Weg zurück zum Unterricht bemerkte ich die kleine Susi ein zweites Mal, diesmal stand sie mit ein paar gleichaltrigen zusammen.

Nach Schulschluss verabschiedete ich mich kurz von Gregor und wartete auf meinen Bruder.

„Na war das nicht ein großartiger Tag?", fragte er mich.

„Ich weiß nicht.", antwortete ich.

„Ist was passiert?"

Marko lachte.

„Oh ja! Die 'Musikgruppe' wird wieder für ein paar Wochen nach Rigoll reisen und dort touren!"

Ich verdrehte instinktiv die Augen obwohl ich eigentlich gar nicht genervt sein wollte.

Die Musikgruppe bestand aus Jugendlichen, fast ausschließlich aus Schülern dieser Schule. Marko war der einzige von ihnen der trotz der zahlreichen unentschuldigten Fehlstunden im Unterricht kein bisschen hinterher hinkte.

„Und du weißt was das bedeutet!", lachte Marko. „Trinken, tanzen, Mädchen und noch mehr Trinken! Das wird lustig! Du solltest auch mitkommen!"

„Nein Danke."

„Warum nicht?"

„Ich will hier bleiben und lernen."

„Pfff.", machte Marko witzelnd aber abwertend.

„Du hast echt kein Interesse am Leben oder?"

Ich blieb stumm. Mein Bruder war der wichtigste Mensch in meinem Leben. Aber abgesehen von unserer Liebe für Bücher hätten wir nicht verschiedener sein können.

Zuhause empfing uns Mama herzlich. Sie würde traurig sein wenn sie erfuhr dass Marko wieder für ein paar Wochen weg sein würde.

Im Sandkorn 137

Ab und zu gab es großen Streit zwischen mir und meinem Bruder. Wie hätte es auch anders sein können? Wir waren grundverschieden. Ich konnte es mir damals nicht eingestehen aber ich beneidete ihn sehr wegen der Aufmerksamkeit die er von allen Seiten bekam.

Im 138. Sandkorn der goldenen Ära fing Marko kurz entschlossen eine Beziehung mit der guten Elly Gutter an. Wie es so oft der Fall war war Elly Gutter nach wenigen Wochen die einzige die überrascht war als er sie ohne groß darüber nachzudenken wieder in den Wind schoss.

Weil Elly die kalte und kurze Abfuhr die sie in der Schule von ihm bekommen hatte nicht richtig hatte einordnen können stand sie am Abend des gleichen Tages weinend vor unserer Haustür. Marko war nach der Schule mit einigen Freunden zu einem ihrer Häuser gegangen. Er würde heute Nacht nicht mehr auftauchen.

Als ich die Tür öffnete war ich genervt und wütend auf meinen Bruder. Elly umarmte mich in Tränen. Ich reagierte nicht viel.

Obwohl es immer mein Traum gewesen war als Pastor der Stadt zu fungieren und allen ein offenes Ohr und eine warme Schulter anzubieten, waren mir Situationen dieser Art doch extremst unangenehm. So zurückgezogen wie ich lebte war ich an Gefühlsausbrüche wie diesen einfach nicht gewohnt.

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